Mein Ghost für die Ewigkeit, Amen.
RAF Camora ist ein umtriebiger Rapper. Zwei Alter Egos hat er in den letzten Jahren in komplett unterschiedliche Richtungen ausgearbeitet. Nun soll mit "Ghøst" die endgültige Symbiose von RAF 3.0 und RAF Camora gelingen. Das bedeutet die Verschmelzung von eigensinnigen Gesangspassagen auf der einen mit düsteren Rap-Fragmenten auf der anderen Seite. Das Ergebnis konnte bereits in zahlreichen Auskoppelungen bewundert werden und insbesondere "Dämonen" hat, trotz reichlich Pathos, meine Neugierde geweckt. Doch kann der eigentümliche RAF-Mix auch auf Albumlänge in eine abgerundete Form gebracht werden?
Über weite Strecken von "Ghøst" scheint das angestrebte Konzept aufzugehen. Vor allem in puncto Produktionen fährt RAF einen Facetten- und Einfallsreichtum auf, welcher im deutschsprachigen Rap seinesgleichen sucht. Futuristische Synthesizer werden mit breiten Drumsets und epochalen Streichern gekreuzt, sodass der Hörer einem Soundteppich gegenübersteht, der dichter und großspuriger kaum sein könnte. Dancehall, Reggae oder Pop – RAF ist sich für keinen Einfluss zu schade und verbaut die Versatzstücke gekonnt zu detailreichen und stimmigen Instrumentals. Angesichts dieser kunstvoll musikalischen Untermalung ist man oftmals bereit, die textlichen Aussetzer des Protagonisten zu verzeihen. Selbst der floskelhafte Track "Hero" mit Kontra K kann, obwohl gefährlich nah an der Grenze zum gemeinen Kopf-hoch-Track, dank dem stimmungsvollen Soundbild und Arrangement die angestrebte Atmosphäre evozieren. Allerdings schießt der Rapper hier und da auch gewaltig über das Ziel hinaus. "Panzer" beispielsweise verliert sich in seiner eigenen Absurdität. Bereits in der Hook werden stumpfe Zeilen wie "Alles egal, ich hab' 'nen Panzer aus Stahl" aufgefahren. Die groteske Spitze findet sich jedoch im Outro des Tracks, bei dem epochale Orchestermusik auf eine schiefe E-Gitarre trifft. So bleibt schließlich auch der hart verdiente Hörgenuss auf der Strecke. Ähnliche Fehlgriffe finden sich bei den Features. Zwischen Metrickz' geleckter Oberflächlichkeit und der Stumpfheit eines Farid Bangs schaffen es nur wenige Acts, wie zum Beispiel Bonez MC, sich kohärent in das eigenwillige Soundkonzept von RAF Camora einzufügen.
Zuletzt fehlt es dem Österreicher also doch etwas an Fingerspitzengefühl. Seine Musik ist stellenweise tatsächlich formvollendet, doch fallen dafür die einzelnen Aussetzer umso stärker ins Gewicht. Den propagierten gottesähnlichen "Ghøst" hat RAF also nicht abgeliefert, eine lediglich durchschnittliche oder gar schlechte Platte allerdings auch nicht.
(Florian Peking)
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