Ich hab' euch ganzen Schmocks von Anfang an versprochen:
Wenn ich droppe, sind eure Chancen nicht verhandlungsoffen.
"Leere" scheint wohl noch die passendste Umschreibung für das Gefühl, wenn man einen geliebten Menschen verliert. Noch schlimmer, wenn ein derartig tragisches Ereignis in Zeiten der Freude über einen hereinbricht: OG Keemo unterschrieb seinen Labeldeal keine 24 Stunden nach dem Tod seiner Mutter. Wie er mit dem Schmerz umgeht? Er packt ihn in Zeilen, um sich 2018 endlich Deutschraps "Skalp" zu holen.
Die Energie, die in jedem Wort seines neuen Werks steckt, macht ähnlich sprachlos wie solch ein ergreifender Vorfall. Ob nun emotionale Rückblicke "an den Tag, nachdem ich sie begraben hab'", oder stumpfe Beleidigungen – OG Keemo rappt stets mit einem Hunger, den Deutschrap an vielen Stellen schon lange vermisst. Die Metaphern aus dem Leben eines Mannes, der häufiger in fremde Wohnungen eingestiegen zu sein scheint als in der eigenen zu hausen, wirken dank seiner druckvollen Stimme nur noch gewichtiger. Bei "Skalp" gibt es keinen doppelten Boden, keine besonders tiefgründigen Zeilen, nur die reine und ehrliche Sprachgewalt des "Riesen aus dem tiefen Afrika". Es wirkt fast schon egal, wie trivial seine Stories über "Sluggys" erzählt sind – jede scheinbare Unstimmigkeit wird mit Wortwitz und drückendem Flow überspielt. Funkvater Frank untermalt das Tape dabei noch mit hämmernden Beats, die eindrucksvoll ins düstere Gesamtkonstrukt einfließen.
Wenn man "Skalp" als einzigen Kritikpunkt anrechnen kann, dass die Platte durchaus etwas länger hätte sein können, macht der Künstler schon eine Menge richtig. OG Keemo schreibt sich nicht nur den Frust von der Seele, sondern zeigt ganz nebenbei, wie stilecht Representer-Rap 2018 noch klingen kann. Vor allem vermittelt er aber, dass man nicht aus der Kunstfigur fällt, wenn man diese Zeilen mit emotionalen Erinnerungen spickt und verfeinert. Offensichtlich lügt "der Häuptling" auf seinem "Vorwort" also nicht: "Ich schreib' besser, wenn kurze Tage zu langen Nächten werden".
(Sven Aumiller)