Disarstar
"Er ist ein stabiler Proll, aber auch ein stabiles Vorbild für Jugendliche", titelt der Stern. Die Zeit schrieb einst: "Der Straßenjunge". Die Rapszene empfindet ihn oft als "politischen Rapper". Ich persönlich denke: Disarstar hat von allem etwas. Ein bisschen Straße. Ein bisschen Politik. Ein bisschen Pathos noch. Und vor allem viel Ambivalentes in sich mit dem vollen Bewusstsein für eben diesen Umstand. Oben drauf kommt noch der Wille, immer dann etwas anderes darzustellen, wenn die Meinungen über ihn zu sehr feststehen.
Ein Abend im März. Es ist kurz vor Mitternacht, als wir Disarstar antreffen. Eben noch auf der Bühne, nun in der leergefegten Lobby eines Wiesbadener Hotels. Er ist gut gelaunt, hellwach und hat Redebedarf, wie immer nach Auftritten: "Ich red' mich schon wieder um Kopf und Kragen." Trifft sich gut, denn wir haben Fragen. Zig Interviews gab es in letzter Zeit mit dem bekennenden St. Pauli-Fan – aber viele Fragen, die uns auf der Zunge liegen, wurden nicht gestellt. Und so stellen wir sie. Und Disarstar antwortet – schier unermüdlich. Dabei drehen sich die Themen zunächst um Musik – von der neuen Platte, objektivem Bewerten von Alben und dem gesamten künstlerischen Werk Disarstars über die drei wichtigsten Stationen der bisherigen Karriere bis hin zur Erläuterung, warum "Bilder" von Tua einer der besten deutschen Rapsongs aller Zeiten ist. Und da wären wir erst bei der Hälfte des Interviews angelangt. Von einem kurzen Exkurs, der Marcus Staiger behandelt, geht das Ganze über zu – wie könnte es anders sein – Politik. Was ist negativ daran, als politischer Rapper wahrgenommen zu werden? Wie steht es um Ablehnung innerhalb der deutschen Rapszene? Ist eigentlich jeder Künstler politisch? Gewalt, Haltung und Leid, Meckern, Deutschland und die Bundestagswahl sowie Kapitalismus, Demokratie und Nachrichten … Das Themenfeld scheint schier unendlich und Disarstar springt munter, aber strukturiert und nachvollziehbar von einem Thema zum nächsten. Die Redaktion ist sich dessen bewusst, dass es sich bei diesem Interview um eine Textmenge handelt, die auf den ersten Blick erschlagend wirken kann. Aber nachdem wir das Ganze aufbereitet hatten, wollten wir es unseren Lesern ungern vorenthalten.
MZEE.com: Deine neue Platte trägt den Titel "Minus x Minus = Plus". Kannst du zu Beginn des Interviews von einer Situation erzählen, in der zwei negative Ereignisse zusammengenommen eine positive Auswirkung haben?
Disarstar: Ich hab' das Gefühl, dass mein ganzes Leben so ist. Immer, wenn ich darüber spreche, werden mir noch mehr Sachen klar. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt: Wenn man eine schlechte Zeit hat und an einen glücklichen Moment zurückdenkt, wird man traurig und nostalgisch in Gedanken an diesen Moment. Wenn man aber in einem schlechten Moment an eine schlechte Zeit zurückdenkt, ist es so: "Geil, dass ich das überwunden hab' und es vorbei ist!" Dann ist man stolz und kriegt eher ein gutes Gefühl. Das ist eins von vielen Beispielen für "Minus x Minus = Plus".
MZEE.com: Warum genau hast du denn diesen Titel gewählt?
Disarstar: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Ich glaub', 2014 meinte ich mal in einem Blog: "Minus x Minus = Plus". Und seitdem war der Titel in meinem Kopf … Habt ihr das Album vorab schon gehört?
MZEE.com: Nein. Aber das werden wir noch – weil wir ja auch eine Review dazu schreiben.
Disarstar: Cool. Richtig schlecht wahrscheinlich. (grinst) Die JUICE fand ich sehr cool: Ich hatte beim letzten Album vier Kronen in der JUICE. Und jetzt stand in der Kritik, dass mein neues Album in allen Punkten besser ist als das letzte …
MZEE.com: Und es hat weniger Kronen?
Disarstar: Es hat eine halbe Krone weniger. Ich muss ganz ehrlich sagen: Es ist mir egal, wer was davon hält. Das gilt auch für Reviews. Über gute freut man sich. Schlechte sind mir egal … Es ist einfach so: Ich bin ein derbe politischer Typ. Ich weiß nicht, wie der politisch drauf ist. Ich bin schon auch ein Hardliner und eck' damit an. Wenn das jemand in die Finger kriegt, der total scheiße findet, was ich sag', dann geben ihm die Songs natürlich dementsprechend wenig. Das ist klar. Wie objektiv kann man Musik am Ende des Tages beurteilen? Es gibt ein paar Paradigmen. Zum Beispiel: Wie ist die Snare? Ist es eine eingespielte oder eine Preset-Snare? Das sind objektive Kriterien. Alles andere ist rein subjektiv.
