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Interview

Kex Kuhl

"Als wir zum ers­ten Mal ohne unse­re Mut­ter mit dem Typen gespielt haben, hat der ein Mes­ser gezo­gen und gesagt, dass er uns absticht, wenn wir nicht am nächs­ten Tag in unser Land flie­gen. " – Kex Kuhl im Inter­view über Ras­sis­mus, Angst­stö­run­gen und sein neu­es Album "Stokkholm".

Für Kex Kuhl hat sich der musi­ka­li­sche Stil­wech­sel weg von klas­si­schen HipHop-​Beats hin zu orga­ni­schen Gitar­ren­rhyth­men schon jetzt gelohnt. Das neue Album "Stokkholm" erhielt unlängst den musi­ka­li­schen Rit­ter­schlag durch Klaus Fie­he, sei­nes Zei­chens aner­kann­te Kory­phäe des guten und unan­ge­pass­ten Geschmacks. Die­ser lob­te den von ihm als "Singer-​Songwriter" bezeich­ne­ten Augs­bur­ger für sei­ne lako­ni­sche Erzähl­art und "Loser-​Hymnen", die ihn an Nirvana-​Grunge in soft-​akustischer Aus­füh­rung erin­nern. Mit Batt­ler­ap hät­te er Fie­he wohl nicht so sehr beein­dru­cken kön­nen. Und auch per­sön­lich tat Kex Kuhl der Stil­wech­sel gut, wie er uns im Inter­view ver­riet: Im neu­en musi­ka­li­schen Gewand konn­te er bei­spiels­wei­se sei­ne Gefüh­le ungleich bes­ser zum Aus­druck brin­gen als zuvor. Im Gespräch nahm der Wahl-​Berliner dann genau­so wenig ein Blatt vor den Mund wie auf der Plat­te. Neben der Musik spra­chen wir mit ihm unter ande­rem über Ras­sis­mus, Panik­at­ta­cken und das Leben in der Millionenmetropole.

MZEE​.com: Du bewegst dich auf dei­nem neu­en Album "Stokkholm" weg von HipHop-​Beats und rappst bezie­hungs­wei­se singst über live ein­ge­spiel­te Gitar­ren. Das Feed­back war über­wie­gend posi­tiv – hat­test du vor­her Angst, vie­le Fans zu sehr vor den Kopf zu stoßen?

Kex Kuhl: Ich hab' ehr­lich gesagt damit gerech­net. Ich war auch sehr über­rascht, dass da über­haupt nicht krass dage­gen­ge­hal­ten wur­de. Da kam ja nichts von wegen: "Boah, Dig­ger, was für 'ne Schei­ße, rapp mal Pun­ch­li­nes!" (grinst) Die haben das alle ganz gut auf­ge­fasst, was ich auch ziem­lich cool finde.

MZEE​.com: Hat­test du bei der Ent­ste­hung der Plat­te denn mit dir selbst zu kämp­fen? Es ist ja schon ein gro­ßer Schritt, musi­ka­lisch in eine kom­plett ande­re Rich­tung zu gehen.

Kex Kuhl: Nee. Das war genau das, was ich woll­te. Ich hat­te qua­si ein fer­ti­ges Battlerap-​Album, das ich dann ein­fach weg­ge­wor­fen habe. Ich muss ehr­lich sagen, dass ich eher mit mei­ner alten Musik zu kämp­fen hat­te. Da hat­te ich irgend­wie kei­ne Lust mehr drauf. Das hab' ich aber erst rela­tiv spät gemerkt. Dann hab' ich ein­fach alles über den Hau­fen gewor­fen, drauf geschis­sen und alles so gemacht, wie ich es woll­te. So ist das Album ent­stan­den. Das war eher mega­be­frei­end als schwer.

MZEE​.com: Wie kam es dazu, dass du die Lust auf dei­ne alte Musik so ver­lo­ren hast?

Kex Kuhl: Das ist alles mit einer schwie­ri­gen Pha­se ein­her­ge­gan­gen, als ich schlim­me Angst- und Panik­stö­run­gen und so wei­ter hat­te. Auf dem Peak die­ser Zeit lag ich im Kran­ken­haus – und genau da kam der Umbruch. Von einem Tag auf den ande­ren wuss­te ich, dass ich das nicht mehr woll­te. Ich hab' ein­fach etwas mehr auf mei­ne inne­re Stim­me gehört.

