"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Vom Szenetipp zum Major-Act, vom Major gedroppt, in der Versenkung verschwunden und dann doch zu einem der spannendsten Künstler der Szene gewachsen – der Werdegang von Ahzumjot ist einer der turbulenteren Sorte. Nachdem sein Major-Debüt "Nix mehr egal" qualitativ nicht so richtig zünden konnte, ging er mit der EP "Minus" einen Schritt zurück zu den Wurzeln. Doch so richtig knallte es dann mit "16TQ02: Tag Drei".
"Minus" ist in seiner Gänze in "16QT02: Tag Drei" integriert – ein kluger Schachzug, denn das Mixtape ist ein logischer Ausbau des Sounds der EP. Ahzumjot produziert hier in Eigenregie einen stimmigen Klangentwurf, welcher elektronisch, modern und zugleich minimalistisch klingt. Dabei bietet er aber keineswegs eine klassische Songstruktur, sondern fügt unerwartet Strophen oder Bridges ein. Thematisch nutzt Ahzumjot diese Bühne, um viele persönliche Einblicke zu gewähren. Und diese Mischung ist für mich genau der springende Punkt, weswegen ich "16QT02: Tag Drei" so gut finde. Denn obwohl die musikalische Kulisse eine druckvolle Wirkung entfaltet, werden darauf keine Banalitäten erzählt, sondern Themen, mit denen man sich identifizieren kann. Sei es die Distanz zu alten Freunden, die Liebe zu den aktuellen Weggefährten oder auch eine aufrichtige Abrechnung mit seinen eigenen Fehlern. Was Ahzumjot dabei viel besser macht als viele seiner Kollegen, ist, dass er nicht in peinlichen Pathos verfällt, sondern sich einer klaren und kitschfreien Wortwahl bedient. So ist jeder Track spannend in seiner sprachlichen und musikalischen Aufmachung.
Mit "16QT02: Tag Drei" lieferte Ahzumjot ein unfassbar starkes Mixtape, welches ihn zurecht in der Szene neu platzierte. Es gibt wenige deutsche Rapkünstler, die ihre eigene Musik mit einer derartigen Stimmigkeit produzieren, und noch wenigere, die das auf einem ähnlich hohen Level schaffen. Diese Platte ist aufgrund ihrer durchgehenden Qualität für mich eine absolute Bereicherung in meiner persönlichen Sammlung und wird vermutlich auch in ein paar Jahren mit Freude gehört werden.
(Lennart Wenner)