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Das hat mit HipHop was zu tun

"This is (Street) Art!" – die BundeskunstHALL OF FAME

"Man muss schon mal aktiv auf der Stra­ße an der Wand statt­ge­fun­den haben, um sich wirk­lich 'Graffiti-​Künstler' nen­nen zu dür­fen." – Allan Gretz­ki, Kura­tor der "Bun­des­kunst­HALL OF FAME", über Schwie­rig­kei­ten zwi­schen der aktu­el­len Graffiti- und Kunst­sze­ne sowie die Ent­ste­hung der Bon­ner Ausstellung.

Hip­Hop gleich Rap – oder? Zuge­ge­ben: Rap­mu­sik nimmt ei­nen gro­ßen Teil der Sub­kul­tur ein, was wohl auch ein Stück weit am stark an­ge­stie­ge­nen "me­dia­len Hype" der letz­ten Jah­re liegt. Doch in Zei­ten, in de­nen Sprech­ge­sang re­gel­mä­ßig die Charts an­führt, rückt der ur­sprüng­li­che Community-​Gedanke – zu­min­dest ober­fläch­lich be­trach­tet – zu­se­hends in den Hin­ter­grund. Dabei gibt es nach wie vor ge­nug Men­schen, de­ren Schaf­fen fern­ab von Booth und MPC statt­fin­det und die ih­rer­seits ei­nen nicht un­er­heb­li­chen Bei­trag zur HipHop-​Kultur leis­ten. In dem MZEE.com-Format "Das hat mit Hip­Hop was zu tun" wol­len wir eben­diese Leu­te zu Wort kom­men las­sen, die sich in ir­gend­ei­ner Form, viel­leicht so­gar aus ei­ner tat­säch­li­chen Lei­den­schaft her­aus, mit Hip­Hop aus­ein­an­der­set­zen, als "Nicht-​Rapper" je­doch sel­ten im Ram­pen­licht stehen.

 

Zahl­rei­che Besu­cher tum­meln sich in den Gän­gen des Muse­ums. Das Inter­es­se an der neu­en Aus­stel­lung ist groß. Wenn man näher hin­schaut, fällt schnell auf, dass sich zwi­schen die "übli­chen Ver­däch­ti­gen" auch Men­schen gesellt haben, die man nicht unbe­dingt auf einer Ver­nis­sa­ge ver­mu­ten wür­de. Da sind zum Bei­spiel drei cir­ca 30-​jährige Typen mit schwar­zen Jog­ging­an­zü­gen und Fit­ted Caps auf dem Kopf. Zwei von ihnen tra­gen Ruck­sä­cke, der drit­te einen MOLOTOW-​Beutel in der Hand. Sie gehen an einem älte­ren Paar vor­bei, das eif­rig das Begleit­heft zur Aus­stel­lung stu­diert. Der Mann bleibt ste­hen und stützt sich an einer Mau­er ab. Kei­ne Minu­te spä­ter wun­dert er sich dar­über, dass sei­ne Hand schwarz und kleb­rig ist. Kurz zuvor hat an der Wand jemand mit Lack­far­be gearbeitet …

Dies ist nur einer von vie­len außer­ge­wöhn­li­chen Momen­ten, die sich sei­ner­zeit wäh­rend der "Bun­des­kunst­HALL OF FAME" ereig­ne­ten. Unter die­sem Namen brach­te die Bon­ner Bun­des­kunst­hal­le Ende 2015 ein rie­si­ges Street Art- und Graffiti-​Festival in eines der renom­mier­tes­ten Aus­stel­lungs­häu­ser unse­res Lan­des – mit gro­ßem Erfolg. Ver­schie­de­ne Medi­en waren sich einig in ihrer Begeis­te­rung über die Aus­stel­lung, die auf­grund des enor­men Besu­cher­inter­es­ses sogar um eine Woche ver­län­gert wur­de. "Die Reso­nanz war durch­weg posi­tiv. Nicht nur von der Pres­se, son­dern auch vom Publi­kum, jung wie alt, und den Mit­ar­bei­tern hier im Haus", freut sich Allan Gretz­ki, einer der zwei ver­ant­wort­li­chen Kura­to­ren. Anläss­lich der Ver­öf­fent­li­chung der "Bun­des­kunst­HALL OF FAME"-Publikation am 09. Novem­ber 2016 zieht er jetzt die Bilanz eines Events, das für die Graffiti-, aber auch die rest­li­che Kunst­sze­ne gar nicht mal so unbe­deu­tend war.

