Ein deutsches Sprichwort sagt: "Gegensätze ziehen sich an." Auf den ersten Blick ist es bei Falk Schacht und Jule Wasabi, die sich für einen Podcast bei PULS vom Bayerischen Rundfunk zusammengetan haben, genauso. Der eine ist seit 1994 in der deutschen Rapszene unterwegs und tauchte dort als Journalist, Moderator und DJ auf. Vielen Rapfans dürfte Falk Schacht durch sein Auftreten bei VIVA und dem Online-Format "Mixery Raw Deluxe" ein Begriff sein. Die andere ist 24 Jahre alt und seit zwei Jahren im deutschen Rap aktiv. Erst war Jule Wasabi Mitglied von Rap-ist und wechselte schließlich zur "Disslike"-Redaktion, deren Leitung für den Bereich Rap sie mittlerweile innehat. Blickt man auf die harten Fakten, trifft das Sprichwort vollkommen zu, doch aus ihrer gemeinsamen Leidenschaft für Rap machen Jule und Falk nun einen Podcast. Über ebendiesen hat unser Redakteur Fabian Thomas mit den beiden gesprochen. So geht es im Interview um das Format an sich sowie die Entstehungsphase und die ersten Gehversuche. Neben dem politischen Einfluss deutscher Rapper sprachen Falk und Jule ebenfalls über Gegensätze – und zwar über den unterschiedlichen Umgang mit Hate. Während sich Fans vor allem bei Künstlern äußern, greifen diese heutzutage selbst eher Journalisten an.
MZEE.com: Ihr habt kürzlich den Podcast "Schacht & Wasabi" gestartet. Dieses Medium ist im Vergleich zum Video – speziell auf YouTube – älter und unbekannter; richtig prominent für eine breitere Masse wurde es "nur" durch "Fest & Flauschig" von Jan Böhmermann und Olli Schulz. Warum habt ihr euch letztendlich für dieses Format entschieden?
Falk Schacht: In Deutschland wurden Podcasts nie vernünftig angegangen. Das liegt vielleicht daran, dass eine Talkradio-Kultur in diesem Sinne in Deutschland nicht existiert. Die Amerikaner haben Talkradio und Podcasts sind am Ende ja nur die moderne Variante davon. Deswegen haben die dort wahrscheinlich auch eine höhere Akzeptanz. Zu versuchen, das Ganze nach Deutschland zu übertragen, finde ich eine gute Idee. Ich habe mir schon länger Talkradio-Formate gewünscht, aber es kommt jetzt erst so langsam. Es wird zwar immer über Schulz und Böhmermann gesprochen, ich persönlich sehe die Wurzeln aber woanders. Und zwar in der Kindheit, wenn Leute mit Hörspielgeschichten aufwachsen. Ich kenne so viele Leute, die "Die drei ???" zum Einschlafen hören. Und auf diesen Bedarf reagieren jetzt auch Firmen. Unternehmen wie Audible von Amazon bieten Hörbücher und Podcasts an. Wir sind also nicht die Einzigen, die die Idee hatten oder es gut finden.
MZEE.com: Glaubt ihr nicht, mit einem Videoformat wärt ihr noch näher am Hörer gewesen, weil man sieht, wie ihr miteinander kommuniziert und umgeht?
Jule Wasabi: Ich finde, das Videoformat lenkt oft ab, und ich glaube auch nicht, dass wir das brauchen, um eine gechillte Diskussion zu führen.
Falk Schacht: Mir ist es oft genug passiert, dass die Leute gesagt haben: "Ey, krass, du machst doch immer diese Interviews." – "Ja?" – "Ja, ich höre mir die immer an." – "Wie, du hörst dir die immer an?" – "Ja, ich lass' die nebenher laufen und hör' mir die an." Und dann habe ich mich schon gefragt: "Okay, warum filmen wir das eigentlich alles mit?" Außerdem höre ich hinter den Kulissen seit zwei bis drei Jahren den Wunsch nach einem HipHop-Podcast. Wir gehören nur zu den Ersten, die dieses Thema angehen. Ich versteh' schon, wenn du sagst, dass du gerne sehen würdest, wie die Reaktionen sind, aber wer weiß – vielleicht kommt das noch alles. Erst mal fangen wir mit einem Podcast an.
