Und ich heb' das Niveau hoch und leg' es dorthin …
Wo du nicht rankommst – da langt auch was ganz, ganz Kleines.
Die ersten Worte stellen für mich persönlich immer einen magischen Moment dar. Dabei ist es fast schon egal, ob es sich um einen Menschen, ein Buch oder ein musikalisches Werk dreht. Denn immerhin prägen diese Worte den ersten Eindruck maßgeblich, von dem bekanntermaßen so viel abhängt. Unerwartet und zugegebenermaßen leicht beunruhigend ist es da, wenn der Beginn einen Teil des Endes, und zwar einer Grabrede, darstellt. "I am the resurrection and the life. He who believeth in me, though he were dead, sayeth the lord, yet he shall live. Deliver your servant Christopher …". In solchen Momenten fällt es schwer, eine passende Antwort zu finden. Doch besondere Anfänge gehen mit besonderen Werken einher. Und dieses hat eine Antwort auf alles: "You know what, babe? Fuck it."
"Fuck it". Zwei simple Worte, die sowohl den Künstler Chris Miles als auch sein neuestes Release nicht treffender beschreiben könnten. Ein vorhersehbarer Flow und Betonungen nach Norm? "Fuck it". Die 08/15-Themenpalette präsentiert in standardisierter Vortragsweise? "Fuck it". Chris Miles tickt einfach anders – und das merkt man ab Sekunde eins. Zwar zieht man als Hörer durch die dargebotene Ignoranz wie auch die allgemeine Delivery unweigerlich Parallelen zu Chris' Kumpel Lance Butters, allerdings wäre es anmaßend, die beiden unter denselben Hut zu stecken. Während die Gemeinsamkeiten vor allem auf dem Kollabo-Track "…" deutlich werden, liegt der Unterschied letztendlich im Detail. Auch Chris Miles liebt den Blick von oben herab, sei es auf die Welt im Allgemeinen oder die Rapszene im Speziellen. Anglizismen werden sooft wie möglich genutzt und vor allem ist er "laid-back und so. Wie laid-back? Ey, mehr laid-back wär tot". Doch der komplette Charakter, den der Künstler präsentiert, wirkt deutlich negativer, düsterer und in sich gespaltener, was sich letztendlich in der Atmosphäre des Albums widerspiegelt. Diese liegt irgendwo zwischen dem Hass des Protagonisten und generell grauer Tristesse. Zeilen wie "Und diese Szene ist ein Haufen voller Trottel. Du willst Competition? Komm doch her, Bitch, ich reiß' dein' Kopf ab" oder "Leute sagen oft, ich seh' aus wie 'ne Leiche. Ich bin noch nicht tot, bis auf paar Teile" bilden dieses wechselhafte Stimmungsbild eindrücklich ab. Während Chris dabei auf einem ruhigen, düsteren und doch zeitgleich intensiven Klangteppich – ausschließlich produziert von Dollar John – stolziert, wird einem immer bewusster, dass die einleitenden Worte wohl kaum treffender hätten sein können.
Die "Fuck it LP" ist weiß Gott kein Album für jedermann. Durch seinen Stil abseits der Norm ist der Künstler selbst ebenso speziell wie die allgemein düstere und fast schon unterschwellig depressive Stimmung. Wer allerdings ein Gesamtprodukt sucht, das im Zusammenspiel aus Artwork, dargebotenen Texten und musikalischer Untermalung enorm viel Liebe zum Detail, Überraschungen en masse und eine gehörige Portion Einzigartigkeit bietet … nun ja, der kennt die magischen Worte bereits: "Fuck it".
(Lukas Maier)
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[itunes link="https://itunes.apple.com/de/album/f**k-it/id1110337876" title="Chris Miles – Fuck It"]