Den Grund­stein für die Zusam­men­ar­beit mit der Kunst­hal­le leg­te der 1979 gebo­re­ne Gretz­ki qua­si bereits wäh­rend sei­ner Stu­di­en­zeit. Im Rah­men eines Stu­di­ums an der Kunst­hoch­schu­le für Medi­en Köln fer­tig­te er im Bon­ner Muse­um Wand­ar­bei­ten mit Kle­be­fo­lie an. Die Reso­nanz dar­auf war so gut, dass er dadurch enge­ren Kon­takt zu den BKH-​Verantwortlichen knüp­fen konn­te. Aller­dings war der gebür­ti­ge Sieg­bur­ger schon vor und wäh­rend sei­ner aka­de­mi­schen Aus­bil­dung als Wri­ter und Instal­la­ti­ons­künst­ler aktiv. Mit sei­nen Ansät­zen zur krea­ti­ven Nut­zung öffent­li­cher Räu­me mach­te er in Graffiti- und Kunst­krei­sen früh von sich reden. Vor die­sem Hin­ter­grund war es nur logisch, dass zwi­schen Allan Gretz­ki und der Bun­des­kunst­hal­le irgend­wann ein Aus­tausch über Graf­fi­ti statt­fin­det. So kam 2012 zum ers­ten Mal die Idee auf, ein Event zu die­sem The­ma zu orga­ni­sie­ren. "Ursprüng­lich war eine noch grö­ße­re Aus­stel­lung geplant, die aber ein­fach nicht rea­li­sier­bar war", ver­rät Gretz­ki. Als er im Früh­jahr 2015, gan­ze drei Jah­re spä­ter, gefragt wird, ob er die Aus­stel­lung immer noch machen wol­le, sagt der Künst­ler sofort und ohne Beden­ken zu. Doch das Kon­zept und die Finan­zie­rung wer­den erst im August des­sel­ben Jah­res final von den obers­ten Ver­ant­wort­li­chen der Kunst­hal­le bewil­ligt. Somit blei­ben Gretz­ki und sei­nem Team nur knapp drei Mona­te Zeit, um das Pro­jekt zu rea­li­sie­ren. "Es war eine abso­lu­te Hauruck-​Aktion mit 24-​Stunden-​Tagen, sie­ben Tage die Woche. Aber die Arbeit hat sich gelohnt …" – wie man am bereits beschrie­be­nen Ergeb­nis sehen kann.

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Ende 2015 prä­sen­tier­ten in der Bon­ner Bun­des­kunst­hal­le zahl­rei­che Grö­ßen aus der Graffiti- und Street Art-​Szene ihre Wer­ke dem Publikum.

