Der Deutschrapzirkus ist ein umtriebiger Schauplatz. Zwischen all den Promophasen und Albumveröffentlichungen kann man schon einmal den Blick fürs Detail verlieren. Deshalb stellen wir jeden Monat an dieser Stelle die kleinen, feinen Highlights vor, die abseits des Album-Korsetts Beachtung verdienen. In den Kategorien Statement, Video, Song, Instrumental und Line präsentieren unsere Redakteure handverlesene Schmuckstücke. Egal, ob nun ein besonders persönlicher Bezug, eine wichtige Message oder ein rundes musikalisches Gesamtpaket den Anlass bieten. Hier wird ein tiefer Einblick in einzelne Facetten der Rapwelt geboten. Fünf Höhepunkte – klatscht in die Hände für unsere "High Five"!
Statement: MC Bomber
Das erste Musikvideo wird veröffentlicht, verbunden mit der Ankündigung einer überteuerten Premium Edition, die natürlich "vollgepackt" und "die beste Box der Welt" wird. Garniert wird die Promophase zahlloser deutscher Rapper dann am besten noch mit vorgetäuschtem Beef und ellenlangen Interview-Arien, damit der Wirbel um die Musik auch garantiert zum Popcorn-Kino wird. Das alles gilt mittlerweile oftmals als Usus im Deutschrap. Umso interessanter und wichtiger ist es, wenn Künstler einen anderen Weg gehen. Das hat MC Bomber für seine aktuelle Platte getan: Er greift all diese Elemente auf, parodiert sie und münzt sie in ein eigenes Konzept um. So führt er selbst keine Gespräche mit der Presse, sondern schneidet sich einfach in Musikclips und die berühmtesten Interviews. Dabei verzichtet er fast gänzlich darauf, die Limited Box anzupreisen, sondern stellt in erster Linie seine Musik in den Vordergrund. Das endet vielleicht nicht in der reichweitenstärksten Art, seine Musik zu bewerben, aber definitiv ist es die unterhaltsamste Variante im Monat März – und eine erfrischend andere noch dazu.
Video: Ahzumjot – Wieder nicht dein Jahr
Die besten Musikvideos sind die, bei denen der Inhalt auch genau zu dem passt, was im Song erzählt wird. Bei der immer wiederkehrenden Line "Das wird schon wieder nicht dein Jahr" in Ahzumjots Track ist es – wenn wir mal ehrlich sind – aber schon recht schwierig, das Ganze entsprechend zu visualisieren. Doch siehe da: Der Rapper selbst kommt mit einer simplen und doch treffenden Idee um die Ecke. Das Video zu "Wieder nicht dein Jahr" ist eine Aneinanderreihung von Privataufnahmen, die vermutlich aus diversen Fail Compilations auf YouTube stammen. Ganz nach dem Motto "Schadenfreude ist die schönste Freude" kommt einem mit Ahzumjot auf den Ohren bei vielen dieser Clips der Gedanke: Ja, das ist definitiv nicht sein Jahr. Ein wunderbares Beispiel dafür, ein wohl perfektes Video zu einem Song zu präsentieren, ohne dass es dabei gleich aussieht wie ein Kinofilm.
Song: Young Krillin & Crack Ignaz – Pino Grigio
März im Jahr 2018: Statt dem Beginn eines milden Frühlings erleben wir das Comeback das eiskalten Winters. Nach einem Blick aus dem Fenster ist die Stimmung schnell im Keller. Doch Mitte des Monats dann die Rettung: Young Krillin und Crack Ignaz veröffentlichen "Pino Grigio". Es ist ein als Musik konservierter Sonnenstrahl, der triefend von entspanntem Swag unser Innerstes erwärmt. Mit der Hymne auf den französischen Wein liefern die beiden Österreicher nichts weniger als einen vorgezogenen Sommerhit. Einmal mehr wird eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie eng Ösi-Mundart mit zeitgenössischer Wavyness verwoben sein kann. Während Ignaz K.s Part straight nach vorne geht, ist Krillins verschmitzter Laidback-Style vor allem auf textliche Pointen ausgelegt. Untermalt wird das Duo dabei von Fid Mellas Beat, der dank geschmeidiger Samples und funky Melodien die Stimmung perfekt einfängt. Das alles gipfelt in einer abgespaceten Ohrwurm-Hook, die wohl noch häufig auf diversen privaten Weinverkostungen gegrölt werden wird.
Instrumental: YAYA – Turnt
Für die Beat-Fetischisten unter den Lesern wird das nichts Neues sein, aber was da im Schatten von MPM unter dem Namen "KO-OP" so passiert, sollte man sich nicht entgehen lassen. Denn über eben genannte Community erscheinen in letzter Zeit richtig dope Produzenten-Releases. Jüngste Entdeckung ist in diesem Zusammenhang YAYA, ein Produzenten-Duo mit äußerst eigenem, angenehmen Sound. So überzeugt zum Beispiel der Track "Turnt" von ihrer Debüt-EP durch die Kombination von chilligen Retro-Vibes und futuristischen Trap-Einflüssen. Im Hintergrund klatscht noch sanft die Snare, ab und an wird ein kurzes Vocalsample eingespielt – da ist alles dabei, ohne dass der Beat gleich überladen wirkt. Das führt zu Kopfnicken, aber auch zu entspanntem Zurücklehnen und Wirkenlassen. Erfrischend anders ist die gesamte "Crack EP" der beiden Kölner sowie besonders "Turnt", das damit sehr zu empfehlen und so auch unser Instrumental des Monats ist.
Line: Antifuchs – 1989
Junger Fuchs – ich mach' es einfach wie ein Mann:
Ich rock' die Scheiße fett und kraul' mir dann am Sack.
Deutscher Rap hat ein Problem. Gut, zugegeben – deutscher Rap hat verdammt viele Probleme, doch eines der nach wie vor auffälligsten ist wohl, dass es sich bei der Szene um eine reine Männerdomäne handelt. Da ist es dann kein Wunder, dass ebendiese maskuline Vorherrschaft auch allerlei Symptome wie frauenverachtende Inhalte und einen omnipräsenten Sexismus mit sich bringt. Dabei gibt es eigentlich eine relativ simple Lösung dieses Problems und Antifuchs bringt dieses auf dem Track "1989" ihres neuen Albums "Stola" genau auf den Punkt. Denn mehr ist es im Grunde nicht, was Rapperinnen tun müssen: es einfach genauso machen. Sich ihren verdienten Platz in der Szene holen. Schließlich gibt es sie: talentierte Künstlerinnen wie Tice, Pilz, Sookee, Fiva oder eben Antifuchs, die es in Sachen Style und Fähigkeiten problemlos mit den männlichen Kollegen aufnehmen und daher auch gerne mal den King of Rap zitieren dürfen. Je mehr Rapperinnen zum Mikro greifen und "einfach die Scheiße rocken", desto schneller haben auch die maskulinsten unter den Maskulinen keine andere Wahl mehr, als die Szene mit ihnen zu teilen. Bis dann letztlich auch klar ist, dass es keinen Unterschied macht, ob man nun "wie ein Mann" oder "wie eine Frau" rappt – solange guter Rap dabei rauskommt.
(Sven Aumiller, Steffen Uphoff, Florian Peking, Lukas Päckert, Daniel Fersch)