Dass DJs und Produzenten fest zum Bild der HipHop-Szene gehören, ist unstrittig. Mit ihrem Schaffen liefern sie den musikalischen Rahmen, in dem sich die Rapper entfalten und ihre Texte wirkungsvoll präsentieren können. Und manchmal braucht es nicht einmal Lyrics, damit ein Beat die richtigen Gefühle transportiert, zum Kopfnicken oder zum entspannten Zurücklehnen animiert. Neben dem Einspielen eigener Elemente steht das Sampling hierbei im Vordergrund. Cutten, choppen, loopen – mal finden nur einzelne Töne Verwendung, mal werden ganze Melodie- oder Vocalpassagen als Grundlage für das neue Werk verändert und genutzt. Dabei beschränken sich die Beatmaker nicht auf gängige Klassiker und einzelne Genres, sondern diggen sich durch die geheimsten Schätze ihrer Plattensammlung auf der Jagd nach dem perfekten Sample. So ermöglicht das fertige Endprodukt nicht nur einen Blick auf die Musikgeschichte, sondern auch auf den Background des jeweiligen Produzenten. Wir wollten daher natürlich wissen, von welchen Künstlern und Songs sich hiesige Beatbauer für ihre Arbeit inspirieren lassen. Deshalb haben wir hinter die Instrumentals geschaut und für diese Spezial-Ausgabe zehn Producer gefragt: "Aus welchem Original-Track stammt dein absolutes Lieblingssample und was verbindest du damit?"
Mels: Die Frage nach einem Lieblingssample ist sicherlich genauso schwierig zu beantworten wie die nach einem Lieblingssong. Momentan feier' ich das Sample von Todd Rundgrens "Wailing Wall". Das Piano hat einen Megavibe und mit den Vocals dazu kann man auch noch einiges anstellen! Benutzt habe ich das Ganze dann für den Young Paul-Track "Sinnbild" von unserer "The Album EP".
khaderbai: Eigentlich sample ich nicht mehr so gern Soul-Platten. Nicht, weil sie sich nicht dafür eignen würden oder mir nicht gefallen, aber weil es andere Beatmaker so viel besser machen. Ich sammle sie aber und höre sie mir nach wie vor sehr gerne an. Als Digger sind Platten immer tolle Reise-Souvenirs, so auch in diesem Fall. Ich habe diese The Blossoms-Platte in Hamburg gefunden, gesamplet hab' ich sie dann aber vorerst nicht. Erst als Funky Notes die Platte bei mir zu Hause mal aus dem Regal gezogen hatte, hab' ich mich nochmals damit auseinandergesetzt und dann auch was damit angefangen. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde ich von Melodiesinfonie für eine Compilation angefragt. Deshalb hab' ich meine ersten Skizzen mit dem "Just Remember"-Sample um ein Sample ergänzt, das von einem von Melos Lieblingsmusikern stammte. Die Compilation kam leider nie zusammen und ich hab' dann für mich an dem Beat weitergebastelt. Es folgten noch weitere Samples, die ebenfalls Anekdoten mit sich ziehen, weshalb der daraus entstandene Beat für mich sehr besonders wurde. Das alles hat nun herzlich wenig mit dem The Blossoms-Sample zu tun, aber es war der Ausgangspunkt einer meiner immer noch absoluten Lieblingsbeats von mir.
