Damit mal eins normell ist hier im Saal: Steasy ist zurück. Mehr als vier Jahre nach dem Sieg bei der Splash!-Edition des VBT und fast ein Jahr nach der ersten vorsichtigen Ankündigung ist am 17. November tatsächlich das Debütalbum des Kielers erschienen. Neben dem für ihn typischen Poserrap lässt Steasy auf "Statussymbol" auch hinter die Fassade blicken und erzählt aus seinem Innenleben – zumindest auf ein paar Tracks. Ansonsten bleibt die Nase natürlich weiter oben und die restlichen Motherfucker kriegen noch immer bis ins letzte Detail erklärt, wie viel stylisher als sie Steasy ist. Im Gespräch mit MZEE.com bewies der Rapper jedoch, dass er sich auch mit gesellschaftlich relevanteren Themen befasst. So unterhielten wir uns mit dem studierten Lehrer über das Bildungssystem in Deutschland und seine Erfahrungen als Rapper-Lehrer in Personalunion genauso wie über den Sound der neuen Platte. Und über Jerry B. Anderson natürlich.
MZEE.com: Deine neue Platte heißt "Statussymbol". Dabei denkt man vor allem an Autos, Yachten und Häuser. Was bedeutet der Titel für dich persönlich?
Steasy: Ich bin das Statussymbol. Ich bin mehr wert als 'ne Rolex, ein Lamborghini oder so. (lacht) Der Name kam mir irgendwie in den Kopf, weil ich das schon 2008 auf einem Track gerappt hab'. Da hab' ich gesagt: "Ich trag' gefälschte Ware aus Polen – fuck it, ich bin mein eigenes Statussymbol." Das ist mir wieder eingefallen und ich fand's ziemlich passend. Auf dem Album dreht es sich ja fast nur um mich – das, was ich mach', und das, was ich bin. Egal, ob sich das auf Battlerap oder persönlichere Inhalte wie in "Untertitel" bezieht. Darüber hinaus kann ich natürlich auch für die Fans als Statussymbol begriffen werden. Mehr brauchen die einfach nicht als mich und meine Musik. (lacht)
MZEE.com: Laut Wikipedia ist ein Statussymbol ein "Gegenstand, mit dem man jemand anderem seine gesellschaftliche Stellung zeigen will". Besitzt du einen Gegenstand, auf den du besonders stolz bist und was verbindest du damit?
Steasy: Einen Gegenstand nicht, aber auf mein Axolotl bin ich schon sehr stolz. (lacht) Er ist einfach mein Homie, der immer da ist, wenn ich nach Hause komme. Er lächelt immer und wenn man ihn sich anguckt, ist man einfach fröhlich und gut drauf. Ich hab' den ja auch schon über drei Jahren …
MZEE.com: Wie sieht's mit Axolotl-Nachwuchs aus?
Steasy: Ich hab' mal das Gerücht gehört, dass man Eiswürfel ins Wasser packen soll. Der Axolotl denkt dann angeblich, es sei Winter, und legt Eier. (lacht) Aber er ist ja alleine und ein Männchen … Zumindest seh' ich das so. Also bräuchte er schon 'ne Partnerin, aber die ist nicht in Sicht. Er fühlt sich auch alleine ganz wohl. Zwei, drei Homies hatte er mal, aber die hat er aufgefressen. Das waren aber auch Fische, mit denen kann er sich ja nicht paaren. War schon zurecht, dass er die aufgefressen hat. Seitdem hat er keine neuen Partner mehr bekommen.
MZEE.com: Kommen wir zum Album. Du hast eben schon erwähnt, dass neben Battletracks und Representern auch ein paar persönliche Songs wie "Untertitel" auf der Platte gelandet sind. Gehört das für dich zum Debütalbum einfach dazu?
Steasy: Nö, das war jetzt nicht der Grund. Im Gegenteil – am Anfang dachte ich, ich mache ein viel härteres Album mit 13, 14 Songs Poserrap to the fullest. Es hat sich dann in der Album-Entstehungsphase ergeben, dass ich auch andere Songs geschrieben habe, die ich gut genug fürs Album fand. Abwechslung ist immer gut. Es sind ja immer noch relativ wenige persönliche Songs. In letzter Zeit habe ich viel mehr Tracks in die Richtung geschrieben. Das nächste Album wird wahrscheinlich zu zwei Dritteln persönlich und nur zu einem Drittel Poserrap. (lacht)
MZEE.com: Wäre es da nicht konsequent gewesen, jetzt ein stringentes "Poserrap"-Album zu machen? Hattest du zum Beispiel den Gedanken, dass die wenigen persönlichen Songs das Gesamtkonstrukt brechen könnten?