Für den Kura­tor ist dabei rück­bli­ckend vor allem das eben­falls meist posi­ti­ve Feed­back inner­halb der Graf­fi­ti­sze­ne sehr erfreu­lich: "Von allen teil­neh­men­den Künst­lern, aber auch von Szene-​Leuten aus der Regi­on sowie über­re­gio­nal Ange­reis­ten gab es durch­weg posi­ti­ven Zuspruch." Dies liegt wohl auch dar­an, dass Allan Gretz­ki und sein Kol­le­ge Robert Kal­ten­häu­ser ihrer eige­nen Idee gefolgt sind, den Künst­ler an sich und die teil­neh­men­den Prot­ago­nis­ten im Spe­zi­el­len in den Mit­tel­punkt zu rücken. "Es ging dar­um, nicht ein­fach einen Sell­out für das Publi­kum zu machen, son­dern auch den Künst­ler zu bedie­nen und ihm zu sagen: 'Wir haben hier was geschaf­fen, das ein­zig­ar­tig ist und die Sze­ne wei­ter­bringt'", erklärt Gretz­ki dazu. Die­ser Anspruch, die Sze­ne wei­ter­brin­gen zu wol­len, fußt auf der sei­ner Auf­fas­sung nach herr­schen­den Sta­gna­ti­on im Graffiti-​Bereich, die es auf­zu­bre­chen gilt. "Es geht immer noch um Namen, es geht immer noch um Far­be an der Wand. Aber: Es wer­den ver­schie­de­ne neue Kon­zep­te ent­wi­ckelt, neue Wege erfun­den." Des­halb ist die Bun­des­kunst­HALL OF FAME zwar als Bestands­auf­nah­me aktu­el­ler Ent­wick­lun­gen zu sehen, bei der sich haupt­säch­lich auf die Mura­lists und Wri­ter kon­zen­triert wird. Davon aus­ge­hend soll den Besu­chern jedoch auch gezeigt wer­den, "wohin sich das Gan­ze mög­li­cher­wei­se ent­wi­ckelt".

Außer­dem  – und das ist im Kon­text der renom­mier­ten Kunst­hal­le beson­ders inter­es­sant – sol­len gera­de dem Szene-​fernen Publi­kum Graf­fi­ti und Street Art als aus­drucks­star­ke For­men zeit­ge­nös­si­scher Kunst prä­sen­tiert wer­den. Gretz­ki und sein Team wol­len damit ein Ver­ständ­nis für die Ernst­haf­tig­keit der Sub­kul­tur in der Kunst­sze­ne und der Gesell­schaft all­ge­mein schaf­fen, wie der Kura­tor ver­rät: "Street Art- und Graffiti-​Kunst sind all­ge­gen­wär­tig. Jeder kennt das, aber weni­ge wis­sen dar­über Bescheid. Jeder hat eine Mei­nung dazu – und die­se gilt es zu kor­ri­gie­ren, wenn sie nega­tiv ist." Eine schwie­ri­ge Auf­ga­be, wenn man bedenkt, dass sich die Sze­ne in der öffent­li­chen Dar­stel­lung immer noch häu­fig mit dem Vor­wurf des Van­da­lis­mus kon­fron­tiert sieht. "Klar sind Tags auf Pri­vat­ei­gen­tum nicht schön oder etwas, das jeder auf sei­ner Haus­wand haben möch­te", fin­det auch Gretz­ki. Aber man kön­ne den Leu­ten ver­mit­teln, dass die­se Tags die ursprüng­li­che Basis der Sze­ne bil­den und es des­halb Grün­de für deren Exis­tenz gibt. Und da sich der Kura­tor auf­grund sei­nes Back­grounds und der beruf­li­chen Fach­kennt­nis­se dazu ver­pflich­tet sieht, möch­te er den Besu­chern der Bun­des­kunst­HALL OF FAME die­se seriö­sen Hin­ter­grün­de der Graf­fi­ti­kunst näherbringen.

