"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Es ist erst zehn Monate her, dass Enoq sein Debütalbum "Zu schön um klar zu sein" veröffentlichte. Im Gegensatz zu vielen anderen Alben dieses Formats ist es damit noch sehr jung. Jedoch hat der Berliner mit diesem Release für mich einen Klassiker geschaffen, der genreübergreifend zu meinen absoluten Lieblingsplatten gehört. Dementsprechend ist es mir ein besonderes Anliegen, dieser Arbeit meinen Respekt zu zollen.
Enoq fasst seinen Stil selber perfekt mit der Zeile "Ich rapp' Haus, Maus. Klingt gut – du weißt, wie ich do" zusammen. Dass der Rapper keinen großen Wert auf mehrfache Reime und kluge Vergleiche legt, zieht sich durch das gesamte Album. Dafür punktet Enoq durch seine einprägsame Stimme mit einem hypnotisierenden Vibe, der mich von der ersten bis zur letzten Sekunde packt und überzeugt. Sei es das aufrichtige "Frag mich nicht" direkt zu Beginn der Platte oder das triefend sarkastische "Pausenbrot", auf dem eine ehemalige Liebe besungen wird. Der Berliner hat, wie auf "Geld macht Respekt", schlicht einiges aus seiner Gegend zu erzählen und macht dies mit viel Authentizität. Durch den geschickten Einsatz seiner rauchigen Gesangsstimme bricht Enoq die Songs oftmals auf und sorgt somit immer wieder für überraschende Momente. Zusätzlich ist der großartige Part von Döll auf "Pappalapapp" das Reinhören schon wert. Ihr Übriges leisten die Produktionen von Swoosh Hood, welche durchgängig auf klassischem Boom bap basieren, aber dennoch sehr modern klingen und keinen verstaubten Eindruck machen. Dieses Album repräsentiert für mich alles, was Rap sein muss, und sprüht von der ersten bis zur letzten Sekunde vor Energie. Enoq selber merkt man den so wichtigen Hunger in jeder seiner Zeilen an.
"Zu schön um klar zu sein" ist ein wunderbarer Gegensatz zum Soundbild der meisten Newcomer und für mich nicht zuletzt deshalb eine der besten Platten in meiner Sammlung. Ich bin mir absolut sicher, dass dieses Album mich jedes Mal, wenn ich Rap zyklisch totgehört habe, daran erinnern wird, weshalb ich diese Musik so liebe.
(Lennart Wenner)