MZEE.com: Es ist tatsächlich so. Ich mache das bei Interviews auch und euren Podcast habe ich nebenbei auf der Arbeit gehört. Ein Bild brauchte ich da nicht.
Falk Schacht: Okay, krass.
MZEE.com: Darüber hinaus würde mich interessieren, wie es zu der Zusammensetzung der Moderatoren kam? Wer hatte die Idee und wer hat wen angerufen und gefragt, ob Lust und Zeit vorhanden sind?
Falk Schacht: Der Startpunkt war die Idee von Kevin Schramm von PULS, der zu den Leuten gehört, die hinter den Kulissen einen Podcast haben wollten. Er hat bei Twitter dann – wirklich ins Blaue hinein – gefragt, wer Lust zu sowas hätte. Daraufhin haben sich einige Leute gemeldet und davon sind Jule und ich übrig geblieben. Sehr kurz und ganz schön unromantisch.
MZEE.com: In Bezug auf die Auswahl der Moderatoren interessiert mich, ob bewusst ein Mann und eine Frau in unterschiedlichen Altersgruppen mit unterschiedlichem Background gewählt wurden?
Falk Schacht: Für das, was am Ende dabei rauskommen soll, haben wir am besten funktioniert und zusammengepasst. Jule und ich kennen uns auch schon eineinhalb Jahre und das fließt sicher dabei ein, dass wir eine gute Chemie haben.
MZEE.com: In der ersten Folge ging es – bis auf einen Ausflug in den Sport – ausschließlich um Rap. Wird es dabei bleiben oder wollt ihr zum Beispiel politische oder gesellschaftskritische Themen aufnehmen?
Jule Wasabi: Ich meine, wenn man über Rap redet, wird es automatisch gesellschaftskritisch und sicher auch mal politisch. Ich finde es wichtig und cool, wenn man diesen Bezug herstellt. Es soll grundsätzlich natürlich um Rap gehen, aber es wird immer vorkommen, dass wir in andere Themengebiete abdriften. Es wird allerdings immer so sein, dass wir zu Rap zurückkommen.
Falk Schacht: Ich meine ganz konkret, wir zeichnen morgen die nächste Sendung auf und dort haben wir zwei Punkte, die ich nicht vorweggreifen möchte, weil wir ja morgen im Podcast darüber reden wollen und die Reaktion sollte ja spontan sein. Aber da geht es auch um politische Themen. Was Jule und ich dann dazu besprechen – keine Ahnung, aber als Thema ist es da.
MZEE.com: Es gab vor ein paar Monaten den Fall, dass KISS FM dem "Nazi-Rapper" Makss Damage eine Plattform gegeben hat. Kommt es für euch infrage, sich damit zu beschäftigen und ihn vielleicht sogar als Gast einzuladen?
Falk Schacht: Puh … (überlegt) Sagen wir mal so: Sich damit zu beschäftigen, dass sowas existiert, will ich nicht ausschließen. Und wenn es interessant, wichtig und tagesaktuell ist, kann das ein Thema sein. Jemanden einzuladen und darüber zu reden, finde ich extrem schwierig und kompliziert, wie man an dem Beispiel KISS FM gesehen hat. Am Ende des Tages bleibt die Frage: Wo ist da jetzt der tiefere Sinn? Wenn ich das etwas größer aufziehe, frage ich mich, ob man wirklich über jeden bescheuerten Furz der AfD berichten muss oder auch darüber, was Trump macht, weil ich für mich das Gefühl habe, dass das in so eine Art Normalität übergeht. Die Empörung schwindet und es macht das ganze Thema auch wichtiger und größer, als es ist. Wir reden die ganze Zeit von der AfD und was da von deren Seite kommt, nur haben die aktuell knapp elf Prozent in den Umfragen und natürlich beunruhigt mich das auch, aber wir können uns von denen doch nicht die ganze Zeit die Gesprächsagenda bestimmen lassen. Die Thematik müsste doch von den restlichen 80 Prozent gesetzt werden. Deswegen ringe ich da und zweifle daran, einen Nazi-Rapper einzuladen. Was soll dabei rauskommen? Die Texte sind Schwachsinn und Müll. Den davon abzubringen und zu überzeugen, wird auch nichts. Also, was soll dabei groß rauskommen?
