High Five: 10 / 18 – mit u.a. Ahzumjot, Rockstah & 385idéal
Der Deutschrapzirkus ist ein umtriebiger Schauplatz. Zwischen all den Promophasen und Albumveröffentlichungen kann man schon einmal den Blick fürs Detail verlieren. Deshalb stellen wir jeden Monat an dieser Stelle die kleinen, feinen Highlights vor, die abseits des Album-Korsetts Beachtung verdienen. In den Kategorien Statement, Video, Song, Instrumental und Line präsentieren unsere Redakteure handverlesene Schmuckstücke. Egal, ob nun ein besonders persönlicher Bezug, eine wichtige Message oder ein rundes musikalisches Gesamtpaket den Anlass bieten. Hier wird ein tiefer Einblick in einzelne Facetten der Rapwelt geboten. Fünf Höhepunkte – klatscht in die Hände für unsere "High Five"!
Statement: 385idéal
Mancher Rapfan mag es – aus welchen Gründen auch immer – gar nicht wahrhaben wollen, doch HipHop hatte schon immer auch einen politischen Aspekt. Einen, der über "Alle korrupt, Bruder, du weißt"-Aussagen hinausgeht und betont, dass man den Ausweg aus einer politisch oder gesellschaftlich unerträglichen Situation immer auch selbst finden kann. Weil jeder Einzelne selbst etwas zur Veränderung beitragen kann und muss. Eines der wichtigsten Werkzeuge, um eine solche Veränderung herbeizuführen, sind in einer Demokratie die Wahlen. Wahlen, wie die des hessischen Landtags am 28. Oktober. Um nicht nur zur Beteiligung daran aufzurufen, sondern sich damit auch deutlich gegen den heranwachsenden Rechtsruck in Deutschland zu positionieren, haben sich die Künstler von 385idéal in einem Video unter dem Hashtag #deinestimmezählt zusammengetan. Klar, nicht alle politischen Statements eines jeden Rappers sind direkt als etwas Positives zu erachten. Dennoch ist es von Bedeutung, dass auch Künstler, deren Musik selbst gar nicht so politisch sein mag, aufzeigen, wie wichtig es ist, sich rechter Gesinnung entgegenzustellen. Nicht zuletzt zeugt das davon, dass HipHop auch 2018 noch politisch sein kann und es außerdem immer wieder sein sollte.
Video: Rockstah – Highscore
Dass die Musikvideos in der deutschen Rapszene leider selten innovativ sind oder zumindest meist nicht besonders herausstechen, ist so gut wie allen bekannt. Nach dem x-ten Clip mit dicken Autos und der gesamten Posse im Rücken des Künstlers sucht man teils verzweifelt nach Videos, die sich durch einzigartige Produktionen hervorheben. Doch Rockstah gelingt nun genau das. Das Video – man muss es schon fast "Kurzfilm" nennen – des Nerdkönigs zu seiner neuesten Single "Highscore" bleibt definitiv hängen. Rockstah und auch Featuregast Lilli Fichtner sind selbst kein einziges Mal im Streifen zu sehen, stattdessen dürfen wir die Kennenlern-Geschichte eines frisch verliebten Pärchens mitverfolgen. Dabei ist alles in einem zum 80er Jahre-Sound des Tracks passenden Retrolook gehalten. Durch kleine, aber effektive Details wie dieses entsteht so ein Musikvideo, welches sich schon allein durch den Stil von den gängigen Clips der Kollegen abheben kann.
Song: Galv & S. Fidelity – Wasserzeichen (HulkHodn Remix)
The one and only Galv, einer der wohl funkiesten Rapper zurzeit, bekam kürzlich einen heftigen Remix zu seiner Single "Wasserzeichen", welche ursprünglich von S.Fidelity produziert wurde. Für die Neuauflage kümmerte sich der bekannte Kölner Beat-Enthusiast HulkHodn um einen gelungenen Groove. Dabei stellt er sein Können in Sachen dynamische Samples unter Beweis, zu dem Galvs lupenreiner Flow, den man in dieser Form selten hört, perfekt passt. So klingt der Remix in seiner Gesamtform nahezu besser als das Original. Vor allem aber die Kombination aus Galvs wahnwitziger Art zu rappen und HulkHodns Feingespür für Soundästhetik verleihen dem Track ungeahnt viel neue Energie, die auch den steifsten Bürohengst dazu bringen wird, energisch mit dem Fuß zu wippen.
Instrumental: Lance Butters – Keller (prod. by Ahzumjot)
Ahzumjots Produktion zu Lance Butters' "Keller" ist ein absolutes Brett von einem Beat. Düsterer und brachialer geht es kaum. Genau der richtige Nährboden für Lance also, um seine pessimistische Weltansicht voller Energie ins Mikrofon zu rotzen. Hier gibt es ratternde, synthetisch anmutende Hi-Hats zu hören, die punktuell eingesetzt werden. Daneben besticht das Instrumental durch dezent verwendete Verzerrungsgeräusche sowie insbesondere durch die dramatischen Streicher, die während der Hook ertönen. Dadurch kommt Endzeitstimmung vom Feinsten auf. Es ist beileibe nicht erst seit gestern bekannt, dass Ahzumjot hervorragende Beats produziert. Dass er es allerdings immer wieder schafft, kreative und unverbrauchte Ansätze in seine Musik einfließen zu lassen, erstaunt von Mal zu Mal aufs Neue. "Keller" klingt nicht wie die Kopie der Kopie der Kopie, sondern völlig eigen – auch wenn sich gewisse musikalische Einflüsse natürlich nicht leugnen lassen. Die Auszeichnung des unserer Meinung nach besten Instrumentals des Monats hat sich das Hamburger Multitalent jedenfalls völlig verdient wiederholt unter den Nagel gerissen.
Line: Hiob – Alles wie immer
So spielt die tägliche Sinnkrise.
All diese tausend Dämonen weben die Intrigen.
Hiob teasert mit seinem Video zu "Alles wie immer" sein bald erscheinendes Album an und liefert auch direkt die Line des Monats mit. Aus dem Kontext gerissen offenbart sie erst mal nicht sonderlich viel und mag wie eine typische Hiob-Line klingen. Doch der Song behandelt eine ernste Thematik, denn der Berliner setzt sich hier kritisch mit dem Thema "Alkohol" auseinander. Er beschreibt in dem Track eine Stammtischszenerie und die Gefahr, wie schnell aus Gewohnheit auch eine Sucht werden kann. In der ausgewählten Line wird diese Misere durch die ausdrucksstarken Worte sehr gut transportiert. Klar, man könnte jetzt sagen, dass beim ersten Hören des Tracks vielleicht andere stärker herausstechen als diese. Jedoch braucht sie sich gar nicht aufzudrängen, denn sie ist einprägsam und durchdachter als sie vorerst erscheinen mag, da Hiob gekonnt und ziemlich subtil den Inhalt des Songs in dieser einzigen Line zusammenfasst.
(Daniel Fersch, Steffen Uphoff, Jan Menger, Steffen Bauer, Dzermana Schönhaber)
(Grafik von Puffy Punchlines)