Da kann er noch so nach vorne schauen.
Die Sorgen kommen wieder im Morgentauen.
Wandam ist ein Kind der Straße – zumindest war er auf dieser all die Jahre unterwegs. Zwischen Drogen, Schlägereien, Knastaufenthalt und Obdachlosigkeit war er dem Tod oftmals näher als allem anderen in seinem Leben. Sein guter Freund Tua riet ihm deshalb vor etlichen Jahren in seinem Bruder-Song schon: "Du kannst nur ändern, wie du bist." Inzwischen scheint der Reutlinger fern zu sein von all dem Elend, das sein Leben geprägt hat. Er erkannte wohl den Ernst der Lage und ist sich nun bewusst: "Wenn nicht jetzt, Wandam?!"
Und mit der brutal ehrlichen Erkenntnis über den eigenen Werdegang beginnt Wandam seine zweite EP. Auf dem Opener rechnet der Rapper mit sich selbst ab und ist sich sicher: "Er verdient ein Leben in Gewahrsam für die unzähligen Straftaten." In der Hook wird er dabei von keinem Geringeren als dem langjährigen Weggefährten Tua unterstützt. Leider vollzieht sich nach dem ersten Track in Soundbild und Thematik ein Bruch: Die Wut und Aggressivität, die Wandam in Texten und Vortragsart auf der vorherigen EP noch hatte, gehen danach fast gänzlich verloren. Stattdessen präsentiert sich der Bassquiat-Künstler von einer anderen Seite. So wettert er unter anderem gesellschaftskritisch gegen die Internetkultur und das immense Mitteilungsbedürfnis im Netz. "Außerhalb Facebook interessiert Politik fast niemanden", was Wandam ziemlich nervt. Gegen Ende beweist er dann aber noch einmal, was er wirklich kann, wenn er wutentbrannt die Abrechnung mit seiner Ex-Freundin zelebriert.
Wandam ist womöglich nicht der talentierteste Rapper, was Flow und Technik angeht. Doch er kann die Gefühle der Wut, Aggressivität und Trauer übertragen. Auch wenn seine Stärken auf dieser EP hier und da ein wenig zu kurz kommen, bildet "Wenn nicht jetzt, Wandam?!" ein stimmiges Gesamtkunstwerk. Und der Künstler selbst kann mit der beeindruckenden Stimmgewalt, die sehr düster wirkt, absolut überzeugen und drückt seiner Musik damit definitiv erneut einen eigenen Stempel auf.
(Fabrizio Perri)