Unter der Hand war das Jahr 2015 mit Sicherheit DAS Jahr für den Azzlackz-Rapper Hanybal. Hatte er vor ein paar Jahren noch das Rappen an sich ad acta gelegt, so konnte der Frankfurter mit seinem Debütalbum "Weg von der Fahrbahn" direkt in die Top 15 der deutschen Charts klettern. Knapp ein Jahr später steht nun das Nachfolgewerk "Haramstufe Rot" in den Läden, das der Schützling von Haftbfehl laut eigener Aussage ohne Druck, aber umso motivierter erarbeiten konnte. Im Zuge des neuen Releases baten wir die Tage einen sichtlich gut gelaunten und entspannten Hanybal zum Gespräch. Wir sprachen mit ihm natürlich über sein neues Album und Biting-Vorwürfe in Bezug auf den Albumtitel sowie die deutsche Rapszene, besonders über seine Kollegen von der 187 Strassenbande und Alles oder Nix Records. Vor allem kamen aber Themen außerhalb der Musikszene zur Sprache – wie seine schulische und berufliche Laufbahn, sein Heimatgefühl für Frankfurt am Main, Religion und natürlich – MZEE-typisch – auch die aktuelle politische Stimmung in Deutschland.
MZEE.com: In unserem Jahresrückblick meinte Blut & Kasse, dass du im Jahr 2015 mit deinem Debütalbum und deiner "direkten, schamlosen Attitüde" alle Blicke auf dich gezogen hast. Wie hast du das Jahr 2015 denn selber empfunden?
Hanybal: Ich hab' auf mein Debütalbum auf jeden Fall viel positive Resonanz bekommen, deswegen habe ich das Jahr als sehr positiv empfunden. Ich hab' mich immer wieder gefreut, wenn Leute gesagt haben, ich sei der Krasseste aller Krassesten. (grinst) Ich liebe sowas. Und es fühlt sich auch heute immer noch gut an und alles ist super … Ich hab' bis jetzt alles richtig gemacht.
MZEE.com: Hast du das Gefühl, dass dein Debütalbum dein Leben von Grund auf verändert hat?
Hanybal: Nein, gar nicht. Ich bin jetzt ein bisschen motivierter, was Musik angeht. Vorher war das nicht so – da war das alles ein bisschen Larifari. Aber man kann nicht sagen, dass sich mein Leben jetzt großartig verändert hätte oder so.
MZEE.com: Was hast du denn beruflich gemacht, bevor du von Rap leben konntest?
Hanybal: Ich hab' in einer Spielhalle gearbeitet, als Spielhallen-Aufsicht. Seit vier, fünf Jahren mache ich das aber nicht mehr.
MZEE.com: Soweit ich weiß, warst du davor auf dem Gymnasium und hast das nicht fertig gemacht.
Hanybal: Genau. Ich bin nach der Grundschule aufs Gymnasium, dann zwei Mal sitzen geblieben und rausgeflogen. Danach bin ich auf die Realschule, bin da auch zwei Mal sitzen geblieben – auch rausgeflogen. Dann hab' ich erst mal nach der achten Klasse die Schule abgebrochen und mit 19 meinen Hauptschulabschluss nachgeholt.
MZEE.com: Hast du dir nie überlegt, noch mal zur Schule zu gehen?
Hanybal: Ich hatte in den Jahren auf jeden Fall öfter den Gedanken, vielleicht zur Abendrealschule zu gehen. Oder mir Papiere zu fälschen und direkt aufs Abendgymnasium zu gehen. Daran hab' ich schon gedacht. Aber im Endeffekt hab' ich's immer sein lassen, weil ich zu faul war … Leider. (überlegt) Hätte ich mal lieber Papiere gefälscht … (lacht) Das ist auf jeden Fall weiterhin eine Option.
MZEE.com: Du wirst die Tage dein neues Album "Haramstufe Rot" in die Läden bringen. Was genau erwartest du dir selber davon?
Hanybal: Ich hoffe natürlich, so viel wie möglich zu verkaufen. Und auch, dass allen Hany-Fans das Album gefällt und ich sie damit glücklich machen kann. (grinst)
MZEE.com: Da du es mit deinem ersten Album direkt in die Charts geschafft hast – lag beim zweiten jetzt ein besonderer Druck auf Dir?
