Sucuk Ufuk
Sucuk Ufuk ist einer dieser Rapper, die offensichtlich kein Problem damit haben, anzuecken. Der Reutlinger, der früher unter anderem mit KAAS und Tua ein Teil von Bassquiat war, nimmt beim Rappen kein Blatt vor den Mund – denn politische Korrektheit scheint für ihn nicht infrage zu kommen. Im Interview mit uns spricht er neben der musikalischen Ausrichtung seines zweiten Albums, das den Namen "Echte Kanacken sterben nicht" trägt, auch über die eigenen Probleme mit Rassismus und den Vorwurf, ein Sexist zu sein. Außerdem verrät er uns, welches Verhältnis er mittlerweile zu seinen ehemaligen Weggefährten hat.
MZEE.com: Vor kurzem hast du dein neues und nunmehr zweites Soloalbum "Echte Kanacken sterben nicht" veröffentlicht. Was genau hat es mit dem Titel auf sich? Handelt es sich dabei um eine Anspielung auf den N.W.A. Track "Real Niggaz Don't Die"? Wenn ja: Hat dich deren Musik maßgebend beeinflusst?
Sucuk Ufuk: Ich habe den Titel von 2Pac übernommen. Also, N.W.A. hab' ich auch gepumpt, aber bewusst habe ich es von Pac genommen. Der Titel hat für mich zwei Ebenen. Zum einen geht es darum, nach den vielen Niederlagen im Rap-Kosmos immer wieder aufzustehen und Musik zu machen. Zum anderen gibt es auch einen Bezug zu meinem Leben: Ich hatte einen schweren Autounfall, bei dem ich eigentlich schon hätte sterben müssen und habe ihn überlebt. Deswegen ist es auch ein emotionaler Titel für mich.
MZEE.com: Falls du darauf weiter eingehen magst: War der Unfall eine lebensverändernde Erfahrung für dich? Hat sich dadurch deine Sicht auf das Leben und die Welt verändert und hatte diese Erfahrung vielleicht auch Einfluss auf den Entstehungsprozess des Albums?
Sucuk Ufuk: Direkten Einfluss auf das Album hatte es nicht, weil das Ganze schon sehr viele Jahre zurückliegt. Der Unfall hat eher dazu geführt, dass ich angefangen habe, zu rappen. Ich habe im Krankenhaus damit angefangen, Texte zu schreiben. Die waren dann auch eher deep. Danach habe ich zuhause weitergeschrieben, weil ich wegen der Wunden nicht nach draußen konnte. Dadurch ist Sucuk Ufuk entstanden. Meine Sicht auf das Leben hat sich dadurch aber schon verändert. Ich habe die Angst vor dem Tod verloren und sehe den Tod eher so, dass er den Wert des Lebens widerspiegelt. Davor hab' ich schon keinen Fick gegeben – in meiner ganzen Jugend und Kindheit – aber seitdem gebe ich doppelt und dreifach keinen Fick. So gesehen hat es auf jeden Fall nochmal mein Leben gepimpt und verändert.
MZEE.com: Mit den beiden bislang veröffentlichten Videos, "Langer Bart" und "Dr. Holiday", präsentierst du deinen Hörern zwei recht unterschiedliche Sounds. Während "Langer Bart" vorwiegend typischen Straßensound bedient, orientiert sich "Dr. Holiday" stark an aktuellen Autotune-Hits. Wo würdest du das Album musikalisch insgesamt einordnen?
Sucuk Ufuk: Also an sich ist das ganze Album für mich ein Sucuk-Universum. Thematisch geht es oft in die gleiche Richtung. Das ist eigentlich meine ganze Welt, Alter. Was du sagst, stimmt aber auch. Die Sounds sind unterschiedlich, aber ich rappe eigentlich immer ziemlich ähnlich, auch was die Härte auf "Dr. Holiday" angeht. Ich benutze auch Ausdrücke. Ich habe halt einen Themensong gemacht auf so einem "Coco Jambo"-Beat, aber der klingt jetzt auf jeden Fall nicht so, als hätte ich "Palmen aus Plastik" oder sonst was kopiert. Deswegen würde ich schon sagen, dass der Sound an sich immer Sucuk ist. Wenn du jetzt sagst "Straße und Autotune" … mir fallen keine Songs von anderen Künstlern ein, die wie "Langer Bart" oder "Dr. Holiday" klingen. Deswegen würde ich einfach sagen: Der komplette Sound ist Sucuk, nur die Beats kommen einem vielleicht bekannt vor.
MZEE.com: Sprechen wir mal über die Inhalte deiner Texte. Du rappst immer wieder über Glücksspiel. Besonders die Marke "Novoline" erwähnst du häufig in deiner Musik. Was denkst du, woher diese Mentalität kommt, sein Geld lieber mit Zocken verdienen zu wollen, anstatt durch ein geregeltes Arbeitsleben?
