Silla kann mit gerade einmal 32 Jahren bereits auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Mit bisher acht Alben ist er nicht nur seit über zwölf Jahren aktiver Teil der Rapszene. Durch die Musik erlangten seine Fans zudem auch persönliche Einblicke in sein Leben. So konnten sie beispielsweise mitverfolgen, wie der Südberliner seine Alkoholsucht bekämpft und sich erfolgreich einem gesunden Leben zugewandt hat. Diese und weitere Ereignisse, die Silla von seiner Kindheit an bis heute erlebt hat, hat er nun in einem Buch zusammengefasst. "Vom Alk zum Hulk" erscheint am 12. September dieses Jahres. Zeitnah dazu, im Oktober, liefert er mit "Es war einmal in Südberlin" auch neuen musikalischen Output. Im Interview sprachen wir mit Silla unter anderem über seine Autobiografie sowie das kommende Album, für das er sich nach eigenen Angaben "final noch einmal neu erfinden" musste. Dabei verriet uns der Rapper nicht nur, wie er für das Buch seine Fähigkeiten als Autor verbessert hat. Er offenbarte auch, dass er mit diesem Werk nicht am Ende seines Weges angekommen sei – denn er hat große Pläne für die Zukunft. Außerdem fanden wir noch Zeit, um mit ihm über Kritik am hiesigen Rapjournalismus sowie die Bedeutung von Rapper-Statements bei wichtigen gesellschaftlichen Themen zu reden.
MZEE.com: Lass uns das Interview mit deinem kürzlich angekündigten Buch und dem Album "Es war einmal in Südberlin" beginnen. Das Ganze hört sich an wie der Beginn eines Märchens. Woher stammt dieser Titel, außer dass es vor einiger Zeit mal einen gleichnamigen Track gab?
Silla: Das mit dem Track stimmt. Der Titel kommt aber eigentlich daher, dass ich auf dem Album meine Geschichte von Anfang bis Ende erzähle: Woher ich komme, wohin ich gehe.
MZEE.com: Themen wie Fitness, die auf deinen letzten Alben eine große Rolle spielten, sind also nicht mehr so präsent?
Silla: Ja. Ich wollte einen kleinen Bogen spannen zu meinem Buch. Da wird es sehr persönlich. Es geht auch um die Familie, meine Zeit vom Kindergarten an bis über die Jugend hinaus … Und ich wollte eben den Bogen spannen zwischen Album und Buch. Es ist nicht so, dass das Album eins zu eins dem Buch nachempfunden ist, aber man erkennt einzelne Situationen in den Songs wieder, die man auch im Buch nachlesen kann. Es ist aber nicht zwingend notwendig, das Buch zu lesen, um das Album zu verstehen. Beide geben sehr persönliche Einblicke. Das Buch ist dabei komplett autobiografisch, von der Geburt an bis in den März 2016 hinein. Und beim Album habe ich oft über Sachen gesprochen, die dazu geführt haben, dass ich der Rapper geworden bin, der ich heute bin.
MZEE.com: Hast du das Album denn inhaltlich chronologisch aufgebaut?
Silla: Nee, es kommt immer mal wieder durch, aber es ist nicht wirklich chronologisch aufgebaut. Ich denke, wenn man zu viel nach einem Konzept macht, verwirrt man auch die Leute. Und jeder Song muss auch für sich stehen. Es ist blöd, wenn man den Song davor gehört haben muss. Jeder Song steht also für sich, aber es gibt immer mal wieder Querverweise – auch in die Vergangenheit.
MZEE.com: Es wirkt dennoch so, als ob dein kommendes Album ein stärkeres Konzept hätte als deine Alben davor.
Silla: "Vom Alk zum Hulk" entstand komplett am Reißbrett. Da hab' ich einfach 15 Fitnessbegriffe aufgeschrieben und jeweils in Songs verpackt. Das ist in kürzester Zeit entstanden. Beim jetzigen hatte ich zu Beginn eine kleine Blockade und wusste nicht, wohin die Reise gehen soll. Ich hatte das Gefühl, dass ich jetzt als Künstler an einem Punkt angekommen bin, an dem ich mich final noch einmal neu erfinden muss. "Einmal neu erfinden" heißt jetzt nicht, was komplett Beknacktes machen, sondern zurück zur Essenz gehen. Erkennen, wofür mich die Leute eigentlich mal gefeiert haben. Das ist mit den letzten Alben bei Maskulin ein bisschen untergegangen, da war ich zu sehr im Business-Film. Ich habe in der Zeit viel mehr über Vermarktung nachgedacht und die Musik von Herzen ist dabei auf der Strecke geblieben. Dieses Mal habe ich einfach meine Geschichte in die Tracks gegossen und großen Wert darauf gelegt, dass es auch musikalisch ansprechend ist.
