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Interview

Betty Ford Boys

"Die Leu­te den­ken immer, wir hät­ten irgend­ei­nen Plan oder so. Wir machen ein­fach Mucke und freu­en uns, wenn das Leu­te fei­ern." – Die Bet­ty Ford Boys im Inter­view über den Ablauf ihrer Live-​Auftritte, den Sound ihrer anste­hen­den drit­ten Plat­te und Yung Hurn.

Ein rich­tig gutes Fes­ti­val zeich­net aus, dass es auch spät nachts beim letz­ten Act noch prop­pen­voll und die Stim­mung auf dem Sie­de­punkt ist. Wer das sicher­stel­len will, lädt am bes­ten die Bet­ty Ford Boys ein. So pas­siert zuletzt auf der Tape­fa­brik in Wies­ba­den. Dabei ist das Erfolgs­re­zept von Dex­ter, Suff Dad­dy und Brenk Sina­tra seit Jah­ren das glei­che. Um das Publi­kum zu begeis­tern, braucht es weder Rap­per noch auf Mas­sen­taug­lich­keit kal­ku­lier­te Hits, son­dern ein­fach nur Beats  mal tro­cken in die Fres­se, mal laid-​back und ent­spannt. Vor ihrem Gig auf der Tape­fa­brik haben wir uns mit den Bet­ty Ford Boys zu einem Gespräch getrof­fen. Wir unter­hiel­ten uns mit den drei Pro­du­cern unter ande­rem über den Sound der anste­hen­den drit­ten Plat­te, Yung Hurn und Dex­ters Rapaus­flü­ge wäh­rend Beat-Sets.

MZEE​.com: Fan­gen wir mit einem klei­nen Gedan­ken­spiel an: Wel­che Fähig­keit hät­tet ihr ger­ne vom jeweils anderen?

Suff Dad­dy: Die bei­den sind auf jeden Fall viel per­fek­tio­nis­ti­scher als ich, zum Bei­spiel was das gan­ze Arran­ge­ment angeht.

Dex­ter: Ich hät­te dafür lie­ber dei­ne Leich­tig­keit und wär' gern weni­ger ver­bis­sen, was man­che Sachen angeht. Gera­de das Nicht­per­fek­tio­nis­ti­sche ist das Gei­le an dir.

Suff Dad­dy: Und ich mag das Per­fek­tio­nis­ti­sche an dir. Und auch an Brenk.

Brenk Sina­tra: Im Prin­zip ist es ja aber genau das: Alle drei ergän­zen sich zu einem gro­ßen Hau­fen. Das passt schon so.

MZEE​.com: Blickt man in die Psy­cho­lo­gie, stellt man fest, dass inner­halb von Grup­pen jeder auto­ma­tisch eine Rol­le ein­nimmt, in der er sich wohl­fühlt. Wie wür­det ihr eure Rol­len inner­halb der Grup­pe beschreiben?

Brenk Sina­tra: Kennst du "West Side Con­nec­tion"? The Gangs­ter, the Kil­ler and the Dope­dea­ler. So ist das bei uns. (alle lachen)

Dex­ter: Ganz am Anfang war auf jeden Fall Suff Dad­dy der Dude, der das Mikro­fon in die Hand neh­men muss­te, weil kei­ner von uns Bock hat­te, irgend­was zu labern. Irgend­wann hab' ich das so ein biss­chen über­nom­men. Aber jetzt ist eigent­lich Brenk der Typ. Und der hat vor­her auf der Büh­ne nie ein Mikro angefasst.

Brenk Sina­tra: Ich hab' ohne Scheiß bei den ers­ten zehn bis zwan­zig Auf­trit­ten nur auf den Boden geguckt. Ich woll­te gefühlt nur heim, weil mir das Live­spie­len voll auf den Sack gegan­gen ist. Ich bin halt kein Fan von Men­schen. Mitt­ler­wei­le ist es für mich aber auch ganz nor­mal. Ich hab' mir noch am Anfang stän­dig Gedan­ken dar­über gemacht, ob sich irgend­wer lang­weilt. Des­halb hab' ich immer auf den Boden geschaut.

Dex­ter: Unab­hän­gig von unse­ren Rol­len ist es auf jeden Fall ein Vor­teil, dass wir zu dritt sind. Ges­tern bin ich zum Bei­spiel allei­ne auf­ge­tre­ten und ich hat­te kei­ne ande­re Wahl, als mich hart zu betrinken.

