Der Deutschrapzirkus ist ein umtriebiger Schauplatz. Zwischen all den Promophasen und Albumveröffentlichungen kann man schon einmal den Blick fürs Detail verlieren. Deshalb stellen wir jeden Monat an dieser Stelle die kleinen, feinen Highlights vor, die abseits des Album-Korsetts Beachtung verdienen. In den Kategorien Statement, Video, Song, Instrumental und Line präsentieren unsere Redakteure handverlesene Schmuckstücke. Egal, ob nun ein besonders persönlicher Bezug, eine wichtige Message oder ein rundes musikalisches Gesamtpaket den Anlass bieten. Hier wird ein tiefer Einblick in einzelne Facetten der Rapwelt geboten. Fünf Höhepunkte – klatscht in die Hände für unsere "High Five"!
Statement: dude26
Hin und wieder überrascht uns deutscher Rap doch mit sozialem Engagement, sei es nun im Zuge eines Benefizkonzerts, einer Spendenaktion oder einer anderweitigen guten Sache. Dies ist zumindest in der Gesamtheit überraschend, schließlich gibt es durchaus Künstler, die sich durchweg für die Dinge einsetzen, von denen sie überzeugt sind und hinter denen sie stehen – egal, ob hinsichtlich der Musik oder im zwischenmenschlichen Bereich. Am 18. Februar dieses Jahres ist mit dude26 genau so jemand von uns gegangen. Jemand, für den HipHop mehr war als ein Business, mit dem man sich ein paar Euro dazuverdient. Jemand, der das Ganze aus Überzeugung und aus Liebe zur Sache und anderen machte. Genau deswegen und aus dem Wissen heraus, welche Art Mensch dude26 war, erbitten seine Frau und die Familie in seinem Sinne statt Blumen für die Beerdigung lieber eine Spende an die ALS Hilfe. Damit soll Menschen geholfen werden, die ebenfalls unter der Krankheit leiden, die dude26 am Ende vielleicht die Kraft, aber niemals die Überzeugung genommen hat. Nicht zuletzt damit beweist er, dass soziales Engagement im HipHop nur so lange überraschend wirkt, wie sich nicht jeder Einzelne von uns hin und wieder für die richtigen Dinge einsetzt.
Video: RAF Camora – Corleone
Eine Million Klicks in zwei Tagen, Nummer eins in den YouTube-Trends und eine Flut an positivem Feedback – der Hype um RAF Camora scheint so schnell nicht abzureißen. Dass der Rapper diese Momente einfrieren möchte, um sie immer wieder zu genießen, ist dementsprechend verständlich. Shaho Casado nutzt diesen Freeze-Effekt in seinem Video zu "Corleone" neben bewegenden Performances von RAF immer wieder. So gibt es Standbilder aus dem Backstage oder auf der Bühne, in denen sich immer nur kleine Elemente bewegen, die den Protagonisten und seine Entourage beleuchten. Auch sein derzeitiges JUICE-Cover wird prominent eingeblendet. Weiterhin gibt es Auftritte von Weggefährten wie Gzuz, Maxwell, Ufo361 oder Kontra K und auch die Cover-Kulisse seines wegweisenden Kollabo-Albums "Palmen aus Plastik" ist zu sehen. Die entspannte Musik schafft mit der sonnigen und privaten Atmosphäre eine Symbiose, die absolut stimmig ist und den Künstler RAF Camora greifbarer macht.
Song: Juse Ju – Lovesongs
Langsam und seicht ertönt eine japanisch anmutende Melodie, bevor dann eine massive Bassline den Herzschlag des Hörers aus dem Takt bringt. Und auf ebendiesem Instrumental von Occupanther rappt Juse Ju eindrucksvoll seine Meinung zu "Lovesongs". Jedoch bedeutet das bei Juse kein reines Auskotzen über den Pathos aktueller Lieder über Liebe. Stattdessen bringt er in nur einem Track zum Ausdruck, was bei heutigen Lovesongs so falsch läuft und wieso er selbst nicht gerade als Paradebeispiel eines Beziehungsmenschen gelten mag. Gleichzeitig ist es noch eine Blaupause dafür, wie man Songs über Liebe stattdessen umsetzen sollte. Abgerundet wird das noch mit dem gewohnten Humor des Tausendsassas: "Ich will nur 'ne Frau, die mich schon morgens fickt wie die BVG."
Instrumental: Ufo361 – Beverly Hills (prod. von AT Beatz/Jimmy Torrio)
Ufo361 liefert ab. Nach seiner gefeierten "Ich bin ein Berliner"-Mixtapereihe steht nun das heiß erwartete Debütalbum "808" in den Startlöchern. Die Vorab-Single "Beverly Hills" beweist absolutes Hit-Potenzial und heizt den Hype weiter an. Der heimliche Star dieses Songs ist aber der Beat, denn die Produktion von AT Beatz und Jimmy Torrio setzt genau die richtigen Akzente. Zunächst scheint das Instrumental recht einfach gestrickt zu sein. An Drums wird bewusst gespart und die relativ eintönige Melodie gibt dem Rapper genug Raum, sodass dieser sich voller Inbrunst darauf entfalten kann. An den richtigen Stellen aber setzt unverhofft ein Wandel ein und der brutale Bass und klatschende Drums durchdringen die dichte Atmosphäre des Tracks. Ufos ignorant-emotionalen Zeilen wird so scheppernd Nachdruck verliehen. Der Beat baut gemeinsam mit dem Rapper eher ruhig die Stimmung auf, nur um dann an den Höhepunkten mit aller Gewalt zu eskalieren. Es ist die perfekte musikalische Inszenierung von der "Alles oder nichts"-Attitüde, die Ufo361 auf dem Song verkörpert.
Line: Curse – Methadon
Und wenn du weg bist, bin ich gar nicht auf Entzug.
Mir geht's halt einfach nicht so gut.
Neue Alben alteingesessener Deutschrap-Hasen werden gemeinhin immer schwierig beäugt, vielleicht auch wegen schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit: Häufig halten die neuen Platten alter Helden nicht das, was man sich von ihnen versprach. Das 2014 erschienene "Uns" von Curse schlug ebenfalls eine ganz neue Richtung ein, die vielen Anhängern missfiel. Ein Fehler, aus dem der Mindener vier Jahre später gelernt zu haben scheint. "Die Farbe von Wasser" überzeugt nämlich mit all den Vorzügen, die schon seine früheren Releases geboten haben. Mit nachhaltigen Zeilen, ernsten Storyteller-Elementen und einer einfühlsamen Hook überzeugt auch die Single-Auskopplung "Methadon". Auf dem Song geht es um seine Abhängigkeit zu einer Frau, nach der der Rapper gar nicht süchtig sein möchte, doch die sein Leben wie das gleichnamige Opiat eben deutlich schöner macht. All diese Gefühle bündeln sich in der oben zitierten Zeile, ehe ein kraftvoll singender Muso einsetzt. Dank der perfekten Konzeptionierung und der pointierten Erzählung von Curse macht sie das zu unserer Zeile des Monats.
(Daniel Fersch, Lennart Wenner, Lukas Päckert, Florian Peking, Sven Aumiller)
(Zeichnung von Daniel Fersch)