Hanybal: Nee, unter Druck gesetzt hat mich das in keinster Weise. Das war mehr ein Antrieb für mich. Ich hab' gesehen: Cool, das ist gut gelaufen für ein Debüt. Das war nie Druck für mich, sondern immer nur Motivation und Ansporn.
MZEE.com: Der Begriff "Haram" bedeutet im arabischen Sprachraum so viel wie Sünde. Wie genau kam es zum Titel deines kommenden Albums? Den Begriff "Haramstufe Rot" kenne ich nur von einem alten K.I.Z-Release – aber ich gehe mal davon aus, dass du ihn nicht da herhast …
Hanybal: Nee, das hab' ich nicht da her. Ich hab' das aber natürlich mittlerweile mitbekommen. Viele Leute haben mir den Vorwurf gemacht, dass ich den Begriff daher kannte und gebitet hätte. Wenn man so will, ist das ein geflügeltes Wort in Frankfurt … bestimmt nicht mal nur in Frankfurt. Das Ganze liegt ja auch auf der Hand und ist nicht weit hergeholt: "Alarmstufe Rot", "Haramstufe Rot" … Ich denke mal, es nimmt keiner in Anspruch, dass er das erfunden hat. Von daher gehe ich ganz locker mit den Biting-Vorwürfen um – ich weiß ja, dass es nicht so ist. Bei uns verwendet man das Wort öfter, deswegen kam's dann irgendwie dazu. "Haram" heißt ja auch sowas wie verboten – oder eben Sünde. Und auf meinem Album erzähle ich viel über Sachen, die auf der Straße abgehen. Davon ist der Großteil Haram. Und deshalb dachte ich, das passt ganz gut: "Es brennt auf den Straßen", sozusagen.
MZEE.com: Auf die Rapszene runtergebrochen – gibt es da Themen, die gar nicht klargehen?
Hanybal: Im Endeffekt ist es mir scheißegal, was andere machen, solange sie mich nicht nerven. Es gibt natürlich viele Leute, die ich auslache oder lächerlich finde. Aber ich würde mich niemals darüber äußern, weil es mich einfach nicht interessiert. Ich hab' ganz andere Probleme, als mich über irgendwelche Rapclowns zu äußern … Natürlich hab' ich eine Meinung zu einigen Sachen, aber die werde ich nicht öffentlich sagen.
MZEE.com: Bist du eigentlich schon immer Rapfan gewesen und damit aufgewachsen? Ich hab' mal irgendwo gelesen, dass du durch einen Kumpel animiert wurdest, zu rappen …
Hanybal: Ja, wie du sagst – irgendwann meinte ein Freund zu mir: "Ey, Hany, du musst eigentlich anfangen, zu rappen!" Vielleicht, weil ich wortgewandt war … Auf jeden Fall hat er mir einen Beat per Bluetooth geschickt, ich hab' einen Text geschrieben und so hat das Ganze dann angefangen. Tada! (grinst) Aber ja, ich bin auch damit aufgewachsen. Ich hab' das Rödelheim Hartreim Projekt damals gehört, weil das natürlich auch Frankfurter waren. Aber auch, weil es meinen Geschmack getroffen hat. Danach kamen irgendwann Azad, Bushido … Es gab viele Rapper, die mir in den Jahren gefallen haben. Ich hab' früher auch ganz andere Sachen gefeiert … Zum Beispiel von Ferris MC oder Tefla & Jaleel. Die kennen die ganzen Kids von heute wahrscheinlich gar nicht mehr.
MZEE.com: Und wie ist das heute – hörst du die Platten, die neu rauskommen?
Hanybal: Es ist jetzt nicht so, dass ich den kompletten Überblick über die Szene hab'. Es fliegen mir immer wieder mal Namen von Rappern um die Ohren, die ich nicht kenne. Aber ich interessiere mich ehrlich gesagt auch nicht so richtig dafür …
MZEE.com: Da wir vorhin schon beim Thema "Sünde" waren, würde ich daran noch mal gerne anknüpfen: Welche Bedeutung hat denn das Thema "Religion" in deinem Leben?
