"Okay – was habe ich verpasst?" Eine Frage, der wohl jeder von uns schon mal begegnet ist. Egal, ob man sie selbst gestellt hat oder mit ihr konfrontiert wurde. Manchmal kommt einfach der Zeitpunkt, an dem man sich vor allem eines wünscht: "Bringt mich doch mal auf den neuesten Stand!" Doch wie antwortet man darauf? Was hält man für besonders erwähnenswert? Es ist schwer, eine kurze, aber vollständige Antwort darauf zu finden. Wie misst man überhaupt Relevanz? An medialem Hype? Am Überraschungsfaktor? Oder doch an dem musikalischen Anspruch? In "Hört, hört!" geht es um das alles, reduziert auf zwei Veröffentlichungen. Ein Release, das vor allem im Untergrund auf Zuspruch gestoßen ist, und eines, das in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Zwei Werke, die wir nicht unbedingt gut finden müssen, aber eine gewisse Relevanz oder eine Bedeutung jeglicher Art für die hiesige Raplandschaft besitzen. Zwei Werke, die am Ende des Monats vor allem eines aussagen: "Hört, hört! Genau das habt ihr verpasst!"
Chima Ede x Ghanaian Stallion – Principium
Neben den offensichtlichen Protagonisten eines Releases, nämlich den Rappern, erfreuen sich mittlerweile auch die hiesigen Produzenten immer größerer Bekanntheit. Einer, der die Arbeit der Jungs ebenfalls zu schätzen weiß, ist Chima Ede. In Zusammenarbeit mit Megalohs Haus- und Hofproduzenten Ghanaian Stallion entstand die bemerkenswerte Kollabo-EP "Principium".
Die Platte wirkt einfach wie aus einem Guss. Selten gibt es Werke zu hören, bei denen man diese besondere Art der Harmonie von Lyrics, Flow und Beat sofort spürt. Das Ganze ist mit Sicherheit zum Teil der besonders intensiven Zusammenarbeit zwischen Rapper und Produzent zu verdanken. Allerdings besitzen beide Protagonisten als Einzelperson auch unglaubliche Skills. Ghanaian Stallion bastelt ein vielfältiges Portfolio an Brettern zum Kopfnicken und melodisch schwermütigen Klängen. Die Art, mit der Chima Ede diese makellose Basis dann für sich nutzt, verdient es, gehört zu werden. Es gelingt ihm jederzeit, seine markante Stimme entsprechend einzusetzen und durch den stetigen Wechsel von Representer-Texten und melancholischen, intelligenten Inhalten für die notwendige Abwechslung zu sorgen. Das Duo bildet somit eine unerschütterliche Einheit und trägt jedes einzelne Musikstück von "Principium" gemeinsam.
Dass bei dieser Platte die Namen von Rapper und Produzent auf dem Cover erscheinen, sollte für jeden, der sie gehört hat, mehr als selbstverständlich sein. Dank der Vereinigung zahlreicher Alleinstellungsmerkmale beider Künstler gelang es, eines der besten Releases des letzten Monats zu formen und damit auf ganzer Linie zu überzeugen. Und erfreulicherweise sieht es so aus, als würden uns beide noch sehr lang erhalten bleiben, um häufiger miteinander Musik zu machen.
(Benjamin Borowitza)
Maeckes – Tilt
Maeckes ist einer dieser Künstler, die aus dem Einheitsbrei an Veröffentlichungen herausstechen. Sein distinkter Stil zeichnet sich durch verkopfte Texte und eine experimentierfreudige musikalische Untermalung aus. Sechs Jahre nach seinem Solodebüt "Kids" folgt nun mit "Tilt" sein zweites offizielles Album. Dieses verdeutlicht wieder einmal, dass das Orsons-Mitglied durchaus über eine äußerst eigenständige künstlerische Auffassung verfügt.
Maeckes tut in seiner Musik genau das, wovor sich viele fürchten: Er zeigt sich von seinen schwächsten Seiten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er sich in Selbstmitleid verliert. Vielmehr scheint er sich selbst mit all seinen Fehlern vollends zu akzeptieren. Diese persönliche Stärke des Rappers erweist sich auch als positive Eigenschaft seiner Texte. Denn das Bewusstsein, unperfekt zu sein, zieht sich durch sein gesamtes Schaffen und somit auch durch "Tilt". Das Album verbreitet jedoch trotz der ungewöhnlich intensiven Auseinandersetzung mit Makeln und Fehlern keine schlechte Laune. Sämtliche Kritik – die, die Maeckes an sich selbst, an zwischenmenschlichen Beziehungen oder der Gesellschaft als Ganzes ausübt – wird stets mit einem Augenzwinkern vorgetragen. Dabei gibt es jedoch auch durchaus dramatische, melancholische oder traurige Momente. Das gewaltige Finale von "Kreuz" etwa stellt eine Explosion von Gefühlen dar, die man auf Rap-Alben selten zu hören bekommt. Auf alternativ-poppigen Produktionen von ihm selbst und Äh, Dings sowie mit tatkräftiger Unterstützung von Tristan Brusch gelingt es Maeckes, das Bild eines Künstlers zu zeichnen, der in seiner Selbstinszenierung als gewöhnlicher Mann alles andere als gewöhnlich ist.
"Tilt" bietet durch die außergewöhnlichen Texte des Protagonisten, die eine Menge interpretatorischen Freiraum zulassen, inspirierenden Stoff zum Nachdenken. Doch auch zum entspannten Hören und Abschalten eignet sich dieses Release äußerst gut. Es schafft den Spagat zwischen postmodernen Inhalten und eingängigen, schönen Melodien und ist somit ein weiterer interessanter Baustein in Maeckes' Vita.
(Steffen Bauer)