Suff Dad­dy: Das ist das Ding: Es ist jedes Mal ein ganz ande­res Fee­ling als allein. Da hat­te ich zwar auch schon gei­le, aber auch sehr ein­sa­me Aben­de, bei denen du mit komi­schen Leu­ten in einem Club rum­stehst, der schei­ße ist, mit 'nem Hotel, das kacke ist, ohne Rück­zugs­raum, kein Back­stage … Da fragst du dich auch, wie­so du das eigent­lich machst. (lacht)

MZEE​.com: Bei euren Auf­trit­ten herrscht jeden­falls eine sehr gemüt­li­che, fami­liä­re Atmo­sphä­re – ihr schenkt ab und an Schnaps aus und Fans kön­nen mit euch auch in Aus­tausch tre­ten. Ist euch das wich­tig oder hat sich das ein­fach so ergeben?

Dex­ter: Die Atmo­sphä­re emp­fin­de ich auf jeden Fall auch so. Ich bin ja auch ein har­mo­nie­be­dürf­ti­ger Mensch.

Brenk Sina­tra: Ich bin Bone Thugs und er ist Harm­o­ny. Genau das ist die Sym­bio­se aus allem. Ich has­se Men­schen, sie lie­ben Men­schen. (grinst) Groß geplant ist da jetzt nichts. Ich find' das aber auf jeden Fall cool, dass du das mit­be­kom­men und so wahr­ge­nom­men hast. Schön, dass das so rüberkommt.

MZEE​.com: Wie genau läuft so ein Set aus eurer Sicht eigent­lich ab? Wie viel ist geplant oder eben nicht?

Suff Dad­dy: Wir machen uns eigent­lich über nichts Gedanken.

Dex­ter: Die Leu­te den­ken immer, wir hät­ten irgend­ei­nen Plan oder so. Wir machen ein­fach Mucke und freu­en uns, wenn das Leu­te feiern.

Brenk Sina­tra: Wir haben natür­lich Sachen, die wir immer spie­len. Aber wann die kom­men, weiß kei­ner. Wir spie­len immer alles durcheinander.

Dex­ter: Wir haben auch noch nie geprobt oder so.

Brenk Sina­tra: Kei­ner weiß, ob einer von den ande­ren ges­tern einen Beat gemacht hat und den zum ers­ten Mal spielt. Das ist für uns auch überraschend.

MZEE​.com: Wie stimmt ihr euch dann ab?

Brenk Sina­tra: Im Nor­mal­fall weiß ich halt, was so pas­siert, wenn der ande­re einen bestimm­ten Beat spielt, den er schon ein paar Mal gespielt hat. Ich weiß nicht, ob er kommt und wann er kommt, aber wenn er kommt, weiß ich schon, wann er endet und so weiter.

Dex­ter: Das funk­tio­niert auch fast immer.

Brenk Sina­tra: Zu 95 Pro­zent. Außer wir sind zu betrunken.

Dex­ter: Wir reagie­ren natür­lich dar­auf, wel­che Tracks die ande­ren spie­len. Wenn einer anfängt, irgend­was von "Retox" raus­zu­hau­en, dann bleibt man halt erst mal bei dem "Retox"-Ding. Dann kom­men wie­der ein paar Remi­xe oder sonst etwas. Es ist an jedem Abend anders. Das ist auch gut so, sonst lang­wei­len wir uns irgend­wann selber.

MZEE​.com: Brenk, du hast in letz­ter Zeit immer wie­der Props an Yung Hurn ver­teilt. Was macht sei­ne Musik für dich aus?

Brenk Sina­tra: Ich per­sön­lich fei­er' an ihm, dass er ein­fach macht, was er will. Ein­mal singt er, dann macht er rück­wärts alba­ni­schen Rap, das ist ein­fach cool. Man kann davon hal­ten, was man will, aber er ist unter­halt­sam. Und ich find', Rap darf auch unter­halt­sam sein. Außer­dem: Es gibt ja nicht nur eine Art von Rap. Es gibt tau­send Arten, was auch gut so ist. Zum Glück gibt's nicht nur hän­gen­ge­blie­be­nen Scheiß und nicht nur Rap über Mol­lys. Ich bin irgend­wo dazwi­schen. Ich mag' ganz links nicht und ich mag' ganz rechts nicht, das irgend­wo dazwi­schen mag' ich.

Suff Dad­dy: Gren­zen über­schrei­ten find' ich auf jeden Fall cool. Und dafür steht Yung Hurn. Das find' ich gei­ler, als wenn Leu­te ihr hän­gen­ge­blie­be­nes 90er-​HipHop-​Ding wei­ter­tra­gen. Ich kann von Yung Hurn jetzt nicht alles hören, aber die Ein­stel­lung ist trotz­dem geil. Ich find's immer cool, wenn Leu­te Spaß in ihrem Leben haben und das merkt man ihm defi­ni­tiv an.