Hanybal: Ich bin nicht der religiöseste Typ … Ich leb' meine Religion nicht so, wie ich es tun sollte. (überlegt) Was auch sehr schade ist. Ansonsten versuche ich natürlich, mich an so viele Sachen wie möglich zu halten. Aber jeder hat seinen eigenen Rucksack zu tragen und jeder muss auch sehen, wie er seinen eigenen Weg findet. Deswegen ist das alles gut so.
MZEE.com: Ist es dir egal, welche Religion die Menschen in deinem Umfeld haben?
Hanybal: Ja, natürlich. Für wen sowas 'ne Rolle spielt … der ist für mich unten durch. Ich kenne solche Menschen aber leider auch. Die müssen das selber wissen, aber für mich spielt das keine Rolle.
MZEE.com: Wie nimmst du denn von Frankfurt aus die politische Stimmung in Deutschland in den letzten eineinhalb Jahren wahr? Hast du das Gefühl, dass sich für dich persönlich etwas verändert hat?
Hanybal: Für mich persönlich, von meinem Mikrokosmos aus gesehen, überhaupt nicht. Oder wenn, dann wenig. Es gibt natürlich viele Leute in meinem Umfeld, denen es finanziell schlecht geht und die perspektivlos sind. Oder sich so fühlen, weil ihnen keiner Perspektiven aufzeigt. Generell, auf Deutschland bezogen, finde ich schon, dass viele kleine rechte Schweine ein bisschen mutiger geworden sind. PEGIDA, AfD, diese ganzen kleinen Nazischweine, die bis jetzt ihre Nazi-Leidenschaft immer versteckt ausgelebt haben – die sind jetzt etwas mutiger geworden. Und die Stimmung ist auf jeden Fall ein bisschen rougher geworden. Ja, aber mich persönlich betrifft das alles nicht. In meiner Gegend ist alles so, wie es vorher war. Aber ich empfinde es schon so, dass die gesamtdeutsche Stimmung ein bisschen umschlägt – wie man es auch in ganz Europa sieht. Dass viele rechte Parteien auf einmal an die Macht kommen, weil natürlich in vielen Ländern auch einiges Kacke läuft, die Leute irgendwann die Schnauze voll haben und dann bei irgendwelchen Populisten Antworten suchen und die auch finden. Und die Idioten ihre Wahlversprechen natürlich niemals einhalten können. Ich find' schon, dass sich einiges gewandelt hat – ja, auf jeden Fall.
MZEE.com: Macht dir das Angst?
Hanybal: Na ja, was heißt Angst … (überlegt) Wenn man länger drüber nachdenkt, könnte man vielleicht hier und da schon mal ein unwohles Gefühl kriegen. Aber richtig Angst hab' ich deswegen nicht. Mir tut's vielleicht mehr leid für Leute, die woanders von Nazis gepiesackt oder geschlagen werden. Bei mir in der Gegend gibt es ja keine Nazis. Oder zumindest keine, die die Klappe aufmachen. Aber ich denke mir schon: Krass, was in Deutschland alles möglich ist. In Frankfurt ist es eigentlich unvorstellbar, was man so in den Nachrichten liest. Ob das im Osten ist oder wo auch immer …
MZEE.com: Bist du denn jemand, der sich grundsätzlich mit politischen Themen auseinandersetzt?
Hanybal: Viel zu wenig, finde ich … ehrlich gesagt, kaum. Es kann sein, dass ich eine gute Auffassungsgabe hab' und wenn ich etwas aufschnappe, die Dinge direkt einordnen kann. Aber ich beschäftige mich kaum bis gar nicht mit Politik. Leider. Das ist eigentlich 'ne Schande.
MZEE.com: Wo wir gerade schon bei Frankfurt waren: Wohnst du immer noch in der Nordweststadt – dem Viertel, in dem du groß geworden bist?
Hanybal: Ja, ich wohne sogar immer noch in meiner Geburtswohnung.
MZEE.com: Kannst du dir vorstellen, aus Frankfurt wegzugehen?
Hanybal: Es sieht auf jeden Fall danach aus, dass ich für immer hier bleiben werde. Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben. Wenn es unter irgendwelchen Umständen wirklich sein müsste, könnte ich bestimmt auch in Berlin oder Hamburg leben. Dann wird es aber schon knapp … Ich möchte auf jeden Fall in Frankfurt bleiben, ja.
