High Five: 10 / 17 – mit u.a. Bausa, grim104, Casper
Der Deutschrapzirkus ist ein umtriebiger Schauplatz. Zwischen all den Promophasen und Albumveröffentlichungen kann man schon einmal den Blick fürs Detail verlieren. Deshalb stellen wir jeden Monat an dieser Stelle die kleinen, feinen Highlights vor, die abseits des Album-Korsetts Beachtung verdienen. In den Kategorien Statement, Video, Song, Instrumental und Line präsentieren unsere Redakteure handverlesene Schmuckstücke. Egal, ob nun ein besonders persönlicher Bezug, eine wichtige Message oder ein rundes musikalisches Gesamtpaket den Anlass bieten. Hier wird ein tiefer Einblick in einzelne Facetten der Rapwelt geboten. Fünf Höhepunkte – klatscht in die Hände für unsere "High Five"!
Statement: Eko Fresh
"Pass auf auf deine Kohle, pass auf auf deinen Kreis. Hör auf mit dieser homophoben Scheiße. Das steht dir nich'. Du bist 'n junger, gut aussehender, stabiler Junge." – Diese Worte von Eko Fresh richten sich an Mert – jenen YouTuber und Rapper, der vor nicht allzu langer Zeit noch dadurch auffiel, dass er öffentlich und völlig undifferenziert seine Abneigung gegenüber Schwulen kundtat. Eko vertrat in der Vergangenheit eine ähnlich homophobe Haltung. Er gibt seinem Kollegen in einem Facebook-Video daher nicht nur finanzielle Ratschläge und beglückwünscht ihn zu seinem Charterfolg, mit dem Mert den Wahl-Kölner selbst auf einen niedrigeren Rang verwies. Er nutzt die Gelegenheit auch dazu, zu mehr Toleranz aufzurufen. Ohne mit dem umstrittenen Social Media-Star zu hart ins Gericht zu gehen, erinnert Eko daran, dass er es selbst "krass bereut" habe, auf einem älteren Track einst Guido Westerwelle auf schwulenfeindliche Art und Weise erwähnt zu haben. Bereits 2015 entschuldigte er sich per Twitter bei dem damals schwer an Leukämie erkrankten und mittlerweile verstorbenen homosexuellen Politiker. In Zeiten, in denen Diskriminierung und Hass in der digitalen sowie der realen Welt zur Tagesordnung gehören, ist es besonders wichtig, dass etablierte Künstler wie Eko Fresh der nachwachsenden Generation vorleben, dass Intoleranz in einer gesunden Gesellschaft keinen Platz hat.
Video: Bausa – Was du Liebe nennst
Eigentlich könnte man Bausas Video auch einfach wirken lassen, ohne lang zu erklären, was es zum Highlight des Oktobers macht. Denn lässt man außen vor, dass allein schon die Single bei vielen seit einem Monat rauf und runter läuft, ist eben auch die Inszenierung äußerst gelungen. Im Endeffekt hat man die Konzept-Idee "Wir verprassen sinnlos Geld und filmen es" zwar von Young Thug abgekupfert und der genau genommen auch nur von blink182. Doch zumindest Ersterer wird in Bauis Video auch am Anfang entsprechend erwähnt. Adal Giorgis hat mit seinem Team hier äußerst entertainende Bilder einer Bausa-Eskalation eingefangen. Und neben all den Ausgaben für Frühstück in Frankreich und Eskalationen mit Groupies auf dem Golfplatz wird auch der Track selbst immer wieder passend untermalt, etwa durch die Kronleuchter-Szene analog zur A$AP Rocky-Line. Kurzum: Ja, es wurde mal wieder von Übersee kopiert. Doch 1TAKE FILMS haben das Original entsprechend gewürdigt, angepasst und um eine entscheidende Komponente erweitert: Der Künstler war beim Dreh anwesend.
