Nanoo – Sonntagabend
"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Mit ihrem Podcast "Im Autokino" sind Rockstah und Nanoo inzwischen erfolgreich genug, um auch mit ihren Live-Auftritten mehrere hundert Zuschauer pro Show anzulocken. Dabei war noch vor wenigen Jahren ein ganz anderes Metier ihr Steckenpferd: die Musik. Warum das nicht so erfolgreich für den Aschaffenburger lief, ist nur eines von vielen Themen auf "Sonntagabend".
"Der beste Job der Welt, doch mir fehlen die Hits" – dies beschreibt die Beziehung von Nanoo zu deutschem Rap ziemlich gut. Respekt für die Kultur und Detailverliebtheit in jeder Zeile, doch selbst arbeitet er unter dem Radar der Öffentlichkeit und wirft ein kritisches Auge auf die hiesige Szene. Das spiegelt sich nicht zuletzt auf "…und Falk Schacht trägt keine Mütze mehr" wieder, wo er gemeinsam mit Kollege Rockstah viel von dem Humor offenbart, den er drei Jahre später bühnenreif perfektioniert. Dabei ist die Grundessenz der EP sehr viel ernster: Kindheitserinnerungen, vergangene Liebschaften und der eigene Lebensweg sind Themen, die in der "Retrospektive" betrachtet und aufgearbeitet werden. Wo andere Rapper solche Stories mit leeren Phrasen füllen würden, machen seine persönlichen Anekdoten jeden Song erst wirklich lebendig. Es ergeben sich echte und melancholische Einblicke in das Innenleben eines Mannes, dem "Rappen Leid abnimmt" und der in frühester Jugend schon vor der Frage stand, warum er nicht wie alle anderen sein kann.
Eigentlich finden fast ausschließlich zwischenmenschliche Probleme ihren Platz auf dem Werk, doch das reicht, um den "Sonntagabend" zu füllen. Es gibt vieles, was das Release besonders werden lässt: Die Andersartigkeit des Protagonisten und die persönlich ausgeschmückten Anekdoten sind nur zwei Faktoren, die statt dem Auto- unser Kopfkino anschalten. Kurzum hat Nanoo 2014 eine kleine Hymne für das Außenseitertum geschrieben, die eben genau deswegen an der breiten Masse vorbeiging. Deutschraps "Zielgruppe steckt zu tief in der Supreme-Kutte", wie er selbst sagen würde.
(Sven Aumiller)