Jule Wasabi: Außerdem ist so eine eigene Sendung auch eine Möglichkeit, seine eigenen Interessen zu pushen und zu schauen, was uns gefällt. Klar sorgt das für Reibung, Diskussionen und Spannung, aber ich würde das tendenziell dafür nutzen, um Leute zu pushen, die wir cool finden. Und na klar redet man drüber, wenn es relevant ist, aber diesen Leuten tatsächlich eine Bühne zu geben, fühlt sich eher komisch an.
Falk Schacht: Aber generell Gäste einzuladen und mit ihnen zu sprechen, ist nicht ausgeschlossen.
MZEE.com: Glaubt ihr denn, dass Rapper politischer sein sollten, als sie es jetzt sind?
Falk Schacht: (lacht) Jetzt gehen wir doch in die Diskussion von morgen früh. Die Forderungen an Künstler zu stellen, politischer zu sein, finde ich erst mal schwierig. Es wirkt so absurd wie von Politikern zu fordern, musikalischer zu sein. Aber generell würde ich sagen, dass in Zeiten wie diesen alle Menschen politischer agieren müssen, denn sonst werden wir das bald vielleicht nicht mehr können.
Jule Wasabi: Ich glaube, dass die Rapper, denen es liegt und die etwas zu sagen haben, auf jeden Fall politisch sein sollten. Aber ich finde, dass es ein persönliches Ding ist. Ich finde es manchmal wahnsinnig komisch, wenn Rapper so gewollt etwas zu einer politischen Lage sagen, nur weil sie denken, sie stehen in der Öffentlichkeit und sie müssen etwas dazu sagen. Ich finde es bei dem, der sich das vornimmt in seinen Texten und gerne etwas sagen möchte, absolut berechtigt, aber ich bin auch erleichtert, dass manche Rapper wissen, wo ihre Grenzen sind.
MZEE.com: Okay, entfernen wir uns von den politischen Themen, um nichts vorwegzunehmen. Blicken wir lieber in die Zukunft: Gäste könnte es geben – ob es mal ein Videoformat wird, steht in den Sternen. Welche Entwicklungen sind rund um euren Podcast möglich beziehungsweise könnt ihr sagen, wohin die Reise gehen könnte?
Falk Schacht: Tatsächlich nicht – im Augenblick schauen wir, wie sich das entwickelt. Der Podcast ist ein lebendiges Wesen. Wir haben von Anfang an besprochen, dass wir zuschauen, wohin es sich entwickelt. Wir halten uns das offen: Alles kann, nichts muss.
MZEE.com: Gibt es denn eine Mindestzahl an Folgen, die ihr machen wollt, und dann wird geschaut, ob es sich lohnt beziehungsweise woran macht ihr einen Erfolg fest?
Falk Schacht: Also, wir werden das erst mal ein paar Monate machen und dann im Gespräch zwischen uns und dem Sender PULS gucken, wie es weitergeht. Die haben natürlich auch ihre Meinung dazu. Ich kann aber schon mal sagen, dass wir mit dem Start sehr zufrieden sind. Die Quoten sind gut, die Reaktionen sind gut und deswegen werden wir weitermachen und schauen, was dabei rauskommt.
MZEE.com: Ich habe mich ein wenig durch das Feedback zur ersten Sendung gewühlt. Dort gab es viel Lob, allerdings hier und da auch kritische Worte. So fehlte einem Zuhörer die Dynamik, es gab zu viel Geschnatter und man wünscht sich mehr Nerd-Facts. Wie reflektiert ihr eure ersten Gehversuche?
