Der Deutschrapzirkus ist ein umtriebiger Schauplatz. Zwischen all den Promophasen und Albumveröffentlichungen kann man schon einmal den Blick fürs Detail verlieren. Deshalb stellen wir jeden Monat an dieser Stelle die kleinen, feinen Highlights vor, die abseits des Album-Korsetts Beachtung verdienen. In den Kategorien Statement, Video, Song, Instrumental und Line präsentieren unsere Redakteure handverlesene Schmuckstücke. Egal, ob nun ein besonders persönlicher Bezug, eine wichtige Message oder ein rundes musikalisches Gesamtpaket den Anlass bieten. Hier wird ein tiefer Einblick in einzelne Facetten der Rapwelt geboten. Fünf Höhepunkte – klatscht in die Hände für unsere "High Five"!
Statement: Buddi – Bass gegen Hass
Wir schreiben das Jahr 2018 und während sich deutscher Rap vorwiegend fragt, ob sich Videogaming als zweites Standbein lohnt und wer demnächst wessen Karriere beendet, sollte man sich stattdessen eher überlegen, wohin der gesellschaftskritische, politische Aspekt der HipHop-Community verschwunden ist. Nicht zuletzt mit Blick auf die Ereignisse in Chemnitz wird wieder mehr als deutlich, dass diese Szene im Großen und Ganzen längst an Ausdruck verloren und sich der Kaufkraft ihrer Fans zugewandt hat. Es gibt sie aber noch: Künstler, die sich immer wieder klar positionieren und ein deutliches Zeichen gegen Rechts setzen. Ob form, der sich als Künstler und Mensch der guten Sache verschrieben hat, oder Rapper wie Trettmann, Marteria, Casper und K.I.Z im Zuge von #wirsindmehr – es wird von Tag zu Tag wichtiger, diese Artists und ihre Aktionen wertzuschätzen und zu unterstützen. So wie etwa das vom Wittener Buddi initiierte Benefiz-Konzert "Bass gegen Hass". Nachdem sich der Rapper zuvor schon wegen des Brandanschlags auf einen syrischen Lebensmittelladen in einem offenen Brief an den Bürgermeister der Stadt Wetter wandte, wurden mit dem Konzert am 31. August, bei dem unter anderem auch Witten Untouchable auf der Bühne stand, für den Besitzer jenes Ladens sowie weitere soziale und gemeinnützige Vereine und Gruppen Spenden gesammelt. Ein großes Danke an alle Teilnehmer, Buddi und jeden, der in der HipHop-Szene aktiv wird gegen rechtes Gedankengut und den menschenverachtenden Hass, der in der heutigen Zeit wieder viel zu laut ist.
Video: Yung Hurn – Eisblock
HipHop-Videos entwickeln sich genauso wie der darin enthaltene Rap immer wieder in neue Richtungen. So muss man heutzutage nicht mehr unbedingt mit fetten Ketten vor noch dickeren Wagen und einer aus gefühlt 100 halbstarken Vermummten bestehenden Crew posieren, um Coolness zu beweisen. Manchmal reicht es schon aus, seine Gefühle offen auf der Zunge zu tragen und dabei, wie in Yung Hurns neuem Video, auf einem zwei Meter hohen "Eisblock" zu sitzen. Ab und an kann es auch sein, dass die Titanic durchs Bild huscht oder man Yung Hurn beim Bearbeiten eines Eisklumpens beobachten kann. Visualisiert wurde von Andreas Hofstetter, Stefan Reineke sowie Elias Asisi hierbei die innere Kälte des Künstlers, die es ihm nicht ermöglicht, Liebe zuzulassen oder eben damit umzugehen, geliebt zu werden. Damit ist es auf jeden Fall das "coolste" Video, das uns diesen Sommer erreicht.
