Brisk Fingaz
Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Soundcheck eine Hilfestellung bieten. Producern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Dein Leben hat dich bereits relativ früh an die Turntables geführt und mit gerade mal 16 Jahren hast du schon die ersten Beats produziert. Wann und wie genau bist du HipHop erstmals begegnet?
Brisk Fingaz: Ich habe mich erst sehr für Graffiti interessiert und da meine ersten Versuche gehabt. Bis aufs Taggen ist aber nicht viel bei mir hängengeblieben. Ich habe dann relativ schnell gemerkt, dass es nicht gerade meine Stärke ist. Ich bin zwar sehr oft bomben gewesen, aber habe dabei den typischen Aufpasser-Job übernommen. Durch die Fanta 4 konnte man im normalen Fernsehen das Scratchen sehen und ich fand das megageil. Natürlich hatte ich schon Bock, das auch selbst auszuprobieren. Als ich einem Kumpel ein bisschen was vorgescratcht habe, sagte er mir, dass in seiner Schule ein paar Klassen über ihm ein DJ wäre, der es voll drauf hat – und er machte mich mit ihm bekannt. Das war DJ CSP, der mir die ganzen Grundtechniken beibrachte und durch den ich dann auch an viel mehr Musikwissen gekommen bin. Obwohl ich schon die beiden ersten Alben von Cypress Hill oder "Doggystyle" von Snoop Dogg hatte, kannte ich sonst so gut wie nichts. Durch "Freestyle" auf VIVA konnte man dann endlich mal etwas anderes als die Fantastischen Vier sehen. Da waren die ganzen Ami-Underground-Videos oder deutsche Gäste wie MC Rene, F.A.B., Too Strong et cetera. Das war schon eine geile Zeit … Da wurde HipHop als Kultur noch ganz großgeschrieben.
MZEE.com: Azad, Casper, King Orgasmus One, Manuellsen und auch Kool G Rap sind in der Liste deiner Produktionen zu finden. Gibt es bei dieser Menge an unterschiedlichen und auch namhaften Künstlern überhaupt noch Rapper, die du unbedingt mal auf einem deiner Beats hören möchtest?
Brisk Fingaz: Natürlich gibt es immer Künstler, für die ich gerne mal etwas produzieren würde. Auch in Deutschland gibt es da noch einige. Aber extrem Bock hätte ich auf jeden Fall auf M.O.P. und Mobb Deep. Die mal auf meinen Beats zu hören – das wäre schon ein Träumchen!
MZEE.com: Wenn man so früh bereits seine Leidenschaft für Musik entdeckt hat, stellt sich die Frage, ob es als Kind mal einen anderen Berufswunsch gab? Oder war dir schon immer klar, dass du Produzent werden möchtest?
Brisk Fingaz: Es ist mittlerweile schon so lange her, dass ich ein Kind war, dass ich nicht mal mehr sagen könnte, was ich damals gerne werden wollte. Aber bestimmt sowas Typisches wie Polizist oder so 'n Müll. Ich hatte auch nicht den Traum, Musikproduzent zu werden, sondern einfach Bock drauf. Und dann wollte ich mir einen Namen machen mit DJing oder dem Produzieren von Beats. Das war das typische HipHop-Denken: Man wollte sich einfach Fame verdienen. Erst mit dem Alter und dem "normalen" Leben denkt man übers Geldverdienen nach und darüber, dass man Musik als Beruf ausüben möchte. Um von dem, was man liebt, auch leben zu können.
MZEE.com: Auf deiner Facebook-Seite gibt es Einblicke in deinen Arbeitsprozess bei aktuellen Produktionen und du präsentierst stellenweise dein Werkzeug wie beispielsweise Programme, die du verwendest. Kannst du dich noch an deine erste DAW erinnern? Welche verwendest du heute?
Brisk Fingaz: Ich hatte schon damals mit Samplitude angefangen, Beats zu machen. Das war 1996 und ich meine, dass es Samplitude 3 war. Kostete, glaube ich, um die 600 oder 700 Mark, also schon echt nicht so wenig Geld für ein Hobby. Damals hatten die PCs keine große Leistung und so konnte man, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, maximal acht oder zwölf Spuren öffnen und nichts mit Effekten oder sonst was. Man konnte noch nicht mal eine BPM-Zahl einstellen. Ich kann mich auch dran erinnern, wie mir Falk Schacht sagte, dass das voll wack und der Sampler das Einzige sei, womit man Beats macht – und es auch immer so bleiben wird. Dann wetteten wir und ich sagte, dass der PC die Zukunft sei und bald alle auf dem PC produzieren werden. Ich würde mal behaupten, dass ich, abgesehen von MPC-Produzenten, wohl gewonnen habe. (lacht) Natürlich habe ich auch andere DAWs ausprobiert, bin aber immer bei Samplitude geblieben, da es für mich einfach die beste ist. Ansonsten benutze ich noch die MPC Renaissance, aber eher zum Kombinieren mit Samplitude oder einfach nur zum Rumspielen.
MZEE.com: Sieht man sich deinen Wikipedia-Eintrag an, fällt schnell auf, wie viele Beats du produziert und welchen Beitrag du zur Szene geleistet hast. Dennoch scheinen Produzenten auch im Musikjournalismus oft eher benachteiligt zu werden. Bist du zufrieden damit, wie Producer in der hiesigen Rapszene wahrgenommen werden?
Brisk Fingaz: Na ja, ich glaube, solange die Rapper uns nicht krass pushen, tun es die Medien auch nicht wirklich. Es gibt ein paar, die das Glück haben, große Namen als Freund oder festen Kunden zu haben – und die somit auch gut gepusht werden. Ich selbst habe nie einen Rapper gebeten, mal etwas Welle zu machen. Sei es, mich bei Facebook zu verlinken, um "Gefällt mir"-Klicks zu bekommen oder irgendeinen anderen Vorteil davon zu haben. 2006 hatten STI, Shuko, Monroe und ich ein vierseitiges Special in der JUICE. Das war damals etwas richtig Großes und hat uns auf jeden Fall sehr supportet. Ich glaube, dass es sowas bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Nur kommt sowas einfach nicht wirklich häufig vor. Ich glaube, dass Produzenten eher als Mittel zum Zweck gesehen werden. Sowohl von den Rappern selbst als auch von den Medien. Wir sind austauschbar und in ihren Augen nicht relevant genug. Der Rapper ist der Star. Dafür genießen wir Produzenten natürlich mehr Freiheit und können uns unbemerkt im Alltag bewegen. Ich denke, es hat Vor- und Nachteile.
(Daniel Fersch & Lukas Päckert)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
(Foto von Nassim Hasan)
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