MZEE.com: Du kannst Musik niemals objektiv bewerten.
Disarstar: Das mein' ich auch. Wenn ein Rolling Stone Magazine was schreibt – da denk' ich schon, dass das ziemlich seriöse Leute sind. Und dass die ganz bestimmte Maßstäbe anlegen. Da passiert dann auch nicht, dass man das neue Album besser findet als das letzte, aber trotzdem 'ne schlechtere Bewertung gibt … Jetzt hört sich das so an, als würd' mich das total jucken.
MZEE.com: Zieht sich das Titel-Thema denn wie ein roter Faden durch dein Album?
Disarstar: Auf jeden Fall. Er zieht sich wie ein roter Faden durch meine ganze Musik. Es gibt immer wieder Leute, die mir schreiben, dass ich ihr Leben nachhaltig verändert oder ihnen durch schwere Zeiten geholfen hab'. Und das ja nicht mit erbaulicher, fröhlicher, bunter Musik … Deswegen ist das ein Teil jeder meiner Songs – oder des gesamten künstlerischen Werks.
MZEE.com: Wundert es dich denn, dass Leute dir sowas schreiben? Für mich ist klar, dass deine Musik vielleicht nicht die Massen anspricht. Aber Leute, die sich mit deiner Musik identifizieren, fühlen das Ganze doch viel stärker. Du hast ja etwas Ehrliches, ein bisschen Pathetisches in deiner Musik, das …
Disarstar: (unterbricht) Ein bisschen pathetisch?!
MZEE.com: Ja, klar.
Disarstar: Ja, okay. Weiß ich auf jeden Fall, ja.
MZEE.com: … das Menschen gerade in schlechten Zeiten stärker berührt. Und ihnen somit auch mehr gibt als seichte, bunte und fröhliche Musik.
Disarstar: Das denk' ich mir ja auch. Und deswegen mach ich das so, wie ich das mach’. Ich bin manchmal schon verwundert, dass es Leute dann so berührt. Es ist ja nicht so, dass ich mich zu Hause hinsetze und überlege: "Was schreib' ich jetzt, damit es Leuten aus 'ner schweren Phase hilft?" Mit dem Anspruch hab' ich das nie gemacht – es hat sich einfach so ergeben. Und deswegen wundert es mich manchmal. Aber so ist die Mucke mit den Jahren auch immer wertvoller geworden. Je mehr ich sowas krieg', umso mehr Triebfedern kommen hinzu. Ich hab' mich jetzt zum Beispiel professionalisiert und dann wird auch Geld gezwungenermaßen zu einer Triebfeder. Früher hab' ich das gemacht, um cool zu sein. Dann kam der Punkt, an dem Leute mir gesagt haben, dass das wichtig für sie oder ihr Leben ist.
MZEE.com: Apropos Leben: Lass uns mal über deine Rap-Anfängen sprechen. Mit welchen Künstlern hast du angefangen, Rap zu hören?
Disarstar: Der erste Rap-Song, den ich je gehört hab', ist "Rap Superstar" von Cypress Hill. Dann hab' ich für Cypress Hill im Stadtpark Support gemacht und konnte mich mit Sen Dog bestimmt zehn, fünfzehn Minuten darüber unterhalten, dass das der erste Rap-Song war, den ich je gehört hab'. Sehr krass. Und der erste Deutschrapper, der mich geprägt hat, ist Samy. Eigentlich derbe witzig, weil jetzt DJ Vito mit uns unterwegs ist – und das ist eigentlich Samys DJ. "Generation" von Samy war mein erster HipHop-Song auf Deutsch. Und dann "Ich bin jung und brauche das Geld" von Eko. (alle grinsen) Gut, ich war zehn oder elf … Dann war ich angefixt und hatte 'nen Jungen in meiner Klasse, der das Internet schon verstanden hatte, als es Internet in meiner Welt noch gar nicht gab. Dem hab' ich einmal im Monat meinen mp3-Player gegeben und er hat mir irgendwas draufgezogen. Total egal, was. So hatte ich dann Bushido und alles Mögliche.
MZEE.com: Du hast ziemlich früh angefangen, Rap zu hören.
Disarstar: Ja, auf jeden Fall. Ich hab' auch eine ältere Schwester, die immer auf dem Laufenden war. Und mein Vater ist ein Typ, der extrem viel Mucke hört und tausende CDs hat. Er hat Alliance Ethnik gehört – eine Schweizer Rapgruppe, die auf Französisch rappt. Die Liebe zur Musik wurde mir also in die Wiege gelegt. Und Rap war das Erste, das mich komplett abgeholt hat. Mit zehn hatte ich schon "The Eminem Show" selber gekauft, "Slim Shady LP", "Marshall Matters LP", "D12 World" …
MZEE.com: Was ist denn für dich einer der besten deutschen Rapsongs aller Zeiten?