Steasy: Ich weiß, was du meinst, aber die Angst hatte ich nie. Das Album hat ja trotzdem den roten Faden, dass es nur um mich geht. Egal, ob ich Poser-Ansagen mache oder darüber schreibe, dass ich nicht zur Ruhe komme, weil ich den ganzen Tag Lines im Kopf hab'. Das eine schließt das andere nicht aus. Unabhängig davon wurden die persönlichen Songs, die ich bisher gemacht hab', auch eigentlich immer von meinen Hörern sehr geschätzt. "Untertitel" ist auch einer meiner Lieblingssongs vom Album.
MZEE.com: Die Dubstep-Elemente einiger Beats stechen in der aktuellen Zeit ziemlich heraus – der Hype um diese Musikrichtung ist ja mehr oder weniger vorbei. Wieso bedienst du dich noch an ihr?
Steasy: Das hat keine speziellen Gründe, sie kommen ja auch eigentlich nur im Intro und teilweise in "Everybody's Darling" vor. Ich fand die Beats einfach passend. Es gibt natürlich Leute, die meinen, es sei hängengeblieben, 2017 noch Dubstep-Elemente zu nutzen. Das kann ich aber überhaupt nicht nachvollziehen. Das wird hundertprozentig auch irgendwie zurückkommen. Ich hab' sogar das Gefühl, dass es das schon tut – die Leute merken es nur nicht. Gerade im Ausland vermischt sich zum Beispiel Trap mit Dubstep und es entwickelt sich weiter. Für mich gab's bei der Beatauswahl einfach keine Grenzen.
MZEE.com: Ich frage mich eh immer wieder, warum Dubstep nach diesem krassen Hype vor ein paar Jahren in Deutschland wieder so im Untergrund verschwunden ist.
Steasy: Weiß ich auch nicht so genau. Vielleicht war das einfach nicht so langlebig. Ich hab' das bei mir selbst auch gemerkt. Ich war damals voll auf dieser Dubstep-Welle und hab' alles in der Richtung gesuchtet. Ich glaube, dass es einfach zu viel auf einmal war und diese "Dubstep-Blase" geplatzt ist. (lacht) Das lief ja auch überall in der Werbung … Wobei, da läuft's immer noch. Aber wie gesagt: Wenn man nach Tschechien, Polen und natürlich auch England guckt, sieht man, dass Dubstep da immer noch total groß ist. Die Musikrichtung ist ja auch mehr als nur diese Wobble-Bässe. Aufm HipHop Kemp gibt's quasi noch 'ne eigene Dubstep-Bühne.
MZEE.com: Du lässt am Ende von Tracks gerne deinen DJ cutten. Und auch wenn man dich nach deinen Lieblingsplatten fragt, nennst du oft alte US-Releases. Warum rappst du selbst eher auf modernen statt auf Boom bap-Sample-Beats?
Steasy: Berechtigte Frage. Erst mal finde ich den Crossover-Gedanken ganz nice, diese – wenn man so will – Oldschool-Elemente wie Cuts auf moderne Beats zu packen. Das will ich sogar noch mehr ausreizen. Weil das, was ja angeblich nicht zusammenpasst, es dann doch tut. Dazu kommt, dass 99 Prozent der Boom bap-Beats meiner Meinung nach einfach langweilig sind. Da brauchst du schon ein richtiges Brett, wenn du irgendwie rausstechen willst. Davon gibt's viel zu wenig. Megaloh zum Beispiel hat da immer Bretter in die Richtung, aber dafür hab' ich einfach nicht den Produzenten. Ich hab' am Anfang auch ein paar Boom bap-Beats gepickt, aber letztendlich waren die mir nicht eigen genug. Für mich muss jeder Beat etwas Besonderes haben. Ich schließ' das gar nicht aus, aber da müsste mir erst mal jemand einen Beat bauen, der echt heraussticht.
MZEE.com: Apropos Cuts: Mir ist beim Song "Farid Bang" mit Weekend wieder mal aufgefallen, wie unfassbar gut sich Farid Bang-Lines dafür eignen.
Steasy: Ja, richtig gut. Die Zeilen sind auch einfach meganice. (grinst) Also, der Song ist schon ernst gemeint, da kann keiner was sagen. Ich feier' Farid Bang und seinen Humor. Ich hab' ihn aus der Wut-Tirade, die der Song ja ist, bewusst rausgelassen. Weekend musste dann zwangsläufig mitziehen. (lacht)
MZEE.com: Mit Weekend haben wir vor Kurzem ebenfalls ein Interview geführt. Er hat uns dabei gesagt, dass Bildungsarmut seiner Meinung nach das größte Problem in Deutschland ist. Da du ja angehender Lehrer bist: Wie siehst du die Problematik?
