High Five: 12 / 17 – mit u.a. Bausa, Flexis, Haiyti
Der Deutschrapzirkus ist ein umtriebiger Schauplatz. Zwischen all den Promophasen und Albumveröffentlichungen kann man schon einmal den Blick fürs Detail verlieren. Deshalb stellen wir jeden Monat an dieser Stelle die kleinen, feinen Highlights vor, die abseits des Album-Korsetts Beachtung verdienen. In den Kategorien Statement, Video, Song, Instrumental und Line präsentieren unsere Redakteure handverlesene Schmuckstücke. Egal, ob nun ein besonders persönlicher Bezug, eine wichtige Message oder ein rundes musikalisches Gesamtpaket den Anlass bieten. Hier wird ein tiefer Einblick in einzelne Facetten der Rapwelt geboten. Fünf Höhepunkte – klatscht in die Hände für unsere "High Five"!
Statement: Haiyti
Auch wenn sich über die Relevanz von Rap-Medien sicher lange und breit streiten lässt, hat das Cover der JUICE szeneintern doch ein gewisses Gewicht. Umso schlimmer eigentlich, dass bislang noch keine einzige deutsche Rapperin alleine auf dem Titelblatt des Magazins zu sehen war. Bei einem derart konservativen Haufen, wie es die hiesige Szene insgesamt leider auch 2017 noch ist, gleichzeitig wenig verwunderlich. Deshalb ist es trotz allem schön, dass sich das Ganze langsam aber sicher öffnet: Haiyti ziert das Cover der JUICE. Darauf ist sie mit einer wuschigen Fellmütze zu sehen, siegessicher in die Kamera blickend. Selbst wenn man mit dem ignorant-verballerten Sound der Hamburgerin wenig anfangen kann, so muss man respektieren, wie sie sich als Rap-Künstlerin inszeniert und behauptet. Dass die JUICE dies mit einer Cover-Story belohnt, ist im selben Maße richtig wie wichtig. Lang genug gedauert hat es ja. Das alternative Cover für Abonnenten, auf dem Hayiti freizügig posiert, ist da schon etwas fragwürdiger. Keine Frage: Wie sich die Künstlerin selbst darstellt, ist ganz allein ihre Sache und soll an dieser Stelle in keinster Weise angeprangert werden. Doch dass die Redaktion der JUICE gerade dieses Bild als repräsentativ neben hunderte Titelbilder männlicher Rapper stellt, kann einem zumindest zu denken geben. Aber das ist eine Diskussion, die an anderer Stelle geführt werden muss.
Video: Flexis feat. Mehira Cruz – "Bild dir meine Meinung"
Vor der Kamera rumstehen und mit den Händen fuchteln, mal alleine, mal mit den Jungs oder neben einem Auto – das Standard-Deutschrap-Video besticht nicht zwangsläufig durch Kreativität. Videos, die von diesem Grundprinzip abweichen, stellen somit ohnehin eine angenehme Überraschung dar. Wenn das Ganze dann aber auch noch nach einem durchdachten Konzept passiert, verdient das Video zurecht Aufmerksamkeit. "Bild dir meine Meinung" von Flexis ist genau das: ein Konzeptvideo. Und zudem auch noch eines von ganz besonderer Machart. Schon der Track selbst basiert auf einem stringenten Prinzip und besteht, abgesehen vom Refrain, ausschließlich aus BILD-Schlagzeilen. In Videoform wird diese Idee durch Grafiken von Hans Otto und die Animationen von Matthias Dahm aufgegriffen. Dabei wird die plakative Überspitzung der Schlagzeilen noch um deren optisches Pendant ergänzt. Die so entstandenen Text- und Bildcollagen – randvoll mit Gewaltfantasien, Rassismus, Sex und Doppelmoral – entlarven nicht nur die Absurdität ihrer Inhalte, sie sprechen auch Bände über den fragwürdigen Journalismus der Zeitung an und für sich. Zugegeben, Kritik an der BILD-Zeitung mag nicht direkt innovativ und Flexis auch nicht der erste Mensch sein, der dieses Thema behandelt. Doch nur weil etwas von vielen Leuten gemacht wird, muss der Einzelfall deswegen nicht unbedingt schlecht sein. Wie im Falle der vielen stehenden, fuchtelnden Rappern in Videos, die man auch erträgt, solange es ab und an eine so unterhaltsame Abwechslung wie "Bild dir meine Meinung" gibt.