Disarstar: (überlegt) "Bilder" von Tua. Weil er der Erste war, der mir gezeigt hat, dass ich Rap auch anders machen kann. Er hat meine Mucke maßgeblich beeinflusst. Das weiß er mittlerweile auch, wir haben für mein neues Album ja einen Song zusammen gemacht. Er hat mir gezeigt: Du kannst auch ganz anders sein. Das hat mich ganz krass inspiriert. Und ich finde ihn auch heute noch überheftig.
MZEE.com: Du bist noch recht jung und stehst am Anfang deiner Karriere. Dennoch rappst du schon seit Jahren und hast einiges erlebt. Kannst du uns kurz die drei bisher wichtigsten Stationen deiner bisherigen Rap-Karriere aufführen?
Disarstar: Ganz krasses Erlebnis: Erste CD im Laden, die "Tausend in Einem"-EP. Überkrasses Erlebnis: Platz 19, deutsche Albumcharts. Auch wenn's eigentlich Quatsch ist. Aber man fängt an, zu rappen, und irgendwann hat das dann Relevanz. Das war richtig krass für mich … Und MZEE Interview.
MZEE.com: Das ist eine krasse Lüge. (alle lachen) Also keine Live-Momente?
Disarstar: Oh, doch. Erstes Konzert als Support der Kontra K-Tour. Ab da hatte ich normales Lampenfieber. Bis dahin war's total krank, mit Wesensveränderung, Panik-Attacken, Weglaufen-wollen. Drüber nachdenken, sich selber zu verletzen, damit man das nicht machen muss. Also richtig krank.
MZEE.com: Und jetzt ist es …
Disarstar: … geil. Von Anfang bis Ende. Diese Nervosität kommt, aber ich kann sie mittlerweile genießen. Danach bin ich ausgelassen und fühl’ mich wohl … schon krass. Kurz vor dem Konzert, meistens auch schon Stunden davor, schließt sich so 'ne Glocke um mich. Diese Glocke ist ja aber auch nur eine Welt. Sie ist nur anders als diese Welt. Und je öfter man dann in dieser Glocke war, desto mehr weiß man: "Okay, da ist oben, da ist unten, dies, das." Und dann findet man sich in dieser Welt viel besser zurecht und ist handlungsfähiger, als wenn alles so neu ist.
MZEE.com: Apropos Karriere: Vor drei Monaten hast du einen Vertrag bei Warner unterschrieben. Was genau siehst du für Vorteile darin, bei einem Major unter Vertrag zu stehen?
Disarstar: Auf jeden Fall Budgets. Und Reichweite, Erreichbarkeit, Connections. Das sind auf jeden Fall Vorteile.
MZEE.com: Bist du dir eigentlich dessen bewusst, dass du karrieretechnisch in den kommenden Jahren vermutlich einen ordentlichen Sprung machen wirst?
Disarstar: Das hört man gern … Ich bin allerdings nur selten davon überzeugt. Das ist auch gut so – wenn ich selber zu überzeugt davon wär', hätte ich auch nicht mehr den Anspruch, den ich hab'. Es ist mal so, mal so. Ich bin ein ganz ambivalenter Typ. Zwischen Größenwahn und kompletten Selbstzweifeln: alles dabei. Auch laufend. Ich schaff' es, mich zehn Minuten lang für den größten Macker aller Zeiten zu halten. Und ich schaff' es dann, zehn Minuten später das komplette Gegenteil zu fühlen. Aber das inspiriert mich auch. Und ich glaub', so sind alle Künstler.
MZEE.com: Kommen wir mal konkret auf dein neues Release zu sprechen. Was genau ist denn der größte Unterschied zwischen deiner neuen und der letzten Platte?
Disarstar: Komplett anders. Das neue Album ist einfach das, das ich immer machen wollte. Und deshalb ist es für mich auch so untouchable. (überlegt) Ich mein', zum Beispiel Staiger – er ist ein Kollege von mir. Und er fand die letzte Platte derbe scheiße. Er ist eine wichtige Referenz für mich, denn er hat auf jeden Fall Know-how von HipHop. Er fand das Album scheiße und hat das bei jeder Gelegenheit gesagt, obwohl er mein Verleger ist und ich auf seiner Edition bin.
MZEE.com: (lacht) Das ist auch geil.