MZEE.com: Kommen wir zu dem eben schon angesprochenen Buch zurück: Es trägt den Titel "Vom Alk zum Hulk" und erscheint zeitgleich zum Album. Welche Idee stand zuerst im Raum – die zum Buch oder die zum Album?
Silla: Das mit dem Buch schwirrt schon seit zwei, drei Jahren in meinem Kopf rum. Es gab damals schon Gespräche mit diversen Verlagen, aber es hat nie so richtig gepasst. Dann kam der riva Verlag und wir haben Ende letzten Jahres damit angefangen. Und weil ich das letzte Album im August 2015 rausgebracht hab', war der Entschluss auch wieder da, ein neues Album zu machen – das kann man natürlich auch miteinander verbinden. Und das Buch quasi auch als Marketinginstrument verwenden, um die Platte zu promoten.
MZEE.com: Hast du für das Buch mit jemandem zusammengearbeitet oder es komplett selber geschrieben?
Silla: Ich hab' mit einem Autor zusammengearbeitet, der mir gezeigt hat, wie das Ganze abläuft. Also: Du schreibst erst mal das Vorwort, einen Prolog, zum Ende der Geschichte holst du den Anfang noch mal zurück. Was die Dramaturgie angeht, hat er mir den Leitfaden gegeben. Den Rest habe ich komplett selber geschrieben.
MZEE.com: Tut man sich dabei nicht unfassbar schwer?
Silla: Es ist ein bisschen wie Tagebuch führen, eigentlich nicht so schwer. Du holst einfach alle Erinnerungen raus – das war schon ziemlich befreiend. In der Suchtklinik, in der ich mal war, musste man auch täglich was aufschreiben, das hieß "Mein Erlebnis". Und das ist wirklich eine Art Befreiung, wenn du abends, bevor du ins Bett gehst, aufschreibst, was los war und was an dem Tag passiert ist. Das ist wie eine Last, die von dir fällt, du machst das alles irgendwie mit dir selber aus. In dem Moment, wenn etwas Schlechtes passiert ist, legst du das kurz weg. Das ist auch eine Art Aufarbeitung der Vergangenheit mit diesem Buch. Ich wurde mit vielen Sachen noch mal konfrontiert und dachte: "Ey, krass. Wie warst du damals nur drauf?" Auch, was die Persönlichkeitsfindung angeht – Schreiben ist was sehr Freies.
MZEE.com: Du hast also keine alten Tagebücher noch mal rausgekramt und geguckt, was dir in welchem Jahr passiert ist, sondern alles aus deinem Gedächtnis aufgeschrieben?
Silla: Ja. Aber ich bin eh jemand, der total zahlenaffin ist. Ich kann mich immer sehr gut an Daten erinnern. Das fällt mir nicht schwer. Ich weiß zum Beispiel noch das Datum von dem Tag, an dem ich mit meiner ersten Freundin zusammengekommen bin. Somit kann ich immer die Monate danach wieder zurückholen und mein Leben rekapitulieren. Das geht jetzt noch gut … (grinst) Wenn man älter wird, vergisst man bestimmt ein paar Sachen.
MZEE.com: Merkst du dir das automatisch?
Silla: Na ja, das passiert doch einfach? Also, das sind ja Erinnerungen. Die sind einfach gespeichert und dann holt man sie eben raus.
MZEE.com: Also, ich bin froh, wenn ich mich an die letzten Jahre im Detail erinnern kann.
Silla: Echt? Okay, dann habe ich das Talent, dass ich mich da immer wieder reindenken kann.
MZEE.com: Noch mal zurück zum Buch. Hat der Verlag dir komplett freie Hand gelassen oder wurde am Ende gesagt: "Kapitel 5 muss aber noch mal überarbeitet werden"?
Silla: Nee, es war ein bisschen anders. Ich hab' erst mal alles aufgeschrieben, aber am Ende waren mir dann ein paar Sachen zu heikel. Da hatte ich wirklich sehr weit ausgeholt und meinem Unmut ein bisschen freien Lauf gelassen. Als ich das dann das erste Mal durchgelesen hab' – es waren an die 275 Seiten –, habe ich gemerkt, dass da schon Sachen drinstanden, die auf jeden Fall zu heikel waren und mit denen man vielleicht auch andere Leute in die Bredouille bringt. Das kann ja nicht der Grundgedanke sein …
MZEE.com: Hast du auch viel über deine Erlebnisse in den letzten Jahren innerhalb der Rapszene geschrieben?