Steasy: Ich kann ihm natürlich nur beipflichten. Er hat in Gelsenkirchen sicher mehr in dieser Richtung gesehen als ich. Ich weiß nicht, ob es das größte Problem in Deutschland ist, aber es ist ein Riesenproblem. Wenn die Eltern weniger Geld haben, ist es für die Kinder natürlich viel schwieriger, eine gute Bildung zu erfahren. Das ganze Bildungssystem in Deutschland ist einfach komplett überholt und müsste meiner Meinung nach total erneuert werden.
MZEE.com: Was würdest du daran ändern, wenn du könntest?
Steasy: Erst mal würde ich die Schule um zehn Uhr vormittags starten lassen. (lacht) Ja, nicht ganz uneigennützig. Ich fänd' es gut, wenn man erst um zehn Uhr da sein müsste, aber schon vorher kommen könnte, um selbstständig zu arbeiten und zu lernen. Mit einem Lehrer als Aufsicht. Diese Selbstständigkeit fände ich viel besser als um acht Uhr da zu sein und nach der Schule noch drei Stunden Hausaufgaben machen zu müssen, die man halt auch morgens erledigen könnte. Das eigenverantwortliche Arbeiten verlernen die Schüler meiner Meinung nach total. Aktuell kommen sie in die Schule und denken, dass der Typ vorne ihnen schon irgendwas beibringen wird. In ein paar Ländern gibt es, glaube ich, Systeme, die so ähnlich sind wie das, was ich mir vorstelle – und in denen das auch funktioniert. In Deutschland ist so eine krasse Änderung aber leider einfach undenkbar. Das ist schade, weil es echt viele Möglichkeiten gäbe, mehr Potenzial auszuschöpfen.
MZEE.com: Wie siehst du die Problematik der Chancengleichheit?
Steasy: Das kann man meiner Meinung nach nur mit Geld ändern. Schulen in Brennpunkten – auch hier in Kiel – sind einfach tausendmal schlechter ausgestattet als die im Zentrum oder den umliegenden Dörfern. Das sagt ja schon alles. Da hast du verranzte Turnhallen und sanitäre Anlagen. Nichts wird saniert, es geht einfach bergab. Und in den umliegenden Kreisen sind topmoderne, perfekt ausgestattete Schulen. Das kann man halt nur mit Geld ändern. Und wenn die aktuelle Bundesregierung das Geld lieber in Rüstung stecken würde, wie Trump das ja fordert, dann wäre sowieso alles verloren. Geld in Rüstung zu stecken, aber an Bildung zu sparen – wie das die USA anscheinend vorhaben –, ist ein Schuss ins eigene Knie. Das ist der Anfang vom Ende meiner Meinung nach.
MZEE.com: Du hast dich mit dem Track "Rapfugees" zuletzt auch politisch geäußert. War das für dich auch eine Motivation, Lehrer zu werden? Den Jugendlichen unter anderem eine offene Weltanschauung zu vermitteln?
Steasy: Am Anfang war das auf jeden Fall nicht die Motivation, Lehramt zu studieren. Da ging's eher um den Lifestyle und so weiter. (lacht) Aber mittlerweile schon, klar. Ich denke einfach, dass Schüler mehr coole Lehrer brauchen. Wenn ich so an meine Schulzeit denke … Schüler benötigen, glaube ich, einfach mehr Lehrer, die offen für Neues sind und sie an die Hand nehmen. Ich denke, dann läuft alles von ganz alleine viel besser.
MZEE.com: Der Journalist Wolfgang Reus hat den Lehrerberuf mal recht scharf kritisiert: Er sagte, es sei eine "Inzucht der Lehrer: Sie kommen aus der Schule und lehren für die Schule, weil sie es nicht besser wissen". Was sagst du dazu?
Steasy: Dem würde ich weitestgehend zustimmen. Der Unterricht ist schon teilweise so aufgebaut, dass man den Schülern den Stoff vermittelt, der eben seit Jahren so vermittelt wird und wie man es selbst beigebracht bekommen hat. Bei mir an der Uni wurden schon neue Ansätze besprochen oder angerissen, aber mehr eben auch nicht. So nach dem Motto: "Das könnte man jetzt anders machen, aber wir machen's dann doch wie immer." Andere Ansätze und Modelle, die auch bestimmt in Teilen besser wären, gibt's schon seit Jahrzehnten. Die werden nur oft einfach nicht umgesetzt. Es ist aber auch nicht immer so leicht. Häufig stehen halt direkt die Eltern auf der Matte und wollen den Lehrern erzählen, wie sie dies und das zu machen hätten, weil die es ja auch nicht anders kennen.
MZEE.com: Du hast ja auch schon zwischenzeitlich als Lehrer gearbeitet. Bist du da an der Schule als Rapper erkannt worden?