Sucuk Ufuk: Ins Glücksspiel bin ich auf eine gewisse Weise hineingeboren worden. Als Kind habe ich immer schon gesehen, wie mein Vater Wettscheine ausgefüllt hat. Das ist genauso, wie wenn jemand in eine Akademikerfamilie geboren wird. Der wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Lehrer oder sowas. Das soll keine Ausrede sein. Ich hätte jederzeit meine Süchte bekämpfen können. Aber die Versuchung, stets die Abkürzung zum Reichtum zu nehmen, schmeckt einfach zu gut. Novoline zocken ist definitiv die Gegenbewegung zum Bücher lesen und strukturiert seinen Wohlstand aufbauen. Die Ungeduld und der Nervenkitzel siegen immer.
MZEE.com: Denkst du, du stehst dir damit selbst im Weg oder macht dir dieser Lifestyle schlichtweg Spaß? Glaubst du vielleicht sogar an den einen großen Gewinn, mit dem du für immer ausgesorgt hast?
Sucuk Ufuk: Früher habe ich solche Filme definitiv geschoben. Heute weiß ich sehr gut, wie ich Geld anhäufe und, noch viel wichtiger, wie ich es behalte. Wenn ich naiv wäre, würde ich sogar behaupten, dass ich derzeit clean bin. Aber jeder Abhängige weiß, dass die Sucht immer bleibt und der kleinste Auslöser einen direkt wieder in den Abgrund reißt. Meine Musik ist meine Therapie, deshalb verarbeite ich da diese Themen auf meine Art.
MZEE.com: In deinen Texten spielst du des Öfteren auch mit Klischees gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund und thematisierst sonstige rassistische Ressentiments. Wie erlebst du persönlich den immer salonfähiger werdenden Rassismus hierzulande?
Sucuk Ufuk: Das ist ein sehr, sehr komplexes Thema. Ich kenne Rassismus seit den Kindertagen und in meiner Welt war er nie weg. Den Leuten fällt es jetzt halt auf, weil die Medien es einem andauernd vor die Nase halten. Ich denke, die WM 2006 hat dieses Thema einfach nur für ein paar Jahre unsichtbar gemacht. Rassismus wird niemals aussterben, da kannst du in der Weltgeschichte beliebig weit zurückgehen, du wirst auf die immer gleichen Muster treffen. Alle haben Angst, dass sie ihren Wohlstand verlieren an fremde Eindringlinge. Selbst die Ur-Kanacken waren teilweise gegen Geflüchtete. Das Lustige an der heutigen Zeit ist, dass wir uns hier untereinander bekriegen, aber gar nicht mitbekommen, wie wir in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren Sklaven der Asiaten werden. Ich kann mir sogar echt vorstellen, wie asiatische Businessmänner hier undercover einen Krieg anzetteln, damit sie Trojaner-Style den kompletten Westen übernehmen. Nur mal so als Gedanke.
MZEE.com: Findest du nicht, dass du mit dieser Aussage über Asiaten eine ähnliche Paranoia an den Tag legst, wie solche Menschen, die Angst vor Migranten haben? Ist deine Angst besser begründet?
Sucuk Ufuk: Genau genommen hab' ich ja selbst auch asiatische Wurzeln. Und Paranoia hab' ich schon mal gar nicht. Es war nur eine Theorie. In 20 Jahren kann man aber gerne nochmal darauf zurückblicken und schauen, ob der Sucuk da nicht die richtige Vision hatte oder Scheiße gelabert hat. Prinzipiell bin ich immer dafür, dass alle Menschen friedlich zusammenleben sollten. Das wird aber nie passieren, solange es Medien gibt. Die leben ja von dieser Paranoia. Oder Aliens greifen an. Dann haben wir einen gemeinsamen Feind. Aber ich denke, ich schweife vom Thema ab. (lacht)
MZEE.com: Hört man sich deine Musik an, so kommt man nicht umhin, unverhohlen sexistische Tendenzen in deinen Texten auszumachen. In "Pussys und Flamingos" rappst du beispielsweise: "Hat die Kahba die Tage, heißt es leider nur blasen". Wie gehst du mit der Kritik um, dass du ein Frauenfeind seist?
Sucuk Ufuk: Ich verstehe absolut, dass es so rüberkommt. Der Sucuk ist halt sehr emotional in seiner Musik. Aber wenn man es mathematisch angehen würde, werden sicherlich häufiger Männer auf dem Album beleidigt als Frauen. Deshalb sollte ich zwecks Gleichberechtigung eher als Menschenfeind wahrgenommen werden.
MZEE.com: Okay, ich verstehe deinen Standpunkt. Aber dennoch: In vielen deiner Texte rappst du über Frauen als reine Objekte deiner sexuellen Begierde. Selbst auf "Nicht der den du liebst" geht es darum, Frauen ausschließlich für deine eigenen sexuellen Wünsche zu benutzen. Denkst du, es gibt einen prinzipiellen Unterschied zwischen Rassismus und Sexismus? In beiden Fällen werden Menschen schließlich auf wenige Aspekte reduziert und nicht als komplexe Persönlichkeiten wahrgenommen.