Disarstar: (lacht) Das ist voll behindert. Aber deswegen weiß ich, dass er ehrlich ist. Er findet das neue Album zum Beispiel voll geil. Und wirklich alle, mit denen ich darüber gesprochen hab', sagen: "Das ist dein bestes Projekt!" Weil es genauso geworden ist, wie ich es immer haben wollte. Der wesentliche Unterschied zu meinem letzten Album ist, dass mir niemand gesagt hat: "Du machst das jetzt so und so!" Ich würde mir auch niemals bieten lassen, dass jemand mit 'nem Rotstift durch meine Mucke geht. Aber es war damals so, dass viele Leute ihren Senf dazugegeben haben. Und dann fängt man neu an und sagt: "Das zweite Album ist am schwersten!" Was ich aber nicht gecheckt hab': Eigentlich war meine EP "Tausend in Einem" das erste und "Kontraste" das zweite Album. Guck' dir die Promophase von damals an: Ich hab' zwanzig Kilo abgenommen. Zu "Tausend in Einem" war ich ein Brecher und hab' 100 Kilo gewogen, bei "Kontraste" dann 80. Weil ich mir so 'nen Stress gemacht hab'. Und deshalb ist "Kontraste" von vorne bis hinten konstruiert. Und dann kamen Sinch und Houtan jetzt beim neuen Album in mein Leben, die mir einfach den Raum gegeben haben, das genauso zu machen, wie ich mir das immer erhofft hab'. Deshalb bin ich jetzt genau da, wo ich sein möchte. Und dabei bleib' ich jetzt erst mal für drei Alben, bis ich wieder versuche, mich neu zu erfinden.
MZEE.com: Ich fand das letzte Album ehrlich gesagt nicht konstruiert.
Disarstar: Inhaltlich ist es immer Disarstar. Jedes Projekt in den letzten zehn Jahren. Das war auch bei "Kontraste" nicht anders. Aber die Beats waren zum Teil Sachen, die ich gar nicht abfeier'. Ich bin eigentlich auf dem Oldschool-Film hängengeblieben und hab' da dann viel Synthie-Kram. Deswegen bin ich da mittlerweile so unzufrieden mit. Aber Texte hab' ich mir noch nie aus den Fingern gesogen. Das hört man am Ende wahrscheinlich auch und darum finden es viele gut. Aber es ist mir hier und da einfach zu gewollt gewesen.
Houtan (Disarstars Tourmanager, Anm. d. Red.): Ich glaub', das Album hätte auch erst viel später kommen können. Da gab es drei, vier Nummern, das waren klassische Radio-Nummern. Keine Balladen, aber stimmige Songs, bei denen ich mir dachte: "Das hätte auch in drei, vier Jahren erst kommen können."
Disarstar: Und das Ding ist: Ich dachte, dass ich sie machen muss. "Jetzt hab' ich 'nen Vertrag, mein erstes Album – jetzt muss ich so sein." Weil mir viele Leute reingequatscht haben und ich mir das zu Herzen genommen hab'. Mein neues Album ist einfach komplett Rap. Da ist nichts Fernseh- oder Radio-verwendbar. (lacht)
MZEE.com: Du hast mal gesagt, dass man bei deinem letzten Album nicht sehen konnte, wofür Disarstar eigentlich steht. Für was genau möchtest du am liebsten wahrgenommen werden?
Disarstar: Ich bin auf jeden Fall der, der das genauso macht, wie er will, weil er ein Sturkopf ist. Und dabei nie Rücksicht darauf nimmt, was andere – außer die Leute aus meinem Camp, mit denen ich das zusammen mache – davon halten.
MZEE.com: Punkt.
Disarstar: Punkt. Ich will mir nie wieder – wie bei "Kontraste" – Gedanken darüber machen, was die Leute davon halten könnten. Deshalb war ich auch so angreifbar …
MZEE.com: Punkt. "Was ich aber trotzdem noch sagen wollte …" (alle lachen)
Disarstar: Deshalb war ich auch so angreifbar, was das Album angeht, weil ich mir alles so zu Herzen genommen habe. Vor allem schlechte Kritik. Weil das Ganze für mich selber so labil war. Das neue Album aber ist genau Disarstar. Wenn man's mag, mag man's. Wenn nicht, nicht … Ich red' mich schon wieder um Kopf und Kragen.
MZEE.com: Stell dir vor, du müsstest jemandem deine Musik mit nur einem Song deiner neuen Platte näherbringen: Welcher wäre das? Warum gerade der?
Disarstar: Boah, das ist eine gute Frage. (überlegt) Ich glaube, "Konsum". Weil er so schön widersprüchlich ist. Das ist auf jeden Fall 'ne krasse Weiterentwicklung.
Houtan: Ich glaube auch, "Konsum" ist die richtige Antwort auf die Frage. Er hat ja eine gewisse politische Haltung und trotzdem sind wir Teil der Gesellschaft und tragen Nikes … diese Dualität kommt da gut raus. (überlegt) Ich sag' immer, dass er als Künstler politisch ist. Er macht seinen Mund auf und setzt sich für Leute ein, denen es scheiße geht. Und andere MCs, die nur vom Koks reden, die …
Disarstar: (unterbricht) Sollen halt mal die kritisiert werden! An mir wird immer ein Maßstab angelegt … Egal, was ich sag'! Wenn ein anderer Rapper das mal sagen würde, würde er tobenden Applaus kriegen – weil das so toll ist, dass der auch mal was Politisches sagt. Und wenn ich das sag', kommen sie gleich mit dem Maßband …
Houtan: Das ist wie der Schüler, der immer nur Einsen schreibt. Wenn er dann mal 'ne Fünf schreibt, fragen alle: "Hä? Wie kann das denn sein?!"
