Lieber pleite als ein Angebot vom Teufel.
Gott ist mein Zeuge: Kronen tragen nur die Bäume.
Setzt man sich mit Timi Hendrix auseinander, hat man fast das Gefühl, mit zwei verschiedenen Personen konfrontiert zu sein. Einmal mit dem leicht psychopathischen Timi in "Fear and Loathing in Las Vegas"-Optik aus Pimpulsiv-Zeiten, der starke Antipathien gegen den eigenen Vater hegt. Und dann mit dem Timi aus "Crackstreet Boys"-Zeiten, der sich einfach in das Asoziale-Teenager-Ekelbild einfügt, für das die Gruppe stehen will. In vielen Fällen mögen gerade die Fans von Ersterem Zweiteres aus offensichtlichen Gründen nicht sonderlich. Wenn Tim Weitkamp also ein Musical über sein gesamtes Leben veröffentlicht, muss man sich fragen, welche der beiden Seiten darin die Oberhand hat.
Schon im Intro wird deutlich: "Tim Weitkamp – Das Musical" zielt nicht darauf ab, um jeden Preis asozial und schockierend zu sein. Dem Interpreten scheint es eher darum zu gehen, zu demonstrieren, wer er ist und wofür er steht. Nicht nur, weil er Haltung zeigte und zumindest für die digitale Version des Albums die einleitenden Worte kurz vor Release neu einsprechen ließ, nachdem er von diversen rassistischen Äußerungen des ehemaligen Sprechers erfuhr. Sondern eben auch, weil neben all den Drogenexzessen, den Gewaltfantasien und dem unbedingten Willen, sich selbst sowie alles um sich herum zu zerstören, eine ungewohnt offene Seite von Timi Hendrix zu Wort kommt. Nebst experimentellen Flowpassagen und Reimstrukturen, die ebenso wie viele Beats an Pimpulsiv-Tage erinnern, schlägt er erstmals auch ruhigere und zutiefst ehrliche Töne an. Dass zwischen den Wutanfällen der mit Drogen zugestopften Cartoonfigur, die Timi gern mimt, auch das etwas ruhigere, wirkliche Ich zum Vorschein kommt, klingt so erfrischend wie bei keinem Release zuvor.
Auf "Tim Weitkamp – Das Musical" erhält der Hörer erstmals das Gefühl, wirklich etwas über den Menschen hinter der Figur Timi Hendrix zu erfahren. Und der Aufprall ebendieser beiden Persönlichkeiten – nicht der von Pimpulsiv- und "Crackstreet Boys"-Timi – macht letztlich die große Stärke und Besonderheit dieses Albums aus.
(Daniel Fersch)