MZEE​.com: Im Pres­se­text zur Plat­te steht, dass es dir in dem jet­zi­gen musi­ka­li­schen Rah­men ein­fa­cher gefal­len ist, dei­ne Emo­tio­nen in den Tex­ten rüberzubringen.

Kex Kuhl: Es war auf jeden Fall auf ein­mal viel ein­fa­cher, die Tex­te zu schrei­ben. Ich hab' halt nicht mehr Pun­ch­li­nes anein­an­der­ge­reiht und nach dem kras­ses­ten Wort­spiel gesucht, um irgend­wen zu belei­di­gen. Statt­des­sen hab' ich ein­fach Geschich­ten von mir erzählt und die­se in Songs ver­packt. Das klingt jetzt sehr abge­dro­schen, aber so ist es. (lacht) Das ging mir deut­lich ein­fa­cher von der Hand als zusam­men­hangs­lo­se Punches.

MZEE​.com: Auch wenn du wei­ter auf die Tech­nik geach­tet hast, kann man sich in die­sem musi­ka­li­schen Rah­men ja durch­aus etwas von Rap­stan­dards wie Flows, Reim­ket­ten und so wei­ter lösen …

Kex Kuhl: Ich weiß genau, was du meinst, aber ich hab' schon immer noch ver­sucht, tech­nisch anspruchs­voll zu flowen. Bei "Alte Göt­ter" zum Bei­spiel. Rap ist ja immer noch ein Bestand­teil mei­ner Musik.

MZEE​.com: Der Fokus ist aber viel­leicht ein biss­chen anders gelegt.

Kex Kuhl: Genau, der Fokus war ein ande­rer. Es war nicht not­wen­dig, am Schluss der Zei­le den Über­la­cher zu erzeu­gen. Ich hab' die Geschich­ten eben ein­fach so erzählt, wie ich sie emp­fun­den habe. So ist es tat­säch­lich gefühl­vol­ler gewor­den, auch für mich.

MZEE​.com: Alle Songs wur­den laut Pres­se­text "auf einer alten, krumm­bäu­chi­gen Akus­tik­gi­tar­re kom­po­niert und spä­ter im Stu­dio kom­plett orga­nisch auf­ge­nom­men". Stam­men die instru­men­ta­len Grund­ge­rüs­te der Songs von dir? 

Kex Kuhl: Nicht wirk­lich. Ich hab' mich da mit mei­nem Freund Janosch zusam­men­ge­setzt, der unge­fähr durch die glei­che Schei­ße gegan­gen ist wie ich. Des­halb haben wir gemein­sam Mucke gemacht, zu Beginn noch in mei­ner alten WG in Stutt­gart. Wir hat­ten nicht mal 'ne Gitar­re – die haben wir uns vom Nach­barn gelie­hen. Das Mikro eben­falls. Dabei sind qua­li­ta­tiv mega­be­schis­se­ne Demos her­aus­ge­kom­men, aber das Label konn­te etwas damit anfan­gen. (grinst) Mit die­sem spon­ta­nen Charme haben wir das Ding dann zusam­men­ge­schus­tert. Die Tex­te und ein paar Melodie-​Ideen hat­te ich schon vor­her, aber Janosch hat das instru­men­ta­le Grund­ge­rüst gebaut. Ich kann auch über­haupt nicht Gitar­re spie­len. Ich durf­te zwar musi­ka­li­sche Früh­erzie­hung genie­ßen, aber es ist lei­der nichts hängengeblieben.

MZEE​.com: In dei­nem Umfeld kam der Begriff "Grunge-​Rap" auf, wenn es um dei­ne neue Plat­te ging – den Begriff fin­dest du aber laut eige­ner Aus­sa­ge nicht pas­send. Wie wür­dest du die Musik denn selbst beschreiben?