Um all die­sen Ansprü­chen gerecht zu wer­den, ist es not­wen­dig, mög­lichst vie­le ver­schie­de­ne Artists und Sti­le in der Aus­stel­lung zu erfas­sen. Das gelingt dem Kuratoren-​Team per­fekt: Zahl­rei­che inter­na­tio­na­le Sze­ne­grö­ßen sowie regio­na­le Künst­ler stel­len den Besu­chern ihre jewei­li­ge Visi­on von Graf­fi­ti und Street Art sowie deren Umset­zung vor. Kai "Semor" Nie­der­hau­sen bei­spiels­wei­se stellt mit einer berüh­rungs­sen­si­ti­ven Lein­wand die Evo­lu­ti­on eines Pie­ces von der Skiz­ze bis zum fer­ti­gen Bild nach. Der Fran­zo­se FUZI-​UVTPK wie­der­um prä­sen­tiert sei­nen "Igno­rant Style" nicht nur an der Wand, son­dern auch auf der Haut der Besu­cher wäh­rend einer Live-​Tattoo-​Session. Eine Bil­der­ga­le­rie wür­digt das Werk der 2014 töd­lich ver­un­glück­ten Ham­bur­ger Sprayer-​Legende OZ. Allan Gretz­kis per­sön­li­ches High­light, HoNeT aus Paris, lie­fert eine auf­wen­di­ge Video­col­la­ge. "Dar­in arbei­tet er sich durch die ver­schie­de­nen Ebe­nen sei­ner Hei­mat­stadt. Er fängt in den Kata­kom­ben an und bewegt sich Stück für Stück 'nach oben'. Am Ende steht er auf einer Kirch­turm­spit­ze und foto­gra­fiert den Eiffel-​Turm." Hin­ter die­sem krea­ti­ven Ansatz steht das Kon­zept, sich die Stadt durch Graf­fi­ti gren­zen­los zugäng­lich zu machen. Dane­ben malt HoNeT außer­dem ein ein­drucks­vol­les Mural, in dem er die Pari­ser Ter­ror­an­schlä­ge ver­ar­bei­tet, die zum dama­li­gen Zeit­punkt erst knap­pe drei Wochen alt sind. Die Lis­te der nam­haf­ten, betei­lig­ten Künst­ler lie­ße sich gefühlt end­los wei­ter­füh­ren. Ins­ge­samt wird dem Publi­kum so ein gro­ßes Spek­trum ver­schie­de­ner Ansät­ze prä­sen­tiert. Ergän­zend dazu ste­hen ein Team von Kunst­ver­mitt­lern sowie die Kura­to­ren Gretz­ki und Kal­ten­häu­ser selbst für Fra­gen der Besu­cher zur Ver­fü­gung. Im Rah­men von Füh­run­gen brin­gen sie den Besu­chern das Kon­zept und die Inhal­te der Aus­stel­lung zusätz­lich näher.

Allan Gretz­ki (links) führ­te als einer von zwei Kura­to­ren immer wie­der inter­es­sier­te Besu­cher durch die Aus­stel­lungs­räu­me der Bun­des­kunst­HALL OF FAME.

Auch gene­rell sei es laut Allan Gretz­ki von Vor­teil, einen zwei­ten Kura­tor zur Sei­te zu haben. "Robert und ich haben zusam­men über­legt, wel­che Künst­ler man noch mit rein­neh­men könn­te. Das war abso­lut wich­tig und eine tol­le, kon­struk­ti­ve Zusam­men­ar­beit." Denn als Ein­zel­per­son ver­lie­re man schnell den Über­blick und die nöti­ge Distanz zur Künst­ler­aus­wahl. "Dann ist man irgend­wann wie im Can­dy Shop und pickt sich nur die bes­ten Süßig­kei­ten raus", so Gretz­ki. Durch den kri­ti­schen Aus­tausch zwi­schen den bei­den Kura­to­ren ent­steht eine abwechs­lungs­rei­che Viel­falt, die dem Gesamt­bild der Aus­stel­lung zugu­te­kommt. Dabei pro­fi­tie­ren sie auch von ihrem jewei­li­gen Sze­ne­back­ground: "Durch unser Stan­ding konn­ten wir bes­ser abschät­zen, wel­che Posi­tio­nen gut ankom­men und wie man sie ein­bringt. Die­se Authen­ti­zi­tät half uns dann auch bei der Prä­sen­ta­ti­on der Inhal­te."