Brenk Sina­tra: Und alle strei­ten sich dar­um, ob es cool ist oder nicht. Allein dadurch hat er schon alles erreicht, was er will. Außer­dem kommt er aus mei­nem Wie­ner Bezirk. Da muss ich ja eh Props geben.

Dex­ter: Ich find' ihn auch sympathisch.

betty ford 1

MZEE​.com: Fin­det ihr, dass Öster­reich Deutsch­land musik­tech­nisch immer wie­der vor­aus ist, wie es ja oft berich­tet wird?

Suff Dad­dy: Die Kar­ten wur­den eh total neu gemischt. Yung Hurn ist da ja nur "on top of the movement".

Brenk Sina­tra: Ich denk' schon, dass Öster­reich da etwas vor­ne ist. Auch in den 90ern haben sich schon vie­le Leu­te an Wien ori­en­tiert. Kru­der & Dorf­meis­ter haben eine gan­ze Gene­ra­ti­on mit ihrem Sound geprägt. Wenn wir nicht aus Wien aus­bre­chen wür­den, könn­ten wir, glaub' ich, auch nie davon leben. Aber es schlägt schon Wel­len, wenn der Sound von Künst­lern aus Wien dann in ande­ren Län­dern ankommt.

Suff Dad­dy: Ich glau­be, wenn man ein­mal aus Öster­reich aus­bricht, dann gibt’s kei­nen Stopp mehr. Fal­co, Kru­der & Dorf­meis­ter, Bil­der­buch, die­ser Brenk …

Brenk Sina­tra: Brenk, genau. (alle lachen)

MZEE​.com: Ihr sitzt an eurem lang­erwar­te­ten drit­ten Album. In wel­che Rich­tung geht der Sound? Knüpft die Plat­te an die vor­he­ri­gen an oder kommt etwas ganz anderes?

Suff Dad­dy: Es ist zwar noch nicht ganz fer­tig, des­halb kann man es nicht kom­plett beschrei­ben, aber es knüpft schon an die Vor­gän­ger an. Ich denk', so ein biss­chen "hau drauf"-mäßig wer­den die Bet­ty Ford Boys immer bleiben.

Dex­ter: Na ja, "hau drauf"-mäßig war ja mehr das zwei­te Album "Retox". Das ers­te Album fand ich eigent­lich eher smooth. Auf dem zwei­ten Album waren ein paar Sachen schon rabiater.

Brenk Sina­tra: Aber auch des­halb, weil wir zu der Zeit begon­nen haben, mehr live zu spie­len, und gemerkt haben, wel­che Beats live funk­tio­nie­ren. Für "Retox" haben wir uns dann ja zum ers­ten Mal in der Fischer­hüt­te eingeschlossen.

Dex­ter: Genau, "Retox" war schon sehr auf live aus­ge­legt. Das ist jetzt auf der neu­en Plat­te nicht zwangs­läu­fig so. Der Vibe ist nicht mehr so aggressiv.

MZEE​.com: War es also damals ein bewuss­ter Schritt, "Retox" mehr für die Live-​Richtung zu produzieren?

Suff Dad­dy: Wir haben uns damals ja für zehn Tage ein­ge­schlos­sen und hat­ten dann auf jeden Fall nicht den Plan, total ruhi­ge, smoo­t­he Sachen zu machen.

Brenk Sina­tra: Haben wir aber schon auch gemacht.

Suff Dad­dy: Klar, aber wir hat­ten schon die Shows vor Augen.

Dex­ter: Wir waren vor­her ja zum aller­ers­ten Mal auf Tour. Das war, glaub' ich, das ers­te Mal, dass Beat-​Producer in Deutsch­land in der Art auf Tour gegan­gen sind. Dann haben wir uns über­legt, ob wir das gan­ze Ding ein biss­chen par­ty­mä­ßi­ger gestal­ten kön­nen – also weg von die­sem "ein­fach nur chil­li­ge Beats abspielen".

Brenk Sina­tra: Nicht falsch ver­ste­hen, wir saßen nicht da und haben gesagt: "Wir brau­chen jetzt die Party-Drums!"

Dex­ter: Nee, das natür­lich nicht. Aber wir waren halt schon gehypt von der Tour. Das war für uns auch ein­fach eine gei­le Zeit, die mit­ge­schwun­gen und in die Plat­te ein­ge­flos­sen ist.

MZEE​.com: Zurück zum Klang der neu­en Plat­te – ver­mut­lich kann man schon auch mit neu­en Sounds von euch rechnen.

