Vertraue dieser Welt nicht, mein Hype hat mich belehrt.
Schreibe Zeilen in den Scherben – ich könnt' weinen wie ein Meer.
Eine "Vision" hatte schon in der Bibel weitreichende Ausmaße: Jemand sieht des Rätsels Lösung, erkennt plötzlich haargenau, was die Zukunft für einen bereithält und weiß, wie zu handeln ist. Auch Kurdo scheint eine solche Prophezeiung gehabt zu haben. Doch resultieren daraus bescheidenere Pläne: "Einen Benz und 'ne Million" will der Rapper künftig. Wo diese Luxusgüter herkommen sollen, weiß der "Verbrecher aus der Wüste" aber wohl selbst nicht so genau.
Wer bei diesem Werk nach realistischen, gar logischen Gedankengängen sucht, wird sich eher schwer tun. Zumindest merkt man schnell, wie oft der "Slum Dog Millionaer" sich selbst widerspricht. Während er auf "Hände weg" noch mutig aktuelle Trends boykottiert und "auf Trap-Beats scheißt", verwandelt sich der Heidelberger nur sechs Tracks später zu "K-U auf Trap-Beats, elegant mit Prestige". Passend dazu flext er die weiteren Anspielstationen über bereits zu oft gehörte 808-Samples und ebenjene Elemente, die er zu Beginn noch verteufelte. Generell wurde die erste Hälfte seiner "Vision" offenbar in einem anderen Leben aufgenommen, ist er auf "Schatten des Ruhms" doch noch der bescheidene Mann aus dem Ghetto, der später plötzlich im "Ferrari durch Little Italy" cruist. Über solche textlichen Ausreißer könnte man mit Sicherheit hinwegsehen, würde Kurdo mit anderen Vorzügen glänzen. Meist wirkt er jedoch verkrampft auf den modernen Instrumentals und findet leider keinen Weg, sich aus der Masse an Straßenrappern hervorzuheben.
Das stellt sich am Ende auch als größtes Problem heraus: Kurdo ist keineswegs der "Letzte seiner Art". Eher einer der Rapper, die sich auf Albumlänge nicht so recht zwischen hartem Streetrap und ihrer sanften, nachdenklichen Seite entscheiden können. Und so bleibt nach 45 Minuten von dieser Platte nur eines übrig: eine "Vision" voller Widersprüche.
(Sven Aumiller)