MZEE.com: Ihr habt beide etwas sehr Ambivalentes in dem, wie ihr beispielsweise äußerlich und inhaltlich gesehen wirkt.
Disarstar: Wir hatten beide genug Scheiße – das ist ja auch Teil unserer Identität. Wenn ich mir jetzt die Haare wachsen lassen und Skinny Jeans tragen würde, würde ich mich selber nicht mehr repräsentieren. Und wenn die Leute da nicht drauf klarkommen, dann ist das so. (überlegt) Das ist eigentlich voll deep. Auf die Idee bin ich bei 'nem Kabarett-Auftritt gekommen. Der Mensch ist ja nie – was aber vorausgesetzt wird – das eine oder das andere. Er ist immer "sowohl, als auch". Der Mensch ist nicht intellektuell oder rudimentär. Die Leute checken das aber nicht. Ich bin nicht das oder das. Ich bin "sowohl, als auch". Und Mucke hat mir da voll geholfen. Die ganze Persönlichkeitsentwicklung. Wenn man selber an die Öffentlichkeit geht, fällt es einem viel leichter, dazu zu stehen. Weil man so einen krassen Realitätsabgleich hat. Ich mein', es gibt auch viele Leute, die mich scheiße finden. Ich geh' auf Tour – was ich an Drohungen jetzt schon von irgendwelchen Faschos krieg', die meine Konzerte stürmen und mich abstechen oder umbringen wollen. Manche Leute finden mich schon richtig, richtig scheiße. Aber da bin ich dann auch cool mit. Ich fahr' ganz normal in jede Stadt – sollen die mal kommen.
MZEE.com: Denkst du, dass es dir mit Blick auf kommerziellen Erfolg irgendwann im Weg stehen kann, dass du auch als politischer Rapper wahrgenommen wirst?
Disarstar: Es steht mir jetzt schon laufend im Weg! Ich wär' auf der einen Seite an einem ganz anderen Punkt, wenn ich das weglassen würde. Auf der anderen Seite auch wieder nicht. Aber ich könnte mich auch selber nicht mehr ernst nehmen, wenn ich das weglassen würde … Ich merk' das ja. Ich merk' das in der JUICE-Review, wenn er sagt: "Es ist in allen Punkten besser." Er nimmt aber die ganze Zeit Bezug auf Politik. Behauptet, dass ich nicht wüsste, wovon ich rede. Ich könnte schwören, wenn ich mich mit dem Typen zusammensetzen würde, Face to Face, hätte er gar nichts mehr zu reden. Man wird dann ja auch zum Opfer – ich kann mich gar nicht dagegen wehren. Er sagt: "Du bist Scheiße!", und ich steh' hinter 'ner Glasscheibe, würde eigentlich gerne dazu Stellung nehmen … Aber das ist dann ja auch albern. Das hat mich trotzdem aus politischer Perspektive abgefuckt. Nicht auf menschlicher Ebene, nicht, was meine Musik angeht. Und ja, es steht mir laufend im Weg, überall. Beim Klären von Interviews, Talkshows, dem Radio …
MZEE.com: Was denkst du, warum das so ist?
Disarstar: Weil die Leute einfach keine Eier haben, 'ne Haltung zu haben. Die schwimmen immer irgendwo in der Mitte. Das beste Beispiel ist Markus Lanz. Da setzen sich dann irgendwelche Leute hin – das kotzt mich an! Solche Neoliberalen. Und Markus Lanz selbst. Jeder von denen würde sagen: "Gewalt find' ich scheiße. Ich bin gegen Gewalt." Aber das ist so 'ne extrem oberflächliche Aussage. Sie sind nicht gegen die Gewalt, die der Polizist ausübt, der Oma Erna nach 50 Jahren aus ihrer Wohnung trägt, weil der Investor das Haus abreißen will, um Bürogebäude zu bauen. Sie haben nichts gegen Gewalt, die der Polizist ausübt, wenn er einen syrischen Familienvater aus seiner Wohnung trägt, in seine Heimat abschiebt und seine Familie hierlässt. Sie haben nichts gegen die Gewalt, die 'ne Krankenkasse ausübt, wenn sie nicht das Mögliche, sondern das Nötigste zahlt. Es ist so extrem oberflächlich. Und diese Leute kommen halt mit Haltung nicht klar. (grinst) Da könnte ich mich in Rage reden! Ich gucke das manchmal abends. Und ich raste aus.
MZEE.com: Glaubst du denn auch, dass Menschen Angst davor haben, in Interviews mit dir zu reden?
Disarstar: Die haben alle Angst vor 'ner Haltung. Die haben keinen Mut. Die haben eine Haltung, die sie sich bequem gemacht haben. Die rund geschliffen ist, die sie oft genug ausprobiert haben. Das heißt, sie simulieren 'ne Haltung, mit der alle d'accord sind. Aussagen wie: "Nazis find' ich doof." Das sind gute Aussagen – ich will nichts gegen die Aussage sagen. Aber es ist 'ne unreflektierte, oberflächliche Aussage. Und diese ganzen Leute trauen sich nicht, nur einen Millimeter weiterzugehen.