Silla: Ja, klar. Aber der Anspruch war für mich auch, dass es Leute lesen können, die gar nichts mit der Rapszene zu tun haben. Es ist jetzt keine pure "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-50 Cent-Story. Aus dem Ghetto nach oben … solche Bücher gibt's zuhauf. Ich wollte auch der Psyche auf den Grund gehen. Warum ist das alles überhaupt so gekommen? Warum hab' ich das Stilmittel Rap als Ausdrucksform genutzt? Warum habe ich keine ganz normale Ausbildung gemacht? Da habe ich – wie gesagt – auch sehr viel hinterfragt und es ist sehr persönlich. Und auch für Leute, die eben keine "Rapheads" sind.
MZEE.com: Du hast also dein gesamtes bisheriges Leben autobiografisch aufgeschrieben. Ist das Ganze für dich nun abgeschlossen oder hast du vor, mal einen zweiten Teil zu schreiben?
Silla: Ja, klar. Jeder Tag beginnt von vorne, jeder Tag ist ein neues Geschenk und das Leben wird noch viele Stories bereithalten. Selbst, wenn es morgen vorbei sein sollte, kann ich sagen, ich hab' was hinterlassen. Und jeder kann weiterhin lesen, was dieser verrückte Junge aus Südberlin da veranstaltet hat. Darauf bin ich ziemlich stolz, auch aus künstlerischer Sicht.
MZEE.com: Jeder Künstler sagt über sein aktuelles Album immer, dass es das beste ist, das er je gemacht hat. Wenn du "Es war einmal in Südberlin" mal weglässt – was ist das beste Album, das du je gemacht hast, und warum?
Silla: "Die Passion Whisky" fand ich am krassesten. 2012. Da hat einfach alles gestimmt. In der Zeit hatte ich so eine Hochphase. Ich war Anfang des Jahres mit "Südberlin Maskulin" in den Top 10. Dann noch mal mit "Wiederbelebt", das erste Mal als Solokünstler. Und dann kam Ende 2012 "Die Passion Whisky" – ich war auf einer Welle der Euphorie. Es war das erste Mal nach sieben, acht Jahren Rap so, dass ich einen super Lifestyle leben konnte – was ich mir immer erträumt hatte. Ein geregeltes Einkommen, dass man nicht immer aufs Geld schauen muss. Das hat eine große Last von mir genommen, ich bin gechillter an die Sache rangegangen, mit mehr Spaß. Das hat man der Platte angehört, auch wenn ernstere Töne angeschlagen wurden. Die Entstehungsphase davon war so geil – daran denke ich gerne zurück. Und die musikalische Bewertung muss man anderen Leuten überlassen. Generell ist es schwer, Musik zu bewerten …
MZEE.com: Gibt es auch ein Album von dir, das du selber richtig gut findest und bei dem du das Gefühl hast, dass es einfach nicht verstanden wurde?
Silla: Ja, das war bei "Vom Alk zum Hulk" definitiv so. Da habe ich auf der Platte total den Fitness-Film gefahren und sie hat mir megaviel Spaß gemacht. Es war für mich einfach der Weg aus dem Drogensumpf, wie eine Befreiung. Die Leute waren aber damit überfordert, sie wollten keine Erklärung haben, wie es dazu gekommen ist. Sie hatten halt "Die Passion Whisky" gehört, die Musik war geil und da hatte ich auch schon drüber gerappt: "Yo, ich hab's geschafft." Und bei "Vom Alk zum Hulk" war's zu extrem mit dem Zeigefinger: "Yo, ich trink' jetzt gar nichts mehr, ich trink' meinen Protein-Shake schön abends." Ich hab' das Gefühl, das haben die Leute nicht so angenommen. Weißt du, wenn deine Eltern dich anmeckern, weil du zu spät von 'ner Party kommst – das findet kein Jugendlicher geil. Die wollen 'ne gewisse Lockerheit haben. Musik, die sie abholt und alles vergessen lässt. Und das war ein bisschen wie so 'ne Anleitung: "Wie wirst du zum Superheld?" Ich würde es aber wieder so machen. Das war mein State of Mind zu dem Zeitpunkt.
MZEE.com: Ich hab' oft das Gefühl, dass Hörer die Musik dann am besten finden, wenn es dem Künstler nicht gut geht. Wenn es ihm gut geht, finden die Leute das, glaube ich, tendenziell langweiliger.
