Träumer haben's schwer, hofft der Realist.
Die Mitglieder der Orsons schaffen es immer wieder, auch außerhalb ihres Band-Rasters spannende Solo-Projekte zu verwirklichen. Als besonders wandelbar erweist sich dabei KAAS, der Paradiesvogel der Truppe. Battlerap, Eurodance, Reggae, Trap – mit einem breiten Zahnlücken-Grinsen suhlte er sich im vergangenen Jahrzehnt wild durch den Genre-Tümpel. Gelingt ihm mit der "Zucker"-EP nun eine weitere Neuerfindung seiner selbst?
Auf den gerade einmal fünf Tracks der Platte geht es, dem Titel entsprechend, vorrangig um die süßen Versuchungen des Lebens. So erzählt KAAS von Eskapaden des Nachtlebens, leidenschaftlicher Liebe und dem "Gift" des Alltags. In blumiger Sprache malt er dabei emotional greifbare Bilder, die sich zuweilen aber in Floskelhaftigkeit verlieren. Besonders das grenzenlos positive "Gute Nachrichten" strapaziert lyrisch stark die Kitschgrenze und klingt so eher nach einem gezwungenen Lächeln als nach echtem Glück. Stimmlich legt sich der Reutlinger, unterstützt von Voice-Effekten, aber gleichermaßen passioniert ins Zeug, denn Gleichförmigkeit sucht man hier vergebens: In jedem Track wechselt KAAS dynamisch seinen Stimmeinsatz und bringt damit authentisch Gefühle zum Ausdruck. Straighter Rap reiht sich ein neben Schrei-Orgien und melodischem oder verzerrtem Gesang. Auch wenn das Orsons-Mitglied dabei stellenweise übers Ziel hinausschießt, gerät die EP durch die kreative Vielseitigkeit des Protagonisten überaus kurzweilig.
Letztlich ist es mit "Zucker" ähnlich wie mit seinem Pendant aus der Wirklichkeit: In kleinen Dosen kann diese klebrig-reizende Platte einem den Alltag versüßen. Über eine längere Laufzeit hingegen wäre KAAS' exzentrische Experimentierfreudigkeit eventuell ausgeufert. Somit passt das Format der EP hier wie der Zucker in den Kaffee.
(Florian Peking)