Einen Haupt­an­teil an der Ver­mitt­lung der künst­le­ri­schen Inhal­te trägt aller­dings auch die Auf­ma­chung der Aus­stel­lung selbst. Denn wie am Namen deut­lich zu erken­nen ist, beruht das Pro­jekt auf dem Kon­zept einer "Hall of Fame". In der Graf­fi­ti­sze­ne wer­den so meist lega­le Flä­chen bezeich­net, an denen sich Künst­ler mit ihren Arbei­ten ver­ewi­gen und die Wän­de immer wie­der neu gestal­ten. "Nach dem Prin­zip 'Die bes­ten Bil­der blei­ben!'", wie es im Info­text zur Aus­stel­lung heißt, "kris­tal­li­siert sich im Lau­fe der Zeit her­aus, wel­ches Graf­fi­to die längs­te Zeit über­dau­ert und somit die größ­te Aner­ken­nung fin­det." Und genau die­ses Prin­zip wird auch im Rah­men der Bun­des­kunst­HALL OF FAME ver­folgt. "Indem man die­se Idee wirk­lich direkt umsetzt, kann man den Men­schen das The­ma am bes­ten ver­mit­teln", begrün­det Gretz­ki die­se Ent­schei­dung. So über­ma­len die Künst­ler regel­mä­ßig die Arbei­ten von Kol­le­gen mit neu­en Wer­ken. Dadurch erlebt man nicht nur den Aspekt des ste­ti­gen Wan­dels, wie er auch im öffent­li­chen Raum statt­fin­det, da sich die Wän­de der Muse­ums­räu­me qua­si täg­lich ver­än­dern. Wäh­rend der Live-​Paintings haben die Besu­cher auch die Mög­lich­keit, mit den Artists direkt in den Aus­tausch über deren Schaf­fen zu tre­ten – oder sie gestal­ten das Erschei­nungs­bild ein­fach nach eige­nen Wün­schen selbst mit. Dar­über hin­aus erschließt sich anhand des Umgangs mit den Wer­ken nach Aus­stel­lungs­en­de eine wei­te­re Eigen­schaft der Wand­kunst: dass – auch wenn eini­ge Arbei­ten ande­re zunächst über­dau­ern – kein Pie­ce für die Ewig­keit gemacht ist. Gretz­ki offen­bart näm­lich: "Die Arbei­ten wur­den, so scha­de es ist, zunächst zen­siert und dann abge­ris­sen und ver­nich­tet." Die­se Form der Zer­stö­rung mag zunächst befremd­lich wir­ken. Doch zum einen sei man den Künst­lern gegen­über dazu ver­pflich­tet, damit an ande­rer Stel­le kein finan­zi­el­ler Pro­fit aus deren Arbeit geschla­gen wer­den kann. Zum ande­ren fol­ge man damit den Gege­ben­hei­ten des Umfelds, in dem Graf­fi­ti nor­ma­ler­wei­se statt­fin­det. "In der Regel sind es Unor­te – Brach­land oder unge­nutz­te Bau­flä­chen –, an denen Halls of Fame ent­ste­hen. Irgend­wann wird das Gebiet dann doch bebaut und die Hall of Fame ver­schwin­det, wie es zum Bei­spiel in Wies­ba­den oder Mün­chen der Fall ist", so der Kura­tor. Die Ver­nich­tung der Aus­stel­lungs­in­hal­te stel­le des­halb sei­ner Auf­fas­sung nach ein lehr­rei­ches Abbild der Rea­li­tät dar.

Stän­di­ger Wan­del: Ein Teil der Aus­stel­lungs­räu­me am ers­ten (oben) und am letz­ten Tag der Ausstellung.