Cut Spencer: 2010 hab' ich mit meinen Jungs, den 4 Old Kids, unser erstes Beat-Tape "The Beat Stew Vol. 1" releast. Chefket hat das Ding Jahre später in die Hände bekommen und war von Track 48 sehr geflasht. Er brauchte jetzt nur noch die Einzelspuren, um 'nen fertigen Track daraus zu machen. Natürlich war die Session erst nicht auffindbar, dann defekt und ich bekam etwas Panik. Zum Glück war der Sample-Loop noch auf der Festplatte und ich konnte den Beat nachbauen – was in 99 Prozent der Fälle nie hinhaut, wie alle Beatmaker wissen. Dieses eine Mal zumindest hatte es glücklicherweise geklappt, was auch daran lag, dass der Beat insgesamt nur aus vier Spuren bestand. Spricht nicht unbedingt für den Beatmaker, aber für die Klasse des Samples. Bass, Percussion und Piano sind in dem Loop der Bill Evans-Platte schon drin und so gut, dass es nur noch eine Kick, eine Hi-Hat und 'ne Snare mit ein bisschen Hall gebraucht hat. Summa summarum: gute Indizien für eine Klassifizierung als Lieblingssample. Der fertige Track landete am Ende auf der "Identitäter"-EP von Chefket und letztes Jahr auf dem Soundtrack zu "Wenn der Vorhang fällt". Fun Fact: 99,9 Prozent meiner Beats sind gefühlt von Vinyl gesamplet. Mein wohl bekanntester Beat für "Nach vorn" von Chefket und Samy Deluxe stammte allerdings von einer Jazz-CD meines Mitbewohners meiner damaligen WG, was mich als Digger und Vinyl-Bekloppter natürlich jahrelang gewurmt hat. Allerdings habe ich auch die Lehre daraus gezogen, immer open-minded zu bleiben und keine Samplequellen kategorisch auszuschließen. Die LP "Moon Beams" konnte ich mittlerweile bei HHV auffinden. Also wenn wer fragt, woher das Sample stammt, spiele ich natürlich die Vinyl vor. (grinst)
MF Eistee: Da ich beim Bauen von Beats immer viele Samples durchflippe oder -loope, bis mich was flasht, erinnere ich mich bei vielen Beats nicht mehr an den Interpreten des Samples. Ein ganz Besonderes fällt mir allerdings ein. Ist schon etwas älter und für mich bedeutsam, da der Tune auf meinem ersten Vinyl-Release, der "Nature" 7", drauf war. Ich habe die dazugehörige Odell Brown-Platte in Nürnberg in einem Plattenladen gefunden und an dem Tag meine SP404-SX bekommen. Danach wollte ich sofort heim und das Sample durch die SP schleifen. Durch die Effekte der SP wurde der Loop erst richtig fett und ich war begeistert, wie crunchy der Sound wurde. Nachdem ich das Sample noch in Ableton nachbearbeitet habe, schickte ich das ganze zu Loop Schrauber und er hat noch Drums und Bass drübergezockt.
Thelonious Coltrane: "Summer Madness" von Kool & The Gang, weil das Ding einfach unglaublich dope ist. Das kann man einfach samplen ohne Ende. Du brauchst keine richtigen Beatmaker-Skills, um aus "Summer Madness" einen geilen Beat zu machen. Daher finde ich, das ist eines der besten Samples ever. Aber ich hab' an sich Tausende Samples am Start, weshalb es eigentlich schwierig ist, da überhaupt eins rauszupicken.
Ebbe Funk: Mein Lieblingssample ist wahrscheinlich der Song "Someday" von George Duke, welchen ich auf meinem Album "Tibia Infamiae" verwendet habe. Was mich am meisten an diesem Sample begeistert, ist, dass es nicht wie klassisches Sample-Material für einen HipHop-Beat wirkt. Der Song beginnt nicht mit einem Piano, das alleine spielt, oder einer funky Bassline, die man übernehmen könnte, sondern startet sofort mit Drums, Keyboard, Bass und Gesang. Ich bin mir sicher, dass viele Produzenten die Platte von George Duke bei sich im Schrank oder auf der Festplatte und diese kitschige 80er-Ballade direkt übersprungen haben. Mich hat der Vibe aber sofort gecatcht und ich hatte gleich Bock, diesen Song auseinanderzunehmen und neu wieder zusammenzusetzen – und gleichzeitig den originalen Vibe zu behalten.
Twit One: Ein einzelnes Sample rauszusuchen, ist nicht einfach, aber ein favorisiertes Sample ist das Original von dem 4Trackboy & Echomann-Track "Atomic Love Affair". Es basiert auf einem Sample von Jack Sheldon. Man spricht ja eigentlich nicht öffentlich drüber, aber machen wir mal 'ne Ausnahme. Ist einfach ein cooles Album mit vielen guten Tracks drauf, aber dieser Track sticht schon raus. Ein Lovesong aus den frühen Sechzigern, als die atomare Bedrohung real war.