Song: Rockstah – Der Pinguin
Rockstahs Comeback-Single "Der Pinguin" ist ein irrer Mix aus Rap, 80er Jahre-Sounds und cineastischem Inhalt. Der Rodgauer schlüpft hier in die Rolle des titelgebenden Bösewichts aus dem DC-Comic-Universum rund um Batman, in welches man sich beim Hören unweigerlich hineinversetzt fühlt. Das ungewöhnliche Setting nutzt der "Bengel mit Promisohn-Status" geschickt dazu, dem Zuhörer metaphorisch seine Position in der deutschsprachigen Rap-Landschaft zu verdeutlichen. Er porträtiert sich als zynischer und desillusionierter Außenseiter, dessen Frust sich in gefährlichem Hass niederschlägt. Es besteht keine Frage, dass er sich kein Stück weit dem gesellschaftlichen und musikalischen Mainstream anbiedern möchte. Ganz im Gegenteil: Er macht sein ganz eigenes Ding, ob ihn die Leute nun lieben oder hassen. Der von Phil Koch produzierte Track ist klanglich und inhaltlich absolut einzigartig und macht große Lust auf das bald erscheinende neue Album von Rockstah. Dieses wird vermutlich, schenkt man dem Titel Glauben, ähnlich außergewöhnlich und konzeptionell – denn bei "Cobblepot" handelt es sich um den bürgerlichen Nachnamen des Pinguins.
Instrumental: Marteria & Casper – Adrenalin (prod. by The Krauts & Markus Ganter)
Gute Beats entfalten vor allem dann ihre volle Wirkung, wenn sie zur Stimmung des Gesamtsongs passen. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür bietet "Adrenalin" von Marteria & Casper. Denn nicht nur die Delivery und Energie der beiden Rapkünstler verkörpern perfekt den Rausch des titelgebenden Hormons – auch das Instrumental von Markus Ganter und The Krauts hat diesen Effekt. Die schnellen Drums zu Beginn des Tracks kündigen bereits die Power an, mit der sich der Beat dann entlädt. Trotzdem rechnet man nicht mit dem heftigen Drop, der noch vor dem ersten Part mit der Hook einsetzt. Denn dann scheppern derartig grobe Bässe durch die Boxen, dass man gar nicht anders kann als aufzuspringen. In den Parts nehmen sich der Bass und die harten Drums etwas zurück, um dem Rap der Protagonisten Platz zu geben – nur, um dann erneut in einer kraftvollen Hook zu gipfeln. Hier findet das Ansteigen des Adrenalinspiegels wahrlich sein musikalisches Ebenbild. Insgesamt mag "Adrenalin" ein relativ plumper Song zum Mitgrölen sein. Doch gerade aufgrund seiner bombastischen Produktion werden damit sicherlich so einige Bühnen des Landes abgerissen werden.
Line: Lance Butters – Yeeeaaah
Wir sind voneinander alle keine Fans. Denn nimmt der eine einem was weg: Kommt der andere und macht Stress!
Diese Zeilen von Lance Butters' neuer Single sind lyrisch nicht gerade außergewöhnlich, ohne Frage. Doch die Aussage, die dahinter steht, ist sehr bezeichnend. Deutscher Rap ist oft viel zu viel damit beschäftigt, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Wie schon in unserem aktuellen Statement beschrieben, könnte viel mehr Position zu wichtigen Themen bezogen werden. Aber stattdessen geht es meistens nur darum, wer wem den Style geklaut hat oder weshalb plötzlich wieder jemand bei Rapper XY vor der Tür steht, um mit Schlägen zu drohen. Zu viele Künstler stressen sich lieber gegenseitig und zu wenige schließen sich für eine gute Sache zusammen. Und auch wenn Lance in seinem neuen Track maximal das Feuer schürt statt einen Lösungsansatz zu bieten, rüttelt er damit ja vielleicht doch den ein oder anderen Rapper wach. Wünschenswert wäre es.
(Daniel Fersch, Jan Menger, Steffen Bauer, Florian Peking, Lukas Päckert)
(Grafik von Puffy Punchlines)