Houtan: Das ist halt der Unterschied zwischen RTL gucken und ARTE gucken …
Disarstar: Genau. Aber die halbe Gesellschaft ist halt RTL.
MZEE.com: Ich finde es erstaunlich, dass dir gerade in der Rapszene so oft Ablehnung entgegenkommt.
Disarstar: Andauernd. Was mir seit Jahren für Steine in den Weg gelegt werden. Richtig aktiv. Wenn ihr wüsstet, wie das ablief … Aber ich feier' das. Ich genieß' das. Ich fühl' mich richtig wohl in dieser Rolle und dieser Position. Vielleicht muss ich aber auch dazusagen: Bis zu 'nem gewissen Maße finden die Leute das alle gut. "Boah, er ist ja voll politisch. Voll hip und voll alternativ." Habt ihr die Single "Death Metal" gesehen? Die hab' ich genau für solche Leute gemacht, die ich eigentlich kritisier'. Bis zu 'nem gewissen Grad finden sie es cool. Aber ab da: Überhaupt nicht mehr.
MZEE.com: Gibt es auch Menschen, die gerne öffentlich mit dir über Politik reden?
Disarstar: Ja, Staiger oder so. Aber auch nicht richtig. Aber Staiger ist voll auf meiner Wellenlänge. In manchen Punkten nicht, aber in den meisten auf jeden Fall.
MZEE.com: Findest du, es sollte Pflicht sein, dass Musiker politisch sind?
Disarstar: Nein, find' ich nicht. Aber ich glaube, du kannst keine Musik machen, dich auf eine Bühne stellen oder irgendeine Kunstform machen, ohne politisch zu sein. Ich glaube, die Backstreet Boys sind derbe politisch. Weil die was repräsentieren, für was stehen, etwas sagen und auch etwas nicht sagen. Ich mein', alles ist politisch. Da kann man natürlich auch drüber diskutieren: Wo fängt Politik an? Wo hört Politik auf? Aber du kannst nicht nicht-politische Mucke machen. Und deswegen ist auch niemand gezwungen, das offensiv zu machen. Denn passiv ist jeder politisch.
MZEE.com: Gibt es in deinen Augen ein Positivbeispiel aus den letzten Monaten, in denen ein Rapper sich politisch geäußert oder politisch gehandelt hat?
Disarstar: Ich fand das ganze K.I.Z-Album richtig geil. Ich check' das ja seit Jahren. Aber plötzlich hört man aus allen möglichen Ecken: "Alter, die sind ja voll politisch." Als wenn man das nicht schon seit zehn Jahren wüsste. Das sind voll geile Jungs. Und das Album fand ich auch richtig geil.
Houtan: Ich hatte immer ein bisschen das Gefühl, dass Leute, die Interviews machen, denken: Disarstar ist der Rapper für die linken Konsumenten. Dabei ist er einfach nur ein MC, der politisch für alle spricht.
Disarstar: Es gibt einfach auch Sachen zwischen Himmel und Erde, da hat Politik nichts mit zu tun. Natürlich ist Politik etwas, das unsere Gesellschaft maßgeblich konditioniert und konstituiert – und damit ist unser Leben auch krass von Politik abhängig. Aber halt nicht ausschließlich. Es gibt Sachen, die völlig unabhängig davon funktionieren. Und ich will auch nicht so krass darauf reduziert werden. Da mach' ich dann wieder ganz andere Songs, mit denen ich mir Luft verschaff'. Immer, wenn ich das Gefühl hab', jetzt läuft alles in der Bahn, in der mich alle sehen wollen, mache ich etwas, womit keiner rechnet. Und hau' 'nen Lovesong raus, der voll kitschig ist. (grinst) Kenn' ich nix. Ich bin einfach ein sturer Typ, ne. Es ist nicht so, dass ich das marketingmäßig durchkalkulier', ich mach' das nach Gefühl. Und das ist dann halt meistens kontrovers und stur. Und vielleicht schwer nachvollziehbar.
MZEE.com: Wann hat denn das politische Interesse bei dir angefangen?
Disarstar: Mit 13 oder 14 eigentlich schon. Dann hab' ich ein paar Kurden auf meiner Schule kennengelernt, die derbe politisch waren. Und dann war ich mit 15 schon komplett durchagitiert.
MZEE.com: Und heute bist du Anfang 20?
Disarstar: 23.
MZEE.com: Erstaunlich, dass gerade jemand in deinem Alter schon mit am meisten für seine politischen Themen in der deutschen Rapszene auffällt.
Disarstar: Und trotzdem postet Hiphop.de dann alle fünf Tage: "Diese Rapper beziehen jetzt Stellung zur Flüchtlingsdebatte." Und da sind dann einfach so zehn Rapper, ey … (lacht) Ich mach' das Handy an, iterativ, immer wieder. Und find' da dann halt auch nicht statt. Sowas passiert regelmäßig. Ich möchte da gar keine böse Absicht unterstellen. Es kann auch wirklich sein, dass es Zufall ist.