Kex Kuhl: Ich steck' das unger­ne in irgend­wel­che Schub­la­den. Wenn ich frü­her gefragt wur­de, was ich mache, hab' ich mit "Batt­ler­ap" geant­wor­tet. Das war natür­lich sehr ein­deu­tig. Dann kam irgend­wann "Aus­ge­hen", das war ja auch schon kein Batt­ler­ap mehr. Da hat­te ich bereits Schwie­rig­kei­ten, die Fra­ge zu beant­wor­ten. Ich konn­te es nie wirk­lich zuord­nen. Ich hab' ein­fach das gemacht, wor­auf ich Lust hat­te. Wenn ich es jetzt in eine Spar­te ste­cken müss­te … (über­legt) Ich kann das nicht, weil alles dumm klingt. (grinst) Das ist kein "Indie-​Rap" oder "Grunge-​Rap", es ist ein­fach … Rap­mu­sik. Es ist auf jeden Fall immer noch Rap, ich schreib' ja auch die Tex­te so, sau­ber gereimt und so wei­ter. Die The­men sind auch kei­ne, die du sonst in irgend­wel­chen Pop­songs hören würdest.

MZEE​.com: Einen Freund, dem ich einen Song von dir gezeigt habe, hat es etwas an Alli­ga­to­ah erinnert.

Kex Kuhl: Ach was! Das seh' ich als ein Rie­sen­kom­pli­ment, ich bin gro­ßer Alligatoah-​Fan. Ich hab's noch nie in Bezug dar­auf gese­hen. Cas­per oder Kraft­klub hab' ich schon ein paar Mal gehört, Alli­ga­to­ah ist neu. Vie­len Dank unbe­kann­ter­wei­se! Der Rap­per in mir freut sich sehr. Alli­ga­to­ah hör' ich seit rappers.in-Zeiten und dem "Coun­terstrike­song". (grinst)

MZEE​.com: Lass uns etwas genau­er über den Song "Kom­pli­ment" spre­chen. Dar­auf sprichst du über die vie­len Schul­ter­klop­fer, die einem als Musi­ker begeg­nen, sobald sich etwas Erfolg ein­stellt. Fühlst du dich in dei­ner Wahl­hei­mat Ber­lin zu viel von fal­schen Men­schen und "Net­wor­kern" umgeben? 

Kex Kuhl: Mensch­lich gese­hen eigent­lich gar nicht, nee. Ich ach­te sehr auf mei­nen Freun­des­kreis und dar­auf, wen ich da rein­las­se und wen nicht. Dazu gibt's ja auch noch Unter­schie­de zwi­schen Freun­den, wirk­lich guten Freun­den und Leu­ten, die für mich Fami­lie und Brü­der sind. Der Song bezieht sich eher auf den Ein­tritt in die Musik­sze­ne. Als sich Musik etwas ren­tiert hat und wir bei Labels ange­klopft haben, kamen die gan­zen Wich­ser an. Plötz­lich fei­ert und kennt dich jeder auf irgend­wel­chen Ver­an­stal­tun­gen und im End­ef­fekt weißt du genau, dass min­des­tens die Hälf­te gelo­gen ist, um cool dazu­ste­hen oder wes­halb auch immer. Das hab' ich nie gepackt. Es gibt in Ber­lin natür­lich sehr künst­li­che Men­schen, die irgend­wie ver­su­chen, ihrem Leben ein Image zu geben, was halt mega der Schwach­sinn ist. Das merkst du dann auch, wenn du ver­suchst, mit denen mal nur fünf Minu­ten eine rich­ti­ge Unter­hal­tung zu füh­ren. Außer­dem geht's natür­lich um die Leu­te, die einen frü­her belä­chelt haben. Man hat ja schon in so zurück­hal­ten­der Form erzählt, dass man rappt, weil dann die­se komi­schen HipHop-​Bewegungen kamen. Genau die Leu­te fin­den es ja jetzt auch total geil, dass man rappt, und wol­len irgend­wel­che Gäs­te­lis­ten­plät­ze haben. Nee, Dicker, halt's Maul. (lacht)

MZEE​.com: Du fühlst dich aber an und für sich in einer Mil­lio­nen­me­tro­po­le wie Ber­lin schon woh­ler als in einer klei­ne­ren Stadt, oder?