Steasy: (grinst) Es hat ungefähr drei Tage gedauert, bis mich irgendwelche Zehntklässler erkannt haben. Das war ganz witzig. Die wollten dann erst mal ein Foto machen und ich meinte nur: "Okay, aber schnell." Dann kam halt 'ne Lehrerin, die mich noch nicht kannte und den Schülern erst mal verboten hat, ihr Handy zu benutzen. Das darf man da nämlich nur, wenn's ein Lehrer erlaubt. Als sie dann gemerkt hat, dass ich auch Lehrer bin, war's okay.
MZEE.com: Wie hat sich die Tätigkeit als Rapper denn allgemein auf deinen Arbeitsalltag ausgewirkt?
Steasy: Es war schon 'ne krasse Zeit an der Schule. (lacht) Ich hab' natürlich alle gebeten, das so ein bisschen unter Verschluss zu halten, aber … Ich hab' eine neunte Klasse unterrichtet, die wusste es nach fünf Tagen und dann ging es total schnell runter bis in eine fünfte Klasse, in der ich Sport unterrichtet habe. Das ging von den ältesten zu den jüngsten Schülern und von den jüngsten zu den ältesten Lehrern bis hin zum Direktor, der mich dann darauf angesprochen hat. Nach drei Wochen wusste es die ganze Schule und es war locker drei Monate Gesprächsthema Nummer eins.
MZEE.com: War das ein Problem, zum Beispiel im Unterricht?
Steasy: Man muss halt drüberstehen und damit umgehen. Ich hab's teilweise wegignoriert, ab und zu bin ich mit 'nem gewissen Abstand auch drauf eingegangen. Eigentlich hat es mir aber alles viel leichter gemacht, weil ich direkt 'nen Draht zu den Schülern hatte. Ich war halt kein normaler Lehrer für sie, sondern ein YouTuber. (lacht) Für die bist du einfach ein YouTuber, wenn du einen Kanal mit mehr als 5 000 Abonnenten hast. Ansonsten hab' ich ganz normal meinen Unterricht durchgezogen und nach 'ner Weile hatten sich alle dran gewöhnt. Da war ich dann auch fast schon wieder weg. War auf jeden Fall 'ne coole Schule, da will ich vielleicht auch noch mal hin.
MZEE.com: Kommen wir zurück zu deiner Rapkarriere. Du hast eine lange Battle-Vergangenheit in der RBA und beim VBT. Juckt es dich manchmal noch in den Fingern, bei einem Format anzutreten? Zum Beispiel bei einem Live-Battle?
Steasy: Ich wurde schon mal angefragt, aber es kam bisher nicht so infrage. Ich weiß auch nicht, ob das noch mal passieren könnte. Das ist irgendwie nicht so meine Welt, ich guck' mir das auch nur selten an. Ich müsste, glaub' ich, zu viel Zeit investieren, um da was Geiles abzuliefern. Die Zeit investiere ich dann lieber in einen guten Song. Ich will das jetzt nicht ausschließen, aber momentan steht's nicht auf meiner To-do-Liste.
MZEE.com: Der YouTube-Comedian Jerry B. Anderson, den man unter anderem aus deinen VBT-Videos kennt, hat auch einen Auftritt auf deinem Album. Der Gute hat ja sogar mal Musik gemacht. Wann kommt euer Kollabo-Projekt?
Steasy: Also, wir waren ja letztens zusammen im Studio und da wird bestimmt noch was kommen. Er ist auf jeden Fall ein sehr musikalischer Typ, kann man nicht anders sagen. Er lief auch schon mal im Radio und so weiter, hat einige Songs mit Hitpotenzial, die noch keiner kennt … (lacht) Also: Watch out. Da wird bestimmt was kommen. Alles normell maken.
MZEE.com: Ohne ihn hätte dem Album echt was gefehlt.
Steasy: Ja, es war auch von Anfang an geplant, dass er dabei ist. Im Endeffekt hat es sich dann kurzfristig ergeben, dass wir noch mal zusammen ins Studio gegangen sind. Wir hatten vorher schon ein paar Sachen aufgenommen und davon ist auch etwas exklusiv auf der CD gelandet. Es war auf jeden Fall klar, dass er involviert beziehungsweise reaktiviert wird.
MZEE.com: Damit kommen wir zum Ende des Interviews. Du kannst gerne noch auf deine Tour hinweisen, die wir ja auch präsentieren. (grinst)
Steasy: Ja, die Tour geht nächstes Jahr am 8. März los und läuft bis zum 20. März. Sind ein paar schöne Städte dabei. Kommt zur Tour! (lacht)
(Alexander Hollenhorst)
(Fotos von Gunnar Dethlefsen)