MZEE.com: Das ist schon ein Zwiespalt. Natürlich könnte man einerseits sagen: "Es ist gut, denn da äußern sich jetzt endlich mal welche, die sich sonst nie äußern. Deswegen bekommen sie jetzt 'ne Plattform." Andererseits könnte ich es auch verstehen, wenn man sagt: "Lieber poste ich jetzt, dass Hans-Peter sich geäußert hat, weil er berühmt ist und das vielleicht eine positive Wirkung auf Leser hat …"
Houtan: Ich hab' das Gefühl, wenn es Kanaken – Leute meiner Herkunft – machen, ist es dann mega-interessant. Egal, wie sie es formulieren. Da scheinen dann die Spotlights drauf. Ich hab' aber bei meinen deutschen Freunden – egal, aus welcher Schicht – das Gefühl, das will man gar nicht diskutieren. Gerade in der Mittelschicht.
Disarstar: Es könnte ja sein, dass deine Haltung jemanden anpisst. Und darum lieber kleinmachen und rund bleiben. Und immer überall durchmogeln.
Houtan: Und dann bringst du krasse Rhymes plus politischen Inhalt und Flows auf einen Punkt – wenn du ein Mensch bist, der so 'ne schöne, heile Welt hat, dann kannst du dir das halt nicht geben. Dann stört dich das, dann willst du das weit weg halten. Weil die weißen Kids aus der Mittelschicht denken: "Dann lassen wir den Kanaken über Koks rappen." Und dann laut die Mucke aufdrehen, weil das berieselt und entertaint. Dann verändert sich die Welt auch nicht. Aber ich glaube, auch dieser Zug ist irgendwann abgefahren.
Disarstar: Das hast du richtig auf den Punkt gebracht: "Die weißen Jungs aus der Mittelschicht, die die Kanaken hören." Und das ja eigentlich auch künstlerisch nicht ernst nehmen. (überlegt) Das ist sogar rassistisch und chauvinistisch, wenn man einen Schritt weitergehen möchte. Dieser Hype, den man dann fährt. Das hat ja auch was mit 'nem Erhabenheitsgefühl zu tun: "Haha, guck mal. Der dumme Kanake."
MZEE.com: Das typische Thema, dass einem das Negative von anderen ein besseres Selbstwertgefühl gibt. Wie Fernsehsender gucken, auf denen nur Unsinn läuft, um sagen zu können: "Guck mal, mir geht's besser."
Disarstar: Das ist auch ein Problem. So rum funktioniert das dann. Aber es gibt auch die Situation, dass jemand was erzählt und es wird gesagt: "Ach, heul nicht rum." Wen ich da früher ganz schlimm fand – und da könnt' ich ihm echt für ein paar Zeilen in die Fresse hauen – ist F.R. Richtiges Klischee-weißes-Mittelschicht-Kind. Das sich anmaßt, darüber zu urteilen, ob jemand im Ghetto lebt oder nicht. Ob jemand broke ist oder nicht. Ob jemand Probleme hat oder nicht. Er kann ja auch recht haben. Aber das steht ihm einfach nicht zu … Das ist auch ein Problem in Deutschland. Meckern ist ja auch immer ein bisschen Beschweren. Und wenn man dann mal meckert und sagt: "Das und das find' ich scheiße!", dann kommt: "Ja, aber guck doch mal: die Kinder in Afrika." Ich sag' immer: Wenn du zu 'nem Therapeuten gehst und die Frau, die vor dir beim Therapeuten war, wurde von ihrem Mann verlassen, ihre Mutter hat sich umgebracht und sie steht kurz davor, sich 'ne Kugel in Kopf zu schießen … Dann wird dir der Therapeut trotzdem nicht sagen: "Jammer nicht rum. Der vor dir ging es viel schlechter!" Leid kann man halt nicht mit Leid vergleichen. Und das kann man auch nicht aufwiegen. Nur, weil ich in Deutschland im Verhältnis vielleicht besser leb' als ein großer Teil der Welt, heißt das nicht, dass ich mich über die Sachen, die in meiner Welt scheiße laufen, nicht aufregen darf.
MZEE.com: Noch mehr nervt mich das Gemecker von Menschen, die nicht bereit sind, in ihrem winzig kleinen Kosmos etwas zu verändern.