Kex Kuhl: Voll. Anony­mi­tät wird hier sehr groß geschrie­ben und ich geh' ein­fach in der Mas­se unter. Das fin­de ich sehr gut. In Augs­burg oder selbst in Stutt­gart, wo ja auch 600 000 Men­schen leben, es aber sehr länd­lich geprägt ist, wirst du ein­fach dumm ange­guckt, wenn du täto­wiert und etwas auf­fäl­li­ger geklei­det oder ein biss­chen lau­ter bist. Ich bin ein sehr lau­ter Typ. Da fällst du ein­fach auf. Am Anfang hab' ich selbst in Ber­lin noch das Gefühl gehabt, die gan­ze Zeit ange­guckt zu wer­den … Bis ich dann gemerkt hab', dass die nicht mich, son­dern den im Gesicht täto­wier­ten Typ hin­ter mir ange­se­hen haben. (grinst) In Ber­lin gibt es immer einen, der etwas abge­fuck­ter ist als du. Und das ist das Schöne.

MZEE​.com: Kurt Tuchol­sky hat über Ber­lin mal Fol­gen­des gesagt: "Wir in Ber­lin sind über­all dabei, aber wir kom­men zu nichts. Wir haben fran­zö­si­schen Schick, eng­li­schen Sport, ame­ri­ka­ni­sches Tem­po und hei­mi­sche Hast – nur uns selbst haben wir nie gekannt." Trifft es das für dich?

Kex Kuhl: Hach, hat er das schön gesagt. (grinst) Das trifft es voll. Aktu­el­ler denn je, wür­de ich sagen. Da hat er Ber­lin und das Leben hier wun­der­schön beschrieben.

MZEE​.com: "Nur uns selbst haben wir nie gekannt" – das trifft ja nach dem, was du eben gesagt hast, auf dich aber eher nicht zu, oder? Du mein­test ja, dass du in Ber­lin eben ein­fach sein kannst, wer du bist.

Kex Kuhl: Ja, klar. Aber ich bin auch nach Ber­lin gekom­men, nach­dem ich an dem gan­zen Panikattacken-​Kram gear­bei­tet und mich qua­si in Selbst­the­ra­pie bege­ben habe. Die­se Selbst­fin­dungs­pha­se hat­te ich schon hin­ter mir. Wäre ich schon frü­her in Ber­lin gelan­det, wäre ich, glau­be ich, total abge­stürzt. Auf einen Men­schen, der sich selbst nicht kennt, nimmt Ber­lin über­haupt kei­ne Rück­sicht. Du musst schon wis­sen, wer du bist, damit dich die Stadt nicht auf­frisst. Du hast ein­fach so vie­le Mög­lich­kei­ten, kannst dich dahin trei­ben las­sen, kannst dort hin­ter­her­ren­nen, willst der oder der sein … Du gerätst schnell in irgend­wel­che Ecken. Hier sind die Türen halt offen. Wenn du in Bay­ern unbe­dingt der über­kras­se Druf­fi sein willst, der sie­ben Tage am Stück im Sisy­phos (Techno-​Club in Ber­lin, Anm. der Red.) ist, dann kannst du das nicht. Dort hat der ein­zi­ge Club nur zwei Tage offen und eine Sperr­stun­de. Hier ste­hen dir die scheiß Türen zu allem offen. Wenn du dann nicht weißt, wo dei­ne Gren­zen sind, geht es, glau­be ich, ziem­lich schnell abwärts.

MZEE​.com: Du hast jetzt ein paar Mal ange­spro­chen, dass du Pro­ble­me mit Panik­at­ta­cken hat­test. Was war da genau bei dir los?

Kex Kuhl: Das war 'ne schwe­re Depres­si­on. Bezie­hungs­wei­se was heißt war? Ich weiß nicht, ob das je kom­plett vor­bei­geht. Das hat sich ange­bahnt, als ich nach Stutt­gart gezo­gen bin – jah­re­lang, ohne dass ich es wirk­lich gemerkt habe. Mir ging's irgend­wie immer nicht so gut, aber ich hab' natür­lich nie dar­auf gehört, war sau­fen und so wei­ter. Ich war eben Stu­dent. Man gönnt sich halt mal den Mitt­wochs­ab­sturz. (lacht) Es war 'ne wil­de Zeit, mir ging's immer schlech­ter und ich wuss­te nie, wie­so. Irgend­wann kamen dann ein­fach rich­ti­ge Panik­at­ta­cken. Zum ers­ten Mal ist das auf der Jägiritter-​Tour 2016 pas­siert, da hat mich John bei sich zu Hau­se mit Tee beru­higt. (lacht) Da hab' ich gemerkt, dass irgend­et­was nicht stimmt, und hab' Ärz­te auf­ge­sucht, weil ich dach­te, dass mein Herz, mein Hirn oder mei­ne Lun­ge kaputt sei. Natür­lich hat nichts irgend­et­was erge­ben und ich habe bemerkt, dass ich 'ne Angst­stö­rung habe. Dem­entspre­chend habe ich mich dann ver­hal­ten und ver­sucht, alles in den Griff zu bekom­men. Da bin ich, glau­be ich, auf einem ganz guten Weg. Mitt­ler­wei­le kann ich wie­der Flug­zeug flie­gen und Roll­trep­pe fah­ren. Konn­te ich frü­her nicht.