Silla: Ja. Musik muss aber vor allem echt sein – egal, ob depri oder nicht. Wenn die Gefühle echt sind, ist Musik auf jeden Fall gut. Manchmal wollen die Konsumenten halt auch einfach durchdrehen, ihrem Alltag entfliehen. Da brauchen sie auch nicht immer Depri-Mucke oder hören, wie kacke mein Leben ist. Sondern sie wollen auch Mucke hören, um schlechte Sachen zu verdrängen und ein gutes Gefühl zu haben.
MZEE.com: Ich glaube, es war Tua, der mal in einem Interview gesagt hat, er begibt sich manchmal extra in schlechte Situationen, damit er hinterher Stoff hat, über den er schreiben kann. Kennst du das auch?
Silla: Ja, das kenne ich auch. Ich begebe mich nicht absichtlich da rein, ich kann mich einfach manchmal nicht kontrollieren. Da habe ich einen gewissen Hang zur Selbstzerstörung. Das Ding ist aber, dass ich danach immer wieder stärker zurückkomme – ich weiß, wie es ist, hinzufallen und danach immer wieder aufzustehen. Ich hätte auch gerne, dass es mal solide läuft … aber das ist nicht immer leicht.
MZEE.com: Wir haben mal ein Interview mit MoTrip geführt, in dem er uns vom "Schnelles Geld"-Album von ihm, dir und JokA erzählt hat. Er meinte, dass ihr euch irgendwann dazu entschieden hättet, die einzelnen Tracks auf eure Projekte zu verteilen. Sind heute noch unveröffentlichte Songs des Albums übrig?
Silla: Ich glaube, jeder Track wurde auseinandergepflückt. Und man könnte heute keinen davon mehr rausbringen, von dem nicht irgendein Part schon mal woanders verwendet wurde. Wäre auch durchaus lustig, wenn man das irgendwann mal rausbringen würde. Und wenn man mal sehen würde, wo da was mittlerweile untergekommen ist. Aber eigentlich ist es nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, nee.
MZEE.com: Besteht denn Hoffnung, dass jemals was von euch gemeinsam rauskommt?
Silla: Definitiv. Nonstop reden wir darüber. Aber gerade geht das nicht. Trip hat momentan den Megahype und auch ein großes Label im Rücken, das da auch die Prioritäten völlig auf ihn legt. Dass er sich als Solokünstler etabliert, ist gerade auf jeden Fall wichtiger als seine Jungs hochzuholen … wenn man das so sagen kann. Er ging ja Platin mit seiner Single, sowas können JokA und ich jetzt nicht vorweisen. Auf jeden Fall muss er sein Ding machen, wir machen auch alle unser Ding und vielleicht kommt es irgendwann dazu – einfach, weil wir mal wieder Bock haben, uns einzuschließen.
MZEE.com: Kommen wir auf ein anderes Thema zu sprechen: In den letzten Monaten gab es von deutschen Rappern immer wieder Kritik am Deutschrap-Journalismus. Beispielsweise von Sido, der unter anderem Falk und Staiger negativ erwähnte oder die ewige Debatte darüber, ob es im deutschen Rap überhaupt "richtige Journalisten" gibt. Wie siehst du das?
Silla: Ich finde, dass da schon was dran ist, auch viel Klickgeilheit dabei ist und die Leute überall rumwuseln … Ich finde das auch nicht schlecht, aber das, was Rooz macht, ist journalistisch gesehen wahrscheinlich nicht so das Gelbe vom Ei. Weil er manchmal einfach nicht so kritisch hinterfragt. Ich finde, das macht Oliver Marquart von rap.de zum Beispiel ganz gut. Aber dessen bin ich mir auch bewusst – wenn ich zum Beispiel gehaltvoll über die Vergangenheit reden will, würde ich eher zu einem Oliver Marquart gehen. Und bei Rooz ist es einfach so: "Wir zelebrieren HipHop und pushen das ganze Ding jetzt hier gemeinsam". Es hat alles seine positiven Seiten, finde ich. Und ich bin nicht in der Position, dass ich irgendwas kritisieren muss.
MZEE.com: Gibt es denn irgendetwas, das dir total fehlt?
Silla: Ja, diese kritischen Fragen würde ich mir manchmal wünschen. Es gibt Künstler, die verbreiten ganz gefährliche Halbwahrheiten. Und dass da nicht mal einer kommt und sagt: "Hey, stopp! Was du da redest, ist jetzt nicht besonders gehaltvoll …" Da finde ich, dass sie sich ein bisschen mehr trauen könnten. Es ist halt viel dieses Klicks-Sammeln – Hauptsache, der redet jetzt irgendeinen Blödsinn. Am besten lässt man noch das Ende offen und dann kommt das nächste Woche noch mal. Und alles geht von vorne los. Ein bisschen auf den Punkt kommen wäre manchmal ganz cool.