Disarstar: Das ist aber Deutsch. Das ist Meckern aus Leidenschaft. Da geht's nicht darum, irgendeinen Anspruch zu haben. Da geht's nur darum, den Zeigefinger zu erheben und den Dicken zu machen. (überlegt) Ich bin weiß Gott kein Antideutscher, aber ich bin den Deutschen gegenüber oft genug am rassistischsten. Es liegt einfach am nächsten. Es gibt ein Zitat, das lautet: "Du kannst etwas, was du liebst, nur kritisieren." Oder, was dein ist. Sagen wir mal, du bist Moslem und feierst die ganze Zeit den Islam komplett ab. Ohne ihn zu hinterfragen, zu kritisieren, zu reflektieren. Dann liebst du ihn auch nicht. Du kannst als Moslem das Christentum lieben und sagen: "Ey, das ist 'ne geile Idee!" (grinst) Das ist vielleicht nicht der beste Vergleich und ich komm' derbe vom Thema ab. Aber: Ich hasse viele Klischee-Deutsche, die ich kenn'. Wenn ich Houtan frage, ob er mir 'nen Fuffi gibt, damit ich mir bei McDonald's ein paar Cheeseburger holen kann, dann gibt er mir 'nen Fuffi. Und er wird mich innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht fragen, ob ich ihm den Fuffi zurückgeb': Ich werde ihm den aber einfach wiedergeben, wenn's soweit ist. Und dann kenn' ich so Henriks, die zwei Tage später einen Euro fünfzig wiederhaben wollen. (überlegt) Das ist schon rassistisch, oder? Darf ich das als Deutscher sagen?
Houtan: Man darf doch sagen, was man denkt?!
Disarstar: Hm, ist das nicht schon wieder so pseudo-deep hochgekocht?
MZEE.com: Das wirst du ja lesen, wenn du die 30 Seiten, die du uns gerade erzählt hast, mal vor dir hast. (alle lachen) Kommen wir noch mal auf ein anderes Thema: Dieses Jahr steht die Bundestagswahl an. Interessiert dich das?
Disarstar: Ja, das interessiert mich dieses Mal schon. Es würde mich nicht interessieren, wenn die AfD nicht im Spiel wäre. Die Linke, SPD, FDP, Grüne – mittlerweile haben die sich alle angebiedert. Das ist ja alles Konsens. Die Grünen waren ja irgendwann mal 'ne pazifistische Partei. Heute stellt sich Cem Özdemir hin und sagt: "Die Grünen waren nie eine pazifistische Partei." Und pisst damit einfach mal im Vorbeigehen auf die Leute, die diese Partei überhaupt ermöglicht haben.
Houtan: Meine Mama sagt: "Politik ist Mafia."
Disarstar: Ist es auch. Unterm Strich ist es einfach das. Ich halte ja vom Kapitalismus als solches nichts. Ich glaub', es gibt keinen guten und keinen schlechten. Ich glaube nicht, dass man ihn reformieren kann und vor dem Hintergrund ist der ganze bürgerliche Parlamentarismus 'ne Farce. Ich glaub' nicht an tatsächliche Demokratie in diesem Land. Denn du kannst wählen, was du willst: Es ändert sich nichts. Du kannst die Illusion haben, Linke wählen … Im Endeffekt: Bis auf dass es ihm (Houtan, Anm. d. Red.) wahrscheinlich schlechter geht und anderen Kollegen von mir auch, wird sich auch durch die AfD nicht großartig was verändern. Durch Trump wird sich auch nicht großartig was verändern. Trump mäßigt sich ja jetzt. Aus der Mauer ist ein Zaun geworden. Vielleicht werden aus dem Zaun nur Grenzkontrollen. Es ändert sich nichts. Du kannst noch so viel Haltung haben. Trotzdem: Immer wählen gehen. Und seinen Wahlzettel ungültig machen. Weil: "Wählen ist wie Zähne putzen. Wenn man's nicht macht, wird's braun."
MZEE.com: Du hast vor zwei Jahren gesagt, dass du dir keine Nachrichten mehr ansehen würdest. Woran lag das und hat sich das bis heute wieder geändert?
Disarstar: Ich fand das teilweise so übertrieben albern. Das ist mittlerweile schon so plakativ, dass ich das gar nicht mehr ansprechen möchte. Jetzt hat hier wieder irgendein Kindermörder Kinder umgebracht. Der ist Christ. Steht das irgendwo? Wenn ein Moslem das macht, ist es das erste Wort, das in einem Artikel fällt. So sind Medien einfach. In neun von zehn Fällen. Da kann man nicht mal 'nen richtigen Vorwurf draus machen, denn: Du kannst nicht objektiv schreiben. Das geht gar nicht. Du bist sozialisiert. Du hast einen Standpunkt, du stehst und lebst irgendwo in der Welt … Wenn, dann gucke ich mir das an, weil ich mein', ich hätte den Masterplan, um irgendwas zu entschlüsseln. Sie sagt das und ich denke mir: "Ah, okay, das ist grad Phase." Zum Beispiel Ukraine: "Wir wollen die Ukraine befreien. Okay, wer unterjocht sich die Ukraine – Russland oder die EU?" Bei sowas zum Beispiel find' ich Nachrichten dann unterhaltsam. Aber vom Ding her Käse.
MZEE.com: Zum Abschluss: Wenn du dir eine Sache in Bezug auf die deutsche Rapszene wünschen dürftest, die morgen in Erfüllung geht – welche wäre das?
Disarstar: Oh. Ich würde mir wünschen, dass es beim Erfolg von Rap wieder um Skills geht. Punkt.
(Florence Bader und Laila Drewes)
(Fotos von Marcel Schaar)