MZEE​.com: Auf dem Song "Sohn" sprichst du sehr ehr­lich über dei­nen bis­he­ri­gen Wer­de­gang und kommst dabei auch expli­zit auf dei­ne Erfah­run­gen mit Ras­sis­mus zu spre­chen. Dem­nach wur­dest du mit sechs Jah­ren von einem Nazi bedroht – was genau ist damals passiert? 

Kex Kuhl: Das war in Mainz, wo ich als Kind gelebt habe. Mein Bru­der und ich haben auf so einem Innen­hof immer Fuß­ball gespielt. Er war sie­ben, ich war sechs. Mei­ne Mut­ter war oft dabei, sie ist Mus­li­ma und trägt ein Kopf­tuch. Unter ande­rem haben wir da mit einem jun­gen Her­ren namens Yan­nick gespielt, mona­te­lang. Der war 14. Als wir dann zum ers­ten Mal ohne unse­re Mut­ter mit dem Typen gespielt haben, hat der ein Mes­ser gezo­gen und gesagt, dass er uns absticht, wenn wir nicht am nächs­ten Tag in unser Land flie­gen. Ein tür­ki­scher Freund von uns, mein Bru­der und ich muss­ten dann Lie­ge­stüt­ze machen, weil der Typ das woll­te. Ich bin dann weg­ge­rannt und hab mei­nen Dad geru­fen. Der ist raus­ge­kom­men und hat dem eine auf die Fres­se gehau­en. (lacht) Danach hab' ich auch Kampf­sport gemacht, bis ich 20 Jah­re alt war.

MZEE​.com: Inwie­weit hat dich die­ses Erleb­nis geprägt?

Kex Kuhl: Das war bestimmt auch ein Grund dafür, dass ich viel ängst­li­cher war als alle ande­ren. Auch die­ser gene­rel­le Hass auf Men­schen, den ich irgend­wo in mir hab', obwohl ich eigent­lich echt ver­su­che, ein sehr net­ter und freund­li­cher Typ zu sein, geht viel­leicht damit ein­her. Das war ja auch nicht die ein­zi­ge Erfah­rung, die ich mit Ras­sis­mus gemacht habe. Ich hat­te mein Leben lang damit zu kämp­fen, dass irgend­wel­che Leu­te nicht damit klar­ge­kom­men sind, dass ich Tür­ke bin. Nicht nur Nazis, nicht nur Deut­sche. Tür­ken, denen ich nicht tür­kisch genug war, woll­ten sich auch mit mir schla­gen. War halt immer 'ne dum­me Idee. (lacht) Ein­ge­steckt hab' ich eher selten.

MZEE​.com: Frem­den­feind­lich­keit wird aktu­ell ja all­ge­mein immer gegen­wär­ti­ger, in Deutsch­land wird ver­mehrt von ras­sis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen Über­grif­fen berich­tet, Regie­run­gen machen Stim­mung gegen Migran­ten. Wie ver­folgst du das? 

Kex Kuhl: Ich les' den Kram jeden Tag und ver­su­che, up to date zu blei­ben. Aber ich hab' die Welt tat­säch­lich ein­fach noch nie als einen schö­nen Ort gese­hen, als einen Ort der Ruhe oder des Frie­dens. Das ist für mich alles abso­lut nichts Neu­es. Wir haben schon in mei­ner Kind­heit unser Ramadan-​Geld nach Paläs­ti­na geschickt, zu den Fami­li­en der Kin­der, die von Pan­zern über­rollt wur­den. Ich seh' das daher alles mit dem neu­tra­len Blick, den ich schon immer hatte.