Allan Gretz­kis Team und die Bun­des­kunst­hal­le haben ins­ge­samt also alles rich­tig gemacht. Dies gelingt in sei­nen Augen aller­dings bei vie­len Ver­su­chen, Graf­fi­ti in Kunst­häu­ser zu brin­gen, eher schlecht. Obwohl er anmerkt, dass die eige­ne Bestands­auf­nah­me bei Wei­tem nicht kom­plett sei, da man sich auf die Mura­lists und Wri­ter kon­zen­triert habe, sieht er näm­lich gra­de die teils wahl­lo­se Zusam­men­stel­lung von Street Art-​Inhalten in ande­ren Gale­rien kri­tisch. "Sie kau­fen ein­fach das ein, was im Moment ange­sagt ist. Da ist dann alles picke­pa­ckevoll und sieht ein­fach poppig-​bunt und schreck­lich aus", begrün­det er sei­ne Hal­tung. Das Schlim­me dar­an sei, dass sze­ne­fer­ne Men­schen dar­auf rein­fal­len wür­den: "Sie holen sich dann ein schö­nes Bild und hän­gen es an die Wand, aber es steckt ein­fach kei­ne See­le dar­in." Dies scha­de auch dem Bestre­ben, Graf­fi­ti als Kunst zu eta­blie­ren – wes­halb die Ver­mitt­lung des Pro­gramms der Bun­des­kunst­HALL OF FAME umso wich­ti­ger sei. Denn vie­le der in Gale­rien ver­tre­te­nen Künst­ler haben in Gretz­kis Augen kei­ne Rele­vanz für die Graf­fi­ti­sze­ne, da sie mit ihren Ate­lier­ar­bei­ten ledig­lich den Anschein von Stra­ßen­kunst erwe­cken. "Man muss schon mal aktiv auf der Stra­ße an der Wand statt­ge­fun­den haben, um sich wirk­lich 'Graffiti-​Künstler' nen­nen zu dür­fen." Es rei­che ein­fach nicht aus, sich für einen Sti­cker an ange­sag­ten For­men und Ele­men­ten zu bedie­nen – Gretz­ki nennt dies "Hipster-​Graffiti" –, um damit die Auf­merk­sam­keit auf sich zu zie­hen. Trotz die­ser Pro­ble­ma­tik begrüßt der Kura­tor aller­dings das zuneh­men­de Auf­kom­men von Street Art und Graf­fi­ti in Kunst­ga­le­rien – wenn denn die Prä­sen­ta­ti­on ange­mes­sen statt­fin­det. Dafür nennt er posi­ti­ve Bei­spie­le: "Es gibt Gale­rien, die ver­tre­ten Künst­ler wie HoNeT oder MOSES & TAPS. Die Gale­rie Rutt­kow­ski 68 in Köln und eini­ge ande­re machen da gute Arbeit. Die ste­hen im engen Kon­takt mit den Künst­lern und kön­nen deren Wer­ke dem Publi­kum rich­tig ver­mit­teln." Wenn das gesche­he, hät­ten die Aus­stel­lun­gen die­ser Häu­ser durch­aus eine Daseins­be­rech­ti­gung, da sie der Sze­ne und den Künst­lern guttäten.

Wäh­rend neben der BKH Bonn also auch ande­re Kunst­ein­rich­tun­gen – mal bes­ser, mal schlech­ter – bemüht sind, die brei­te Mas­se für Graf­fi­ti­kunst zu begeis­tern, berei­tet sich Allan Gretz­ki auf die Vor­stel­lung der "Bun­des­kunst­HALL OF FAME"-Publikation am 09. Novem­ber 2016 vor. An die­sem Tag, elf Mona­te nach Aus­stel­lungs­en­de, wird das Graffiti- & Street Art-​Festival zum Book Launch noch ein­mal Ein­zug in die Bon­ner Kunst­hal­le hal­ten – samt Film­vor­füh­rung und Live Pain­ting, ver­steht sich. Neben der Vor­freu­de dar­auf hat der Kura­tor aber noch einen Tipp, wel­chen Ort man als Graffiti-​Interessierter unbe­dingt mal sehen soll­te. "In Harle­si­el an der Nord­see­küs­te gibt es einen Anle­ge­steg für Fäh­ren. Die­ses Siel, in dem die Schif­fe an- und able­gen, ist mit Stei­nen befes­tigt, die zusätz­lich mit Beton ver­stärkt wur­den. Als das vor gut 30 Jah­ren gemacht wur­de, haben vie­le Urlau­ber und ande­re Men­schen ihre Namen in den fri­schen Beton gekrit­zelt – und die sind da jetzt immer noch kon­ser­viert." Gene­rell rät er den Men­schen, wach­sa­mer im öffent­li­chen Raum zu sein – denn über­all gebe es die­se For­men von Graf­fi­ti zu sehen. Aber er fügt lachend hin­zu: "Es ist ja auch mal ganz schön, im Wald oder am Strand zu sein, wo es kein Graf­fi­ti gibt. Das muss auch mal sein."

(Sascha Koch)
(Fotos: Anna Appel)