Wilczynski: Die Frage nach meinem Lieblingssample kann ich leider gar nicht so richtig beantworten. Ich kann für mich nur sagen, welche Samples sehr besonders sind und warum. Ich besorge mir meine Samples meist wirklich noch aus dem Plattenladen. Dort nehme ich mir gerne die Zeit dafür und manchmal kommt es vor, dass ich mehrere Stunden dort verbringe, um meine Samples zu diggen. Ich glaube, beim letzten Mal waren es drei Stunden, die ich in Moe's Plattenladen in Karlsruhe verbracht habe. Ich bevorzuge dabei schon gerne die Samples, auf die nicht die ganze Welt jede Sekunde zugreifen kann, sondern das Unentdeckte, die Schätze. Das außergewöhnlichste Sample habe ich wohl bei meinem Valencia-Urlaub 2014 gefunden. Ich besuchte dort die Jimmy Glass Jazz Bar, wo ich einfach eine Stunde lang eine Jazz-Band mit meinen Field Recorder aufgenommen habe. Daraus entstand einer meiner Lieblingsbeats, quasi der Grundstein für die "Glück unter Palmen"-EP. Diese wurde nur aus Samples produziert, welche ich während meines Aufenthalts in Valencia gediggt oder eben mit dem Field Recorder aufgezeichnet habe. Bei meinem aktuellen Projekt "Duality" hatten wir eine sehr spannende Herangehensweise in Bezug auf die Samples. Die Platte entstand zusammen mit dem Straßburger Beatmaker und Brudi Kayo und das Konzept dahinter ist, dass wir beide auf die gleichen Main-Samples zugreifen. Manche Samples hätte ich wohl verworfen, allerdings hatte man sich vorher darauf geeinigt, nur diese Samples zu verwenden, daher war meine Kreativität gefordert und ich entdeckte eine völlig neue Seite in meiner Musik und Entwicklung. Deshalb habe ich kein Lieblingssample, sondern viele, mit denen ich einfach sehr schöne Momente verbinde – egal, ob zu Hause bei der Entstehung oder live als Bestandteil eines Beatsets.
Bluestaeb: "What they do" von The Roots ist einer meiner absoluten Lieblingssongs, obwohl ich den Rest des Albums gar nicht so sehr feiere. Beats und Lyrics passen perfekt zusammen und der Switch-Up am Ende des Songs mit dem Walking Bass, der dann reinkommt, ist unschlagbar. Für meinen Song "Mind" zusammen mit Noah Slee und Maia hatte ich lange eine Version des Beats mit einem direkten Sample von dem The Roots-Song, Noah hat sogar noch auf diese Version aufgenommen. Ich wusste aber, dass, wenn der Song wirklich auf mein Album kommt, das dann nicht reicht. Deswegen habe ich letztendlich das Sample komplett nachgespielt beziehungsweise meine eigene Interpretation davon kreiert. Das kommt natürlich nicht ans Original ran, ist ja aber auch eher als Hommage gedacht. "Mind" ist mittlerweile auch einer meiner eigenen Lieblingstracks vom aktuellen Album.
Melbeatz: Mein liebstes Sample-Original aller Zeiten ist "Heather" von Billy Cobham. Ich selbst hab' es zwar noch nie benutzt – einfach aus dem guten Grund, weil Souls of Mischief das perfekt benutzt haben. Aber "93 'Til Infinity" ist eh mein All-Time Favorite und wenn ich das Original höre, bekomme ich immer eine Gänsehaut. Das ist einer der schönsten Songs, die ich kenne – und wer weiß, vielleicht trau' ich mich ja irgendwann mal ran …
(Sascha Koch)
(Fotos von Robert Winter (Twit One und Bluestaeb), emesa (Wilczynski) und Coca Photography (Melbeatz), Grafik von Puffy Punchlines)