Song: Casper – Lass sie gehen (feat. Ahzumjot & Portugal. The Man)
Unzählige Schallplatten, mehrere 1LIVE-Kronen und einen Echo: Vor Auszeichnungen kann sich Casper seit dem durchschlagenden Erfolg seines Platin-Albums "XOXO" vor nunmehr sechs Jahren nicht mehr retten. Eigentlich eine Leistung, für die man sich getrost selbst auf die Schulter klopfen könnte, doch nicht so der Bielefelder. "Brauch' auf Trophäen in Regalen von denen meinen Namen nicht auf den Pokalen zu sehen", rappt er auf "Lass sie gehen". Er verarbeitet auf dem Song die Zeit im großen Rampenlicht zwischen Talkshow-Trubel und der Flut von Aufmerksamkeit, die er selbst nie heraufbeschwor. Stattdessen will er oftmals die Ruhe abseits des Medienrummels genießen – welche ihm allzu oft abrupt genommen wird. Was bei vielen Künstlern dieser Größenordnung wie eitles Genörgel wirkt, lässt Casper wie einen schüchternen Wunsch nach Privatsphäre klingen. Gepaart mit der Ohrwurm-Hook von Ahzumjot und einem Kanye-esken Portugal. The Man-Outro wird der Track von "Lang lebe der Tod" zu unserem Song des Monats Oktober – nicht zuletzt auch wegen des kleinen Seitenhiebs gegen die etablierten Preisverleihungen: "Will die scheiß Nazis gar nicht sehen, ey. Dann ohne mich!"
Instrumental: OG Keemo – Kobe (prod. by Funkvater Frank)
Das Grundgerüst von Funkvater Franks neuestem Beat für sein rappendes Pendant OG Keemo mag beim ersten Hören sehr simpel erscheinen. Ein eingängiger Loop, eine drückende Kick, eine klatschende Snare und fast schon tickende Hi-Hats. Der Vibe, den der Produzent dabei entwickelt, ist allerdings außergewöhnlich. Das düstere Sample, gepaart mit gut gesetzten Pausen und Muffle-Sounds, erzeugt eine roughe Atmosphäre, die einen mitnicken lässt und direkt in ihren Bann zieht. Zusätzlich versteht es Franky, die Einstiege in neue Parts geschickt zu verzögern, indem er eine Kick oder Snare auslässt, um das sonst simple Grundgerüst auf Dauer spannend zu halten. Somit ist der Beat zu "Kobe" sehr eingängig und entfaltet eine unglaubliche Wirkung. Dass OG Keemo diesen Beat optimal zu nutzen weiß, macht die Symbiose der beiden Protagonisten perfekt.
Line: grim104 – Yeezy Christ Superstar
Sweater ohne Aufdruck – Splash-Gage weg.
Schaue stolz in den Spiegel – trotzdem kein Swag.
grims Auseinandersetzung mit überteuerten, labellosen – und dadurch doch wieder gelabelten – Kleidungsstücken auf "Yeezy Christ Superstar" soll hier stellvertretend für so ziemlich alles stehen, was auf dem neuen ZM-Album gesagt wird. Denn Hand aufs Herz: Seit "Alle gegen Alle" für Oktober 2017 angekündigt war, hatte ich mir Zugezogen Maskulin als Anwärter für die "Line des Monats" vorgemerkt. Nur wenige Künstler schaffen es immer wieder, in ihren Texten nicht nur sozial-, polit- und szenekritische Inhalte zu vermitteln, sondern diese dabei auch noch so exakt auf den Punkt zu bringen. Das mag zum einen am treffenden, zynischen Humor von Testo und grim104 liegen, zum anderen aber vor allem daran, dass sich die beiden in ihrer Kritik nie ausnehmen. ZM sehen sich bei vielen ihrer angesprochenen Themen selbst ebenfalls als Teil des Problems, statt sich frei von allen Makeln darzustellen. Und wenn sie dann mal doch nicht direkt in Verbindung mit fragwürdigen Szenetrends, dem gesellschaftlichen Rechtsruck oder den kapitalistischen Ausschweifungen des Lebens stehen, gelingt es den beiden zumindest, sich in genau diese Positionen hineinzudenken. Kritik, die nicht vom Zaungast oder von oben herab ausgeübt wird – sondern direkt vor Ort, mitten im Dreck wühlend vorgetragen, macht die Texte von ZM so gelungen und wichtig für die Szene.
(Steffen Bauer, Lukas Päckert, Sven Aumiller, Lennart Wenner, Daniel Fersch)
(Foto von Robin Hinsch (Zugezogen Maskulin))