Jule Wasabi: Wir hatten ja ein paar Probesendungen, die waren deutlich befreiter im Schnattern und Reden. Wir dachten uns nach der Sendung auch so: "Hm, es war schwierig, reinzukommen." Es war eben die erste Sendung und da war es aufregend. Ich denke, das wird anders, wenn etwas Routine reinkommt. Zu dem Nerd-Ding muss ich mich wahrscheinlich mehr verteidigen, weil die Leute wissen, dass Falk der Nerd bei uns ist. Es war ja so, dass wir von Anfang an geplant haben, dass es eine Sendung für Raphörer wird und eben nicht für Menschen, die keine Ahnung von Rap haben. Ich bin aber auch dafür da, Falk rauszuziehen, wenn er etwas zu nerdig wird. Damit vor allem die jungen Leute nicht abschalten, die nicht so viel Ahnung haben, ähnlich wie bei mir. Ich kann mit einem Torch weniger anfangen, was nicht heißt, dass ich mich nicht darüber informiere. Allerdings ist es schon okay, wenn man zugibt, dass man etwas nicht weiß. Und dafür ist ja dann Falk da, der darüber etwas erzählen und einen Bezug herstellen kann. Deswegen glaube ich, dass da noch mehr Nerd-Talk kommt und dass es für die Leute, die nicht 30 Jahre dabei sind, dennoch verständlich sein wird.
Falk Schacht: Ich habe auch nicht zu jedem Scheiß "Nerd-Infos" am Start. Klar kann man sich von einem Nerd-Inhalt zum nächsten hangeln, das geht und das kann ich auch sehr gut, aber es muss ja zum Thema passen. Es soll ja spontan sein, es ist eben kein durchrecherchiertes Format, wo wir Texte vorgeben. Es ist eine Unterhaltung.
Jule Wasabi: Was ich für unsere Gesprächsdynamik gut finde, ist, dass du nicht zu jedem Thema den Drang hast, zu beweisen, dass du zu allem was weißt, sondern es machst, wenn es relevant ist. Das empfinde ich als deutlich entspannter – ich weiß, dass du zu jedem Thema einen geschichtlichen und thematischen Bezug herstellen könntest, aber trotzdem machst du es nur, wenn es angebracht ist.
MZEE.com: Als weitere Kritik habe ich gelesen, dass es gescriptet wirkt – wie sieht es wirklich aus? Gibt es ein Skript oder eben "nur" eine Themensammlung?
Falk Schacht: Es gibt eine Themenliste, über die wir sprechen können, und davon besprechen wir nicht immer alles. Der Podcast geht eben zwischen 45 und 60 Minuten und wenn wir bis dahin die Zeit schon weggelabert haben, dann fallen halt ein, zwei Themen raus. Aber es ist nichts gescriptet, ich kann das auch gar nicht. Ich weiß nicht, ob du das kannst, Jule, aber ich kann das nicht. Es wirkt immer ganz krass vorgelesen, wenn ich wirklich was vorlese.
MZEE.com: Darüber hinaus würde ich gerne wissen, wie viel Einfluss der Bayerische Rundfunk nimmt beziehungsweise ob es aus dieser Richtung irgendwelche Vorgaben gibt?
Falk Schacht: Wir arbeiten mit denen zusammen, das heißt, es gibt einen Redaktionschat. Da kommt alles rein. Die wissen, was wir machen, wir wissen, was die machen. Das ist alles sehr transparent. Wenn es etwas zu sagen gibt, dann passiert das. Da gibt es keine Grenzen oder Regeln – gibt es natürlich, aber das ist keine Raketenwissenschaft. Wir sind nicht von Dr. Angela Merkel gesteuert. Wir können frei arbeiten und tauschen uns aus, wie es eben in einer Redaktion ist.
Jule Wasabi: Wir sind ja auch nicht auf den Kopf gefallen, dass man bei uns jeden dritten Satz zensieren muss. Aber ich bin trotzdem überrascht, wie sehr die uns da freie Hand lassen.
Falk Schacht: Ah, du hast mehr an Dr. Merkel gedacht?
