Ach, sei doch nicht so pathetisch.
Alle Liebe nachträglich.
In der Liebe ist alles möglich. Da können Salz und Milch schon mal den ganz großen Knall erzeugen. Nicht als chemisches Gemisch, aber wenn sich Partner wochenlang damit in den Ohren liegen, beim Einkauf etwas vergessen zu haben. Von genau diesem und vielen weiteren, ganz kleinen und ganz großen Momenten einer Beziehung erzählen Mine und Fatoni auf ihrem Album "Alle Liebe nachträglich".
Wo man für gewöhnlich zurückzuckt, wenn Musiker die Liebe in ihre Kunst einflechten, kommen Fatoni und Mine ganz ohne Kitsch und Klischees aus. Wenn Kitsch, dann ekeln sich die Protagonisten in den Texten selbst davor. Wenn Klischee, dann keine alten Phrasen, sondern Situationen, die jeder kennt und schon erlebt hat. Genau darin liegt die große Stärke des Albums: in den kleinen Situationen. Statt geschwollener Worte, um Geschichten aufzublasen und dramatisch zu machen, wird vom Alltag erzählt. In alltäglichen Worten. Man steht vor der Wahl, ob Tatort oder "RomCom", ist ganz ohne "Schminke" zu zweit allein, will immer "mehr" voneinander, bis man sich irgendwann zu nahe kommt und feststellt: "Aua". Wo sich im Falle der letzten beiden Titel Tristan Brusch und Danger Dan mit großartigen Gastbeiträgen in die traute Zweisamkeit einschleichen, bleiben Mine und Toni ansonsten unter sich – und sind sich auch mehr als genug. Mit größtenteils sehr ruhigen Soundbildern, klaren Gesangsparts und unterschiedlichen Flowpassagen zaubern die beiden ein Werk, das sanft und beruhigend, aber dennoch experimentell und aufwühlend klingt – und im Großen und Ganzen vor allem eines ist: wunderschön.
Mine und Fatoni erzählen Geschichten, die auch den eigenen Erfahrungen gegenüber so entlarvend und ehrlich sind, dass man sie fast hassen möchte für die Erkenntnis, dass es auch jedem anderen bereits so erging. Und dennoch wächst die Zuneigung zu "Alle Liebe nachträglich" von Track zu Track um ein Vielfaches. Ein Gemisch, das eigentlich nicht schmecken sollte, es aber dennoch tut. In der Liebe ist eben alles möglich.
(Daniel Fersch)