MZEE.com: Apropos "andere Städte": Du stehst mit der 187 Strassenbande und Alles oder Nix Records im engen Kontakt. Ihr kommt alle aus dem gleichen Subgenre – was ist für dich denn der grundlegende Unterschied zwischen Straßenrap aus Frankfurt, NRW und Hamburg?
Hanybal: Im Endeffekt gibt es schon einen roten Faden, wenn man so will. Es ist alles Straßenrap, dadurch werden ähnliche kriminelle Themen angesprochen – weil natürlich das jeweilige Umfeld oder die Künstler selbst auch kriminell sind. Aber natürlich sind die Verpackung, der Sound und der Style schon sehr verschieden bei uns allen. Oder mal mehr, mal weniger verschieden. Es hört sich auf jeden Fall nicht alles gleich an und das finde ich sehr schön. Wir sind alle Jungs von der Straße, aber alle in verschiedenen Städten und Regionen aufgewachsen. Und das hört man auch.
MZEE.com: Wo wir schon bei anderen Rappern sind: Du hast Anfang des Jahres erklärt, dass für Puff Daddy "Frankfurt zu ist" …
Hanybal: (grinst) Für Puff Daddy ist Frankfurt auf jeden Fall zu.
MZEE.com: … aufgrund der Gerüchte, die ihn mit dem Tod von Tupac in Verbindung gebracht haben.
Hanybal: Ganz genau.
MZEE.com: Hat sich daraufhin irgendjemand gemeldet?
Hanybal: Auf jeden Fall! Puffys Management hat mein Management angeschrieben. Die wollten den Fall klären, aber wir haben gesagt: "Verpisst euch, ihr kleinen Motherfucker! Wir sind Azzlackz!" Dann haben sie Eierzucken bekommen und sich nie wieder gemeldet. (grinst) Nein, Spaß. Da hat sich niemand gemeldet. Aber ich hab' auf Puff Daddy bei uns an der Tankstelle gewartet. Ich war bereit, mich mit ihm zu schlagen. Ich war bereit, es mit ihm auszutragen für Tupac. Aber er ist nicht gekommen.
MZEE.com: Ich hab' einen Redakteur, der immer sehr ironische Geschichten über Themen schreibt, die aktuell im deutschen Rap passieren … Er hat auch eine Geschichte über dich und Puff Daddy geschrieben.
Hanybal: Ehrlich?! (lacht) Das hab' ich gar nicht mitbekommen!
MZEE.com: Na ja, der Text wurde auch nicht veröffentlicht. Ich glaube, er hatte Bedenken, dass das falsch aufgefasst wird. Deshalb liegt das Ganze leider in der Schublade.
Hanybal: Ich will das auf jeden Fall lesen! Kannst du mir das vielleicht mal schicken? Ich würd' mich da echt freuen, ich wär' auf jeden Fall auch nicht böse gewesen. Obwohl, ich weiß' ja nicht, was er geschrieben hat. (lacht) Vielleicht wäre ich doch böse geworden, wer weiß … Nee, ich finde sowas eigentlich gut. Man muss auch über sich selber lachen können.
MZEE.com: Kommen wir mal zum Ende: Nachdem du ja in kurzer Zeit schon recht weit gekommen bist, würde ich gerne wissen, welche Träume du noch in Bezug auf deine Rapkarriere hast.
Hanybal: Ich will auf jeden Fall noch einiges an Musik machen. Ich werd' versuchen, Stück für Stück zu wachsen, immer mehr zu verkaufen, erfolgreicher zu werden. Bessere Musik zu machen oder zumindest so gute Musik wie jetzt zu machen. Nicht irgendwann zu verkacken, wie es bei einigen läuft. Ich seh' das alles locker, setz' mir keine großen Ziele, hab' keine großen Erwartungen. Ich hab' einfach große Träume und verlass' mich drauf, dass irgendwann alles klappt.
MZEE.com: Und zu guter Letzt noch eine Frage ganz anderer Art: Macht Rap dich glücklich?
Hanybal: Ja. Auf jeden Fall … (überlegt) Als Abschluss-Statement würde ich gerne noch sagen: Ich liebe Koalabären, weil Koalabären schmecken suuuuuper. (grinst)
(Florence Bader)