Löcher in den Socken, doch die Goldkette hängt von Cartier.
Nachdem Capo 2013 auf seinem Debütalbum "Hallo Monaco" einen alternativen Entwurf zum typischen Azzlackz-Sound präsentierte, folgt nun der Nachfolger "Alles auf Rot". Auf diesem versucht er den Spagat zwischen dem schillernden Prunk seines Erstlings und der kompromisslosen Härte, mit der er ursprünglich den Sprung in die Öffentlichkeit wagte.
Mit dem Gänsehaut erzeugenden "Intro" und dem darauffolgenden "GGNIMG" beginnt das Album extrem stark. Während der Opener sich durch emotionale Zeilen Capos und einen dramatischen Beat auszeichnet, punktet der zweite Track des Albums durch ein nicht minder gutes, treibendes Instrumental und monströse Flows des Offenbachers. Dieses hohe Niveau kann im Laufe des Albums jedoch nicht durchgehend gehalten werden. Das liegt vor allem daran, dass der von Sonne, Cocktailpartys und weißem Puder inspirierte Sound, der hier mitunter zum Einsatz kommt, zwar sehr gut zu Capos Stil und Inhalten passt, jedoch leider nicht immer spannend umgesetzt wurde. Schlecht sind Titel wie "Matador" oder das namensgebende "Alles auf Rot" nicht, allerdings verblassen sie im Vergleich zu den härteren oder nachdenklicheren Anspielstationen. Zu letztgenannter Kategorie gehören beispielsweise das schmerzerfüllte "Mond" und die Gangsterballaden "Genauso wie immer" sowie "Totentanz", mit denen das Album endet. Hier kommt Capos kritische und melancholische Seite sehr gut zur Geltung, was ihn als reflektierten Charakter auftreten lässt.
Mit "Alles auf Rot" veröffentlicht Haftbefehls jüngerer Bruder ein Album, dessen Tracklist seine innere Zerrissenheit widerspiegelt. Auf der einen Seite kostet er sein Leben im Straßenmilieu mit dem damit einhergehenden Hedonismus vollends aus, auf der anderen leugnet er die dunklen, plagenden Aspekte dieses Lifestyles nicht. Bis auf wenige Ausnahmen schlägt sich das in mitreißenden Tracks nieder, die dieses Album zu einem der bislang besten Straßenrap-Releases des Jahres machen.
(Steffen Bauer)