Song: Bausa & Tua – Mach' nach
Shootingstar Bausa und Kritikerliebling Tua gemeinsam auf einem geschmeidigen Instrumental der Berliner Produzenten-Urgesteine Beathovenz? Das klingt schon fast zu schön, um wahr zu sein. Genau diese Kombination kam nun jedoch infolge der Werbekampagne einer bekannten deutschen Automarke zustande. Unabhängig von den Umständen, unter denen "Mach' nach" entstand und veröffentlicht wurde, handelt es sich bei dem Track um ein äußerst entspanntes Stück Musik, das sowohl mit einer gemeinsam gesungenen Hook als auch mit Rap-Parts der schwäbischen Multitalente aufwartet. Die Chemie, die dabei entsteht, lässt darauf hoffen, dass es in Zukunft häufiger zu Kollaborationen zwischen den beiden Protagonisten kommen wird. Sicherlich hat man gerade inhaltlich schon weitaus Stärkeres von Tua und Bausa gehört, doch der Song funktioniert auch ohne besonders tiefsinnige oder clevere Lyrics einwandfrei. Denn die gute Laune, die beide Künstler offenbar beim Kreieren von "Mach' nach" hatten, überträgt sich – vielleicht auch gerade wegen der lockeren Herangehensweise – sofort auf den Hörer. Dass Tua auf ein mögliches zweites Soloalbum anspielt, ist dabei das Tüpfelchen auf dem i.
Instrumental: C.O.W. 牛 – $hanghai Mone¥
Genau genommen ist "$hanghai Mone¥" nicht nur ein, sondern gleich fünf Instrumentals des Monats. Das liegt daran, dass es sich dabei im Endeffekt um eine Art Snippet des gleichnamigen neuen Werks des Produzentenkollektivs C.O.W. 牛 handelt. Wer nicht letztes Jahr schon durch ihre erste EP auf sie aufmerksam geworden ist: Die Truppe besteht aus einem Zusammenschluss deutscher und chinesischer Beatmaker. Und was bei deren gemeinsamem Wirken herauskommt, kann sich durchaus hören lassen. Irgendwo zwischen SNES-gleichen Melodien, 90er-Synthies und futuristischen Trap-Anleihen wurde hier ein ganz eigener Sound kreiert. Das Ganze noch mit cheesy anmutenden chinesischen Vocals versehen ergibt die perfekte Musik zum Abschalten und dem Schwelgen in Gedanken. Und wem das immer noch nicht Grund genug zum Reinhören ist, der sollte sich einfach mal den passend innovativen Internetauftritt dazu anschauen.
Line: Shacke One – Saufen & Halligalli
Saufen und Halli Galli. Dicka, hol' mal Stoff, aber Dalli Dalli!
Neben den politischen und gesellschaftlichen Tiefschlägen, die auch 2017 nicht ausblieben, gab es dieses Jahr auch einige positive Entwicklungen. Die Aufschreie gegen soziale Ungerechtigkeit, Rassismus und vor allem Sexismus mit der großen "#metoo"-Kampagne werden endlich immer lauter und drängen sich in den Fokus der Öffentlichkeit. So erfreulich und wichtig das ist, sind diese Diskussionen aber auch von einer gewissen Anstrengung getragen – Eintritt Shacke One. Kompromisslos battlet sich der junge Berliner durch die Szene, hat "Sperma für alle" und pichelt solange, bis er endlich dumm ist. Das tut er aber nicht mit stumpfer Frauenfeindlichkeit und verkopften Wie-Vergleichen, sondern mit einem unglaublichen Charme und Witz. Shacke bringt mit seiner Art eine Leichtig- und Lässigkeit in die Szene – und ein Stück weit auch in die Gesellschaft –zurück, die dringend gefehlt hat. Einfach wieder mit den Jungs einen über den Durst trinken und auch mal Fünfe gerade sein lassen. Es kann manchmal gerne leicht sein.
(Florian Peking, Daniel Fersch, Steffen Bauer, Lukas Päckert, Lennart Wenner)
(Foto von YouTube "HAIYTI – 100.000 Fans (Official Video)" (Haiyti))