Brenk Sina­tra: Es sind auf jeden Fall ein paar Über­ra­schun­gen dabei, die man von uns nicht so ganz erwartet.

Dex­ter: Jeder von uns hat sich ja sound­mä­ßig auch wei­ter­ent­wi­ckelt. Das wird wie­der alles neu zusam­men­flie­ßen. Es wird aber natür­lich kein Trap-​Album. (grinst)

Brenk Sina­tra: Aller­dings kann eben auch so etwas dabei sein. Aber halt mit unse­rem Touch. Wir neh­men kei­ne 08/15-"Ich mache jetzt Trap-Beats"-Schablone. Wenn, dann gibt es "Bet­ty Ford Boys-Trap".

Suff Dad­dy: Um es kurz zu sagen: Wir wis­sen es selbst noch nicht so genau. (grinst)

MZEE​.com: Sound­tech­nisch sorg­te zuletzt zum Bei­spiel das neue Album von Mäd­ness & Döll für Über­ra­schung. In den Beats waren vie­le Ein­flüs­se, die man so viel­leicht nicht erwar­tet hät­te. Da sind bei­spiels­wei­se auch Ele­men­te aus Trap eingeflossen.

Dex­ter: Ich hab' ja auch einen Track dar­auf pro­du­ziert. Das ist auf jeden Fall kein Boom bap-​Beat. Trap ist es aber auch nicht. Das ist ja unser Ansatz von Musik. Wir den­ken nicht so in Schub­la­den, son­dern haben ein­fach Bock, die ver­schie­dens­ten Ele­men­te ein­flie­ßen zu lassen.

Brenk Sina­tra: Kei­ner von uns hört zu Hau­se irgend­ei­nen klas­si­schen Boom bap-​Shit. Das kann ich dir tau­send­pro­zen­tig sagen.

Dex­ter: Also, ich hab' erst letz­te Woche "The Infa­mous" von Mobb Deep gehört …

Suff Dad­dy: Das musst du doch erst bei uns anmel­den. (lacht)

Brenk Sina­tra: Für mich per­sön­lich ist Mobb Deep gar kein Boom bap.

Dex­ter: Es geht ja auch mehr um die­se aus­ge­lutsch­ten Party-​Boom bap-​Tracks, die jeder 90er-​DJ auf­legt. Das geht uns halt auf den Sack. Und damit haben unse­re Beats nichts zu tun.

Brenk Sina­tra: Auf jeden Fall fließt in unse­re Musik viel von dem ein, was wir gera­de hören. Vor allem, wenn wir uns für die Pro­duk­ti­on in irgend­ei­ne Hüt­te ohne Inter­net ein­schlie­ßen. Da wird es zum Bei­spiel auch tem­po­tech­nisch ein paar Über­ra­schun­gen geben. Aber mehr brau­chen wir auch noch nicht zu ver­ra­ten. Es gibt noch vie­le Bau­stel­len und vie­les wis­sen wir noch gar nicht.

Suff Dad­dy: Es wird mehr so Housie-​UK-​Garage-​mäßig. (lacht)

MZEE​.com: Zum Abschluss – Brenk und Suff Dad­dy, ganz ehr­lich: Was geht in euch bei­den vor, wenn Dex­ter beim Auf­tritt das Mic in die Hand nimmt und anfängt zu rappen?

Dex­ter: Ich frag' mich auch manch­mal, was bei euch im Kopf vorgeht.

Suff Dad­dy: Wir lie­ben das. Er ist der bes­te Rap­per unse­rer Crew, deshalb.

Dex­ter: Ich den­ke mal, wenn die Jungs ein Pro­blem damit hät­ten, wür­den sie es mir wahr­schein­lich sagen.

Brenk Sina­tra: Das glaubst du.

Dex­ter: Das wär' mir dann aber auch egal. Das ist halt so, als ob man kurz pis­sen muss … dann muss man halt rap­pen. (grinst)

MZEE​.com: Wel­che Gedan­ken hast du denn dabei?

Dex­ter: Hof­fent­lich ver­kack' ich mei­nen Text nicht.

Suff Dad­dy: Ich muss sagen, ich bin ja nei­disch. Ich kann sowas gar nicht. Ich find's voll geil.

Dex­ter: Wäh­rend unse­rer Sets halt' ich das aber schon auch klein, das mach' ich mal kurz am Ende. In mei­nen Solo-​Sets mach' ich das öfter. Der Fokus liegt bei uns ja auf den Beats.

Suff Dad­dy: Du bist unse­re Geheimwaf­fe am Ende.

(Sven Aum­il­ler und Alex­an­der Hollenhorst)