Sucuk Ufuk: Ich habe beide Begriffe im Duden nachgeschlagen. Sie scheinen laut deutscher Sprache zwei verschiedene Paar Schuhe zu sein. Mir ist es auch prinzipiell Schwanz, ob man mich als Frauenfeind oder Rassist sieht. Ich glaube, es gibt mehr als genug Leute in meinem Umfeld, die gut mit mir auskommen. Und nach deutschem Gesetz darf ich meine Meinung und Wünsche frei äußern. Wenn diese auf sexueller Unterdrückung basieren und jemand das nicht hören will, ist es sein gutes Recht. Er darf auch seine Meinung dazu äußern. Allerdings ist es dann auch mein gutes Recht, mir diese nicht anzuhören. Ich hab' schon zu viel Scheiße gefressen, als dass mich die Meinung anderer zu meiner Musik stören würde. Ich schlafe jede Nacht mit einem ruhigen Gewissen wie ein Baby.
MZEE.com: Dann reden wir doch mal ein wenig über dein musikalisches Umfeld. Auf deinem Instagram-Profil findet man immer wieder Bilder, auf denen du mit deinen Bassquiat-Kollegen KAAS und Tua zu sehen bist. Seid ihr immer noch gut befreundet, obwohl ihr als Crew nicht mehr aktiv zusammenarbeitet? Eure Musik unterscheidet sich mittlerweile ja schon recht stark voneinander.
Sucuk Ufuk: Menschlich ist alles sehr gut zwischen uns. Tua sehe ich leider viel zu selten, weil er in Berlin wohnt. Aber über WhatsApp schreibt man sich schon häufiger. Bei KAAS ist die Lage wegen der Nähe ganz anders. Er zählt zu meinem engsten Freundeskreis. Ja, die Musik ist nicht wirklich kompatibel, aber das muss auch nicht sein. Solange menschlich alles passt, ist mir das mehr wert. Ich bin ja auch gemeinsam mit KAAS auf dem Song "Torbas" von Marteeny vertreten.
MZEE.com: Was ist dir durch den Kopf gegangen, als die Karrieren von Tua und KAAS damals Mitte und Ende der 2000er bei Royal Bunker beziehungsweise Optik Records ins Rollen gekommen sind? Hast du dich bedingungslos für sie gefreut oder warst du vielleicht auch ein bisschen neidisch?
Sucuk Ufuk: Dort, wo ich aufgewachsen bin, gönnt man seinen Brüdern alles. Ich wäre nur neidisch geworden, wenn einer von denen eine Nacht mit Jessica Alba verbracht hätte. Mich interessiert stets nur die Qualität der Musik. Ob das ein Mensch feiert oder sieben Milliarden ist mir Schwanz. Was bringt mir scheiß Musik, die jeder feiert? Geld verdiene ich auch so stabil auf der Straße. Aber über dieses Thema können wir uns gern nochmal in fünf Jahren unterhalten. Mir gefällt es, dass jeder mich unterschätzt. Es gibt genug Leute, die Sucuk feiern.
MZEE.com: Arbeitest du mittlerweile lieber alleine oder vermisst du die Arbeit mit den Bassquiat-Jungs beziehungsweise Voodoo, mit dem du 2010 das gemeinsame Album "Schwiegermamas Lieblinge" veröffentlicht hast, manchmal auch ein wenig?
Sucuk Ufuk: Ich bin ein Mensch, der immer in der Gegenwart lebt. Die Zeiten früher waren trotzdem sehr geil. Grüße gehen raus an die Jungs und Voodoo. Ich arbeite aber auch heute sehr gerne in Teams. Seit Jahren haben Jibbit und ich uns eine geniale Arbeitsweise zusammengebaut. Die ist aber top secret. Außerdem ist schon die Next Generation am Start mit Marteeny und den Swathari Boys. Das Studio ist sozusagen immer voll mit Ideen und Skandalen.
MZEE.com: Zum Abschluss: Hast du aktuell immer noch einen "Dr. Holiday"? Wenn ja, kannst du dazu eine Anekdote zum Besten geben?
Sucuk Ufuk: Ein Sucuk hat immer einen Dr. Holiday in der Hinterhand. Ich habe viele Geschichten, aber eine fand ich selber sogar richtig lustig. Ich wollte einmal über einen längeren Zeitraum krankgeschrieben werden, ohne jede Woche einen neuen Schein holen zu müssen. Da habe ich Herrn Holiday erzählt, dass ich depressive Gedanken habe und Menschen auf der Arbeit umbringen will. Ich habe ihm detailliert erzählt, wie ich Leute abstechen will. Direkt vier Wochen frei und Antidepressiva aus seinem privaten Schrank. True Story!
(Steffen Bauer)