Jule Wasabi: Ja, am Anfang hab' ich das irgendwie gedacht – so öffentlich-rechtlich und dass man da vieles nicht sagen darf. Aber man muss wirklich sagen: Kevin, der das alles in die Wege geleitet hat, der weiß, was er tut, und weiß auch, aus welcher Ecke Rap kommt. Was manche Leute augenscheinlich denken, was man nicht ansprechen darf, ist halt ein Teil von Rap und das dürfen wir ansprechen. Das finde ich wichtig und gut. Ansonsten fände ich das auch schwieriger – keine Kraftausdrücke sagen oder so. (lacht)
MZEE.com: Ja, aber das stimmt, wenn man an Bayerischer Rundfunk, also öffentlich-rechtlich denkt, dann hat man schon irgendwie ein alteingesessenes, negatives Bild …
Jule Wasabi: Ja, aber da ist der PULS wirklich sehr modern. Die Inhalte, die PULS so macht, sind sehr spannend. Am Anfang habe ich das auch gedacht, aber wenn man sich mit dem Bayerischen Rundfunk beziehungsweise PULS beschäftigt, dann merkt man schon relativ schnell, dass die auf Zack sind.
MZEE.com: Nun habt ihr in eurer Sendung auch Hate gegenüber Journalisten thematisiert. Falk, du hast durchklingen lassen, dass es dir nicht so nahegeht, wenn du Kritik abbekommst oder von Rappern "gedisst" wirst. Was glaubst du, warum können Journalisten wie du besser mit Kritik oder Hate umgehen als Rapper?
Falk Schacht: Ich könnte mir vorstellen, dass es damit zusammenhängt, dass Journalisten erst mal mitkriegen, wie Rapper damit umgehen, und dann bekommen sie natürlich mit, wie Rapper mit potenzieller Kritik der Journalisten umgehen. Wie sich Rapper zum Beispiel über Reviews aufregen können. Ich schreibe ja selbst keine Reviews, aber ich bekomm' das immer wieder mit, wie die Kollegen der JUICE das erleben und irgendwelche Farbbeutel oder faule Eier an die Redaktionstür geworfen werden – und das wegen einer Review. Dann unterhält man sich darüber, denkt darüber nach und dann wird einem klar, dass es am Ende heißer gekocht als in der Realität gegessen wird. Vielleicht entspannt das deshalb, wenn man selber einen abkriegt.
MZEE.com: Könnt ihr euch vorstellen, warum in letzter Zeit mehr auf Journalisten rumgehackt wird? Das fängt bei meinem Fußballverein an, der gewisser Presse die Akkreditierung entzieht, und hört bei Rappern auf, die nicht mehr bemustern, keine Interviews geben oder Journalisten in Songs erwähnen.
Falk Schacht: Das ist, denke ich, komplexer. Das hat für mich zum einen damit zu tun, dass es so viele neue journalistische Plattformen gibt, die in Konkurrenz zueinander stehen. Während früher ein Künstler nur mit Plattform A arbeiten konnte, kann er heute auch mit Plattform B oder C arbeiten. Früher konntest du Plattform A schlecht ausschließen, weil du dann einen deiner wenigen Kommunikationskanäle zerstört hast. Heute kannst du sagen: "Scheiß auf dich, ich gehe zur Konkurrenz", oder: "Über Social Media habe ich meine eigenen Medienplattformen, mit denen ich meine Botschaft transportieren kann." Dieser Druck, der dadurch erzeugt wird, dass es so viele Plattformen gibt, sorgt dafür, dass Künstler ihre eigene Meinung durchdrücken können. Obendrauf kommt dann noch der ganze "Lügenpresse"-Komplex, wo Leute den Eindruck haben, dass Journalisten nicht die Wahrheit berichten. Ich denke, das kann auch damit zusammenhängen, dass sich da eine gewisse Aggression gebildet hat, was dafür sorgt, dass man sagt: "Mit Journalisten habe ich eh keinen Bock, zusammenzuarbeiten".
Jule Wasabi: Ich glaube auch oft, dass Künstler die Journalisten mit ihren PR-Agenturen verwechseln. Und heutzutage kann man über die sozialen Netzwerke extrem viel Promo selber machen und da sind Künstler oft irritiert. Ich habe das selbst oft erlebt, dass man keine kritischen Fragen mehr stellen kann, weil Künstler dann sofort abgefuckt sind – und das bei Fragen, wo man früher einfach hätte drauf antworten müssen, weil man auf die Promo angewiesen war. Heute gibt es ja auch Rapper, die grundsätzlich keine Interviews mehr geben und alle Infos bei Facebook & Co. raushauen. Die sind eben irritiert, wenn man ordentlichen Journalismus betreibt und mal kritisch nachfragt.
