Ich erklär' euch kurz mal, wie das läuft:
Bin zu 50 Prozent Türke, aber auch zu 50 Prozent deutsch.
Wenn es schon für einen Deutschen nicht leicht ist, seinen "Schweinehund" zu überwinden, wie schwer gestaltet sich das Ganze dann erst für einen Türken? Zugegeben, die Frage macht nicht wirklich Sinn und klingt zudem, als wäre sie direkt aus dem Programm von Kaya Yanar oder Bülent Ceylan geklaut. Doch gesellt sich Cengiz – dessen letztes Werk "Türkisch für Fortgeschrittene" hieß – mit ebenjener "Schweinehund"-Frage und dazu passender EP nicht genau zu der Gruppe von Künstlern, die sich und andere Türken mit flachen Witzen über Vorurteile und Klischees zur Lachnummer degradieren?
Die Antwort: Jein. Denn natürlich bedient sich der Rapper, der zuletzt schon gemeinsam mit den 257ers Aufsehen erregte, viel und gerne am "Türkenwitz". Er weiß allerdings auch sehr gut, wie man das Ganze in einem niveauvollen Rahmen tun kann. So hält er seinen deutschen Mitmenschen lieber den Spiegel ihrer eigenen Vorurteile vor: "Aber glaubt ruhig weiterhin, dass alles stimmt, was man sagt. Meine Frau trägt ein Kopftuch, mein Kind trägt 'n Bart." Dabei weist Cengiz zunächst humorvoll auf die Dummheit solchen Denkens hin. Dann lässt er aber auch rechtzeitig ernste Worte folgen, wenn er den Part abschließt: "Wir haben alle keine Ahnung, wer wir sind, solang die Nationalität unsere Handlungen bestimmt." Dadurch kann man sich die restliche EP, auf der unter anderem auch von den Anfangsschwierigkeiten als Newcomer und dem Wunsch nach Gewichtsverlust erzählt wird, ruhigen Gewissens anhören. Dass er "fett" ist, beweist Cengiz nämlich in doppelter Hinsicht. Denn abseits des Problems, mit dem Bauch ständig auf die Leertaste zu drücken ("Bioqualität"), ist er ein extrem fähiger, wortgewandter Rapper.
Flowtechnisch talentiert, seinen Humor bewusst einsetzend und mit eingängig poppigen Instrumentals untermalt, präsentiert Cengiz sich und seinen Rap von der besten Seite. Für den großen Erfolg müsste er nun nur noch den inneren "Schweinehund" überwinden. Und das dürfte für seine türkische wie deutsche Seite gleich schwierig sein.
(Daniel Fersch)