MZEE.com: Wie findest du es, wenn Rapper sich zu Themen äußern, die mit der Musik gar nichts zu tun haben, zum Beispiel in die politische Richtung gehend?
Silla: Ich find' das gut. Rapper sollten auch ihre Reichweite nutzen, um sinnvolle Sachen zu sagen. Natürlich gibt es die eine Hälfte, die das befürwortet, während die andere Hälfte sagt: "Das ist kompletter Unsinn." Aber es muss auch Leute geben, die aufstehen und ihre Meinung klar sagen. Nur so kann man anregen und Änderungen herbeiführen. Das finde ich wichtig. Es gibt aber auch immer Leute, die mehr oder weniger dazu sagen können. Wenn du mich nach Doppelrhymes fragst und Beats, kann ich dir mehr darüber sagen als ein Politikwissenschaftler – und andersrum. Da muss man aufpassen, dass man nicht irgendwas sagt, nur um was zu sagen. Es muss schon fundiert sein, als dass man sich um Kopf und Kragen redet.
MZEE.com: Zum Abschluss würde ich gerne noch mal zu einem Thema von vorhin zurückkommen. Du meintest, dein Buch erzähle deine Geschichte von Geburt an bis jetzt. Hast du schon drüber nachgedacht, wo du in zehn, zwanzig Jahren stehst?
Silla: Ich hab' mir einen Zehn-Jahres-Plan gemacht mit einzelnen Etappenzielen. Und das ist eigentlich ein ganz guter Leitfaden …
MZEE.com: Was wird da aufgeführt?
Silla: Zum Beispiel, das Geschäft zu erweitern, Familiengründung … Ich denke, man sollte immer Plan A, B und C haben – so eine gewisse Vorstellung, wo es hingeht, muss man haben. Sonst irrt man ziellos umher. Das ist wie eine To-Do-Liste. Da stehen Sachen drauf, wie zum Beispiel für Januar: "Erstellung eines eigenen Merch-Shops". Und nächstes Jahr im Mai möchte ich dann eigene Fitnessbekleidung rausbringen. Das sind alles so Sachen, die man peu à peu abarbeitet, sodass man ständig in Bewegung ist. Und dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Man muss auch viel probieren …
MZEE.com: Und was ist das Ergebnis, an dem du in zehn Jahren stehst?
Silla: Das ist natürlich Häuschen, verheiratet, Kinder, Hunde …
MZEE.com: Witzigerweise nur Sachen, die mit Musik gar nichts zu tun haben.
Silla: Ja, das sind die wichtigen Dinge. Geld ist auch nicht alles. Ich mach' schon jeden Tag etwas dafür, dass ich die Familie auch ernähren kann. Aber das Wichtige ist eigentlich, dass man die Familie selber gründet. Ich möchte nicht mit 65 im Altersheim sitzen und es ist keiner mehr da. Ich möchte Leute um mich haben, die mich lieben und die sich dann auch um mich sorgen. Ein Stück weit schwingt da auch Nostalgie mit. Ich denke immer gerne an meine Jugend, die war total schön. Wir hatten auch ein Haus und mein Bruder und ich haben im Garten gespielt. Durch dieses Buch kam noch mal hoch, dass ich gemerkt habe, wie schön das alles war. Und ich denke, wenn man seine eigene Familie gründet, kann man sich ein Stück weit seine eigene Jugend zurückholen. Wenn du deine Kids im Garten siehst, mit denen Fußball spielst und so. Und dann das erste Mal Weihnachten, die großen Augen … uns als Erwachsenen gibt das eigentlich nichts mehr. Klar freut man sich auf Weihnachten, es gibt lecker Essen … Aber es ist eigentlich ein Fest für die Kids. Und es ist cool, wenn man das noch mal miterlebt. Meine Eltern haben alles dafür getan, dass es mir gut geht. Und das versuche ich, dann meinen Kids und meiner Frau zurückzugeben.
MZEE.com: Und neben dem Ganzen wirst du in zehn Jahren weiterhin Musik machen.
Silla: Werde ich definitiv. Das kann man nicht einfach ausknipsen. Man kann natürlich nie sagen, was passiert, vielleicht verliert man irgendwann die Lust. Aber Stand heute bin ich in zehn Jahren Labelboss, bringe meine eigene Musik raus und die von anderen Künstlern.
(Florence Bader)
(Fotos von Ondro Ovesny)