MZEE​.com: Hast du denn Hoff­nung, dass es sich irgend­wann mal in eine ande­re Rich­tung entwickelt?

Kex Kuhl: Auf kei­nen Fall, nein. Die guten Men­schen, die ver­su­chen, etwas zu ändern, gab's schon immer. Aber die Arsch­lö­cher eben auch. Und die Ras­sis­ten. Das wird immer so sein. Geschich­te wie­der­holt sich ein­fach: Spul 50 Jah­re zurück und du hast genau das Glei­che. Tech­no­lo­gisch sind wir natür­lich wei­ter. Aber ethisch? Da sind wir irgend­wo in der Stein­zeit oder im Mit­tel­al­ter. Leu­te wer­den wegen ihrer Ras­se, ihrer Her­kunft, ihres Aus­se­hens oder ihrer sexu­el­len Vor­lie­be nicht akzep­tiert. Irgend­wel­che Leu­te set­zen Scha­blo­nen ein und bestim­men, dass der Mensch da rein­pas­sen muss, sonst ist er halt schei­ße und gehört nicht in die­ses Land, gehört erschos­sen oder darf nicht aus dem Mit­tel­meer geret­tet wer­den. Ich wür­de mich natür­lich freu­en, wenn es sich ändern wür­de. Es ist auch wich­tig, dass Men­schen Hoff­nung haben und ver­su­chen, etwas zu ändern. Aber na ja, ich seh' es lei­der ein­fach nicht.

MZEE​.com: Bli­cken wir zum Ende des Inter­views noch ein­mal auf dei­ne musi­ka­li­sche Zukunft: Denkst du, dass du dei­nen Sound jetzt mit die­ser Plat­te gefun­den hast? Oder haust du jetzt als Nächs­tes eine rich­tig aso­zia­le Battle-​EP raus?

Kex Kuhl: (lacht) Also, die Über­le­gung war schon da. Aber nee. Theo­re­tisch könn­te ich natür­lich auch bei­des machen. Möch­te ich aber, glau­be ich, über­haupt nicht. Es war ein lan­ger und schwie­ri­ger Weg bis hier­hin. Ich den­ke aber auch, dass man sich als Musi­ker bezie­hungs­wei­se gene­rell als krea­ti­ver Mensch nicht auf irgend­et­was fest­le­gen soll­te. Ich werd' sicher­lich noch neue Sachen aus­pro­bie­ren und immer die Musik machen, nach der ich mich gera­de füh­le bezie­hungs­wei­se die gera­de zu mei­nem inne­ren Emp­fin­den passt. Aber ich habe auf jeden Fall vor, das nächs­te Album in einem ähn­li­chen Stil wie das aktu­el­le zu machen. Weil es groß­ar­tig war. Ich hab' das ja auf einem Bau­ern­hof bei Alex Spra­ve auf­ge­nom­men und das war der Wahn­sinn. Zwei Mona­te abso­lu­te Idyl­le und Ruhe. Es gab nicht einen Sai­ten­schlag auf der Gitar­re, bei dem ich nicht danebensaß.

MZEE​.com: Wel­ches Ziel ver­folgst du noch mit dei­ner Musik? Was erhoffst du dir?

Kex Kuhl: Ich erhof­fe mir ehr­lich gesagt gar nichts. Von die­sem Album hab' ich mir etwas inne­ren Frie­den erhofft, das war mein Ziel. Mehr im Rei­nen mit mir selbst zu sein und viel­leicht irgend­wann ein Stück wei­ter­zu­kom­men – mit mei­ner Per­sön­lich­keit, mei­nem Ego und mei­nem Ich. Musi­ka­lisch und damit ja auch irgend­wie beruf­lich hab' ich tat­säch­lich eher mit Ver­lus­ten gerech­net. Ich dach­te nicht, dass das irgend­wel­che Kid­dies krass abfei­ern wer­den. Natür­lich ist es schön, wenn es mög­lichst vie­le Men­schen hören und sich dar­in wie­der­fin­den. Das wür­de mich natür­lich sehr freu­en, aber es ist kein Muss. Um mei­nen Lebens­un­ter­halt zu ver­die­nen, kann ich auch etwas ande­res machen.

(Alex­an­der Hollenhorst)
(Fotos von Juli­an Schröpel)