"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Alte Fans so 'Continue', neue Fans sind so 'Start'". Als Rockstahs "Pubertät" 2014 erschien, war ich so "Start" – schließlich hatte ich weder vom Nerdy Terdy Gangleader noch seiner Musik je zuvor gehört. Dennoch zählt diese Platte heute zu meinen Favoriten. Nicht zuletzt, weil sie mit den Jahren noch gereift ist.
Denn anfangs wirkte das Album fast kindisch. Rockstah zeigt sich mit einem ohrenbetäubend nervigen Intro auf dem Level eines aufgedrehten Kleinkinds und hat dabei noch einen Heidenspaß. Im "Superheldenanzug" aus Bettlaken baut der Ganzjahres-Grinch aus Simpsons- und Nintendo-Referenzen zu Hause bei Mama eine laut scheppernde Festung der Einsamkeit und Selbstironie. Obendrauf gibt es einige der besten Zeilen überhaupt, sodass ich noch heute zu jeder WM zitiere, lieber "Wand statt Fossball" zu schauen. Und wem bei "die 151, sie ist endlich gefunden" nicht das Herz aufgeht, der war entweder nie verliebt oder hat nie Pokémon gespielt – keine Ahnung, was davon trauriger ist. Doch so amüsant und mitreißend all das sein mag, steckt in diesem Album noch weit mehr. Denn je älter man selbst wird und sich in Situationen wiederfindet, in denen das innere Kind gegen die gelangweilte, "erwachsene" Gesellschaft kämpft, desto tiefgründiger wird "Pubertät". Dabei zeigt Rockstah nicht nur, wie wichtig es ist, sich Kindliches und ein wenig Naivität beizubehalten, sondern beweist eben auch ein Gespür dafür, im Nerd-Duktus von ernsten Inhalten zu reden. So bildet der "Weltuntergang"-Zweiteiler nicht nur auf klanglicher Ebene einen angenehmen Ruhepol, sondern widmet sich mit Abschied, Verlust und Tod Themen, die auf den ersten Blick fast deplatziert wirken – aber "Pubertät" perfekt abrunden.
Am Ende ist das Album nicht nur gefühlt mit mir zusammen älter geworden, sondern gleichzeitig eine Anleitung dafür, dass man sich bei all dem Erwachsenwerden das innere Kind erhalten kann. Und zum Release von "Cobblepot", wenn Rockstah in die Rolle von Gothams Pinguin schlüpft, bin ich dann so "Continue".
(Daniel Fersch)