MZEE.com: In der Welt des Hates fällt außerdem auf, dass in letzter Zeit vermehrt Rap-Journalisten in Songs erwähnt werden. Gibt es mittlerweile bei euch eine größere Zurückhaltung in Sachen Kritik beziehungsweise beeinflusst es eure Arbeit?
Falk Schacht: Nee, mir ist das egal. Ich nehme das wahr – sowohl Lob als auch Hass –, es bestimmt allerdings nicht meinen Alltag. Es bestimmt nicht meine Arbeit. Fertig.
Jule Wasabi: Bei mir ist es so: Ich finde es schlimm, wenn ein Rapper gar nichts sagt und nicht interagiert, dann nehme ich das auch persönlich. Wenn jemand was sagt, dann habe ich das Gefühl, dass der Künstler damit rechnet, dass ich damit umgehen kann und mich irgendwie dazu äußere. Natürlich nur, wenn es in einem humanen Rahmen bleibt. Wenn es unter die Gürtellinie geht, dann geht's mir schon manchmal so, dass ich zu Hause und froh bin, dass ich noch studiere und etwas anderes außer diesem Game hab'. Ich glaube, wenn man nicht so cold as ice wie Falk ist, dann kann einen das schon treffen und fertigmachen.
MZEE.com: Kommen wir langsam zum Ende – nun habt ihr beide diesen Podcast, Falk hat schon länger keine eigene Sendung mehr und Jule hat sich von Rap-ist getrennt. Dürfen wir uns parallel zum Podcast in Zukunft auch auf Soloformate freuen?
Jule Wasabi: Falk.
Falk Schacht: Jule.
(Gelächter)
Jule Wasabi: Okay, dann fange ich an. Ich bin gerade in die "Disslike"-Redaktion eingestiegen und mache dort jetzt mehr redaktionelle Arbeit. Aber dadurch, dass ich noch studiere, bleibt es für mich bei einem Hobby.
Falk Schacht: Ich arbeite mit RAP1D zusammen, da habe ich in letzter Zeit Interviews gemacht. Dann arbeite ich an sehr vielen verschiedenen Projekten. Ich schreibe Artikel, halte Vorträge an Universitäten und gebe Seminare. Dann organisiere ich Partys und lege viel als DJ auf und so weiter. Ich mache das, was mir Spaß macht – und das war nie nur Journalismus. Natürlich hat man das öffentlich am ehesten wahrgenommen, aber ich hab' immer mehr gemacht als nur Journalismus.
MZEE.com: Zu guter Letzt würde ich gerne mit euch in die Welt der Podcasts eintauchen. Hört ihr sie privat und welche könnt ihr vor allem empfehlen?
Jule Wasabi: Also, ich höre ganz klassisch Schulz und Böhmermann – auch schon, als sie bei radioeins waren. Was ich in letzter Zeit viel höre und wirklich gut finde, das ist "Einfach machen". Das ist auch ein Podcast von PULS – und zwar über einen erfolgreichen Typen, der alles hinwirft und Schauspieler in Amerika werden will. Es geht quasi darum, dass er eine positive Einstellung zum Leben hat und einfach macht, anstatt sich immer Gedanken zu machen. Ich finde es wahnsinnig motivierend und schön anzuhören, auch weil er regelmäßig glorreich scheitert. Ich beschäftige mich gerade sehr gern mit dem Scheitern. Ein wirklich guter Podcast.
Falk Schacht: Wenn ich mich mit Podcasts beschäftige, dann ehrlich gesagt mit US-Podcasts. Da gibt es "The Combat Jack Show", die ich sehr gut finde, und den "Microphone Check" von NPR Music – da sind oft gute Sachen dabei. Das sind eigentlich die Hauptpodcasts. Es gibt hier und da vereinzelte Folgen von anderen, zum Beispiel "Final Level" von Ice-T oder "The Cypher". Ich habe aber auch schon mal einen Snoop Dogg-Podcast gehört, weil viele Künstler ja auch selber Podcasts machen. Aber das sind keine, die ich regelmäßig nutze.
(Fabian Thomas)
(Fotos von Lisa Hinder)