Manche Menschen finden das mit der Atombombe voreilig.
Denkt mal nach – also, ich seh' nur Vorteile.
Ein kontrollierbarer Alltag ist aufgrund von Chaos und Zufällen bloße Illusion. Alles, was man besitzt, kann man im Bruchteil einer Sekunde verlieren. "Anarchie und Alltag" scheinen sich dennoch auszuschließen. Die Antilopen Gang sieht das wohl ein wenig anders, wenn man dem Titel ihres neuen Albums glauben darf.
Auf dem Opener "Das Trojanische Pferd" präsentieren sich die Antilopen als abgebrühte Infiltranten, die eine Fassade der Harmlosigkeit aufbauen, um das bestehende System von innen heraus zu sprengen. Dabei tun sie ihre politische Meinung bekanntlich offen und deutlich kund – stets mit einer gehörigen Prise Humor gewürzt. So auch auf dem Punk-Track "Baggersee": "Wäre es nicht praktischer, wenn da, wo vorher Deutschland war, in ein paar Jahren ein Baggersee entsteht?" Das Albumhighlight "Tindermatch", auf dem die Möglichkeit einer Liaison zwischen Denis Cuspert und Lutz Bachmann erörtert wird, schlägt ebenfalls in die Kerbe politischer Tracks mit Augenzwinkern. Dem stellt die Gang allerdings auch einige nachdenkliche, fast schon depressive sowie lustige Songs gegenüber, die keine explizit politischen Inhalte transportieren. Und passend dazu bekommt man auch auf musikalischer Ebene Abwechslung geboten. Von poppigen über synthetische Beats bis hin zu Punkrock findet man hier Instrumentals, die den Antilopen genügend Raum lassen, ihre mal ernsten, mal albernen Inhalte darzubieten. Neben den Ausflügen in Richtung Punk und dem entspannten Instrumental von "Tindermatch" sind die übrigen Beats jedoch zumeist recht unauffällig und verblassen im Vergleich zu den Texten.
Wenn Danger Dan am Ende des Albums rappt, dass "Anarchie und Alltag" mehr gemeinsam haben, als man glaubt, dann kann man ihm – ob der Komplexität der Welt, in der wir leben – nicht widersprechen. Möchte man auch gar nicht, denn hier bekommt man zwischen Lachen und Weinen das breite Spektrum menschlicher Erfahrungen präsentiert und wird dabei gut unterhalten.
(Steffen Bauer)