Würd' lieber sterben, als nach Hause gehen.
"Lang lebe der Tod"! Als der Titeltrack des vierten Casper-Albums erschien, war das Aufsehen gewaltig. Der Mann, der einst die Szene geprägt hatte, kündigte mit brachialem Industrial-Sound eine erneute Weiterentwicklung an. Eine, die jedoch noch nicht ganz abgeschlossen schien. Denn kurz darauf wurde die Veröffentlichung der Platte um ein Jahr verschoben. Nun endlich ist aber die Zeit gekommen, dem Tod zu applaudieren.
Und das anders als je zuvor. Die Tage, in denen Casper von Vergangenem redete, sind gezählt. Einst "hin zur Sonne" gewandert, unterzeichnete er die Briefe nach Hause mit "XOXO", um am Ende festzustellen, nie wieder heim ins "Hinterland" zu wollen. Stattdessen blickt er nun nach vorne. Wo früher oder später der Tod wartet. Und Casper rennt ihm mit ausgestreckten Armen entgegen. Der Musiker erzählt aus seinem Innersten – und trifft mit seinen Formulierungen dennoch den Kollektivnerv. Egal, ob er vom Ausbruch aus Echokammern voll Beautybloggern und Verschwörungstheoretikern, dem Stillstand inmitten der eigenen Zufriedenheit oder dem sich selbst Verlieren in der eigenen Depression spricht. Kreischende Sirenen und donnernde Bässe stehen in hartem Kontrast zu beruhigenden Klangvorhängen und instrumentalen Ruhepolen. Einzelne Versatzstücke erinnern noch an die Klangästhetik vergangener Tage, kulminieren mit neuen Einflüssen jedoch zu etwas völlig anderem, viel Größeren. Etwas, das eingängig und schön wie das Leben, gleichzeitig aber unbequem und hart wie der Tod ist. Und letztlich geht alles in Flammen auf. Großartigeres hätte nach einem Jahr Wartezeit kaum aus diesem Album werden können.
So veröffentlicht Casper mit "Lang lebe der Tod" das größte und gewaltigste Werk seiner gesamten Karriere. Die Furcht vor dem Unabwendbaren im Herzen, nimmt der Musiker seine Hörer bei der Hand und zelebriert aufgrund genau dieser Angst das Leben. Der Tod als Antrieb für das Leben. All das Grauen und der Hass – in und um uns – als Inspiration für wunderschöne Musik. Lang lebe Casper!
(Daniel Fersch)