Kurz vor Release seines neuen Albums "Fuck it LP" hält sich der Hamburger Chris Miles auffällig bedeckt. Nach einer EP im Jahre 2013 und seinen Auftritten als Begleitung von Lance Butters war es generell sehr ruhig geworden um den "Wasted YoutHH Sergeant". Umso mehr hat uns die Gelegenheit gefreut, uns nun mit ihm zusammenzusetzen. Wir sprachen über seine offensichtliche Abneigung gegenüber dem Rap-Game, seine Einstellung zu Promo sowie sein musikalisches Umfeld. Und auch die Frage, welchen Zweck Skits erfüllen, konnte endlich geklärt werden …
MZEE.com: Keine Werbung, keine Interviews, nur ein Video vorab. Am 30.04., untypischerweise einem Samstag, releast du dein Album "Fuck it LP". Wieso hast du so wenig Wert darauf gelegt, bereits im Vorhinein so viele Hörer wie möglich auf deine Platte aufmerksam zu machen?
Chris Miles: Mich nervt das selber, wenn jemand alle fünf Minuten postet, wo und wie man sein Album bestellen kann. Link anklicken, bezahlen, warten. So schwer ist das doch nicht … Deswegen hab' ich selbst auch drauf geachtet, keinem auf die Nerven zu gehen, nur wichtige Informationen zu teilen und das Ganze auch auf einem etwas professionelleren Niveau zu halten. Außerdem denke ich, wer etwas von mir hören möchte, wird das auch irgendwie tun.
MZEE.com: Zwischen "alle fünf Minuten posten" und "der letzte Post zu deinem Album auf Facebook kam vor einem Monat" ist ja doch ein kleiner Unterschied … Meinst du nicht, dass du dir damit auch selber ein paar Hörer nimmst? Oder ist dir die Zahl der Hörer tatsächlich so egal?
Chris Miles: Ganz egal ist es natürlich nicht, weil ich sonst ja auch einfach meine Musik ganz für mich alleine im Zimmer hören könnte. Würde mir wiederum auch viel Stress ersparen. Vielleicht mach' ich das ja in Zukunft. (lacht) Ich hab' ein Musikvideo gedreht, einen Teaser und eine kleine Preview. Auf Instagram gab es hier und da mal was und Facebook steht doch schon mit einem Fuß im Grab … Um auf die Hörer zurückzukommen: Klar ist es schön, wenn möglichst viele die Musik hören oder kaufen, aber mit einer großen Zahl an Hörern erhöht sich auch das Risiko, sich mit mehr Idioten umgeben zu müssen. (überlegt) Ich denke, ich mache das, was in meiner Macht steht …
MZEE.com: Lass uns einmal auf dein in Kürze erscheinendes Album zu sprechen kommen. Wer genau war denn an der Entstehung der Platte alles beteiligt? Soweit wir wissen, gibt es nur ein Feature – und zwar von Lance Butters – und die Beats stammen von DollarJohn?
Chris Miles: That's it. Im Großen und Ganzen bin ich alleine für alles verantwortlich, was rund um die Platte geschehen ist. Die Beats wurden alle von John produziert. Mal saß ich daneben und hab' ihm Sachen wie "Mach mehr von dem 'rtrtrt' rein", "Der Bass muss lauter", "Hast du nicht so'n Knatschen?", "Mehr Schüsse!" um die Ohren geworfen. Und ein paar Beats hab' ich bei ihm gehört und gesagt: "Genau so, genau der". Das einzige Feature, Lance, war gleichzeitig auch eine große Hilfe in beratender Position. Ohne ihn würde das Ganze wohl nicht ganz so sein, wie es jetzt ist. Artwork und der visuelle Rest geht soweit auch alles auf meine Kappe.
MZEE.com: Du hast mit zwei Titeln namens "Pause" Skits auf deinem Album untergebracht. Ich persönlich habe noch nie so ganz den Sinn hinter Skits verstanden. Vielleicht kannst du uns ja kurz erzählen, warum man sie als Künstler auf einem Album unterbringt …
Chris Miles: Also, vorab sollte das jetzt nicht als universelle Ausrede gelten, aber hier passt es einfach in das Konzept des Albums. Wenn man es am Stück hört, ohne etwas zu skippen, macht das alles schon Sinn. Aus produzierender Sicht: Playtime. Playtime. Playtime. Ein schlimmes Wort.
MZEE.com: Da deine letzte EP "Fuck it EP" hieß, steht nun natürlich im Raum, ob es sich bei deinem Album um die logische Weiterentwicklung der EP handelt … Was sagst du dazu?
Chris Miles: Das kann man gerne so sehen. Ist es ja auch logischerweise immer, da Zeit vergangen ist und man sich in gewissen Dingen entwickelt hat, in welche Richtung auch immer. Es gibt ja auch einen Titel, "Welcome 2 Hell", der sich bisher durch alle veröffentlichten Werke zieht. Für mich ist es die Steigerung von der EP zum Album. Das ist ein großer Schritt, aber das Motto ist einfach das gleiche geblieben: Never change a winning team.
MZEE.com: Du hast bereits in einem Interview vor fast vier Jahren angekündigt, ein Album zu releasen. Kannst du uns von 2012 bis heute den Verlauf deiner musikalischen Karriere anhand der wichtigsten Meilensteine kurz in Worte fassen?
Chris Miles: Karriere? Ich hab' nichts gemacht. Vielleicht hier und da mal irgendeinen Feature-Part. Kann sein, dass ich auch Sachen vergessen habe. Man, 2012 … Ich weiß es nicht. Sonst war ich ja mit Lance auf Tour, zum zweiten Mal. Bald wieder und ja sowieso live unterwegs mit dem jungen Mann. Was mich selbst angeht, trete ich nicht gerne auf. Meine Musik ist an sich auch nicht Club- oder Live-tauglich, zumindest 70 Prozent der Tracks sind nicht dafür geeignet. Ich habe wirklich die ganze Zeit an dem Album gearbeitet – mal mehr, mal weniger.
MZEE.com: Und warum hat das Ganze so viel Zeit gebraucht? Gab es schon mal eine andere Version des Albums oder hast du wirklich die ganze Zeit an den Tracks gearbeitet, die jetzt drauf sind?
Chris Miles: (lacht) Schön wär's, 'ne andere Version. Nein, ich habe nach der EP bestimmt ein Jahr lang einfach gar nichts gemacht … Gar nichts? Gar nichts! Dann ging es langsam los, dass ich einen Beat hatte – of course – und ich da unbedingt drauf schreiben wollte. Das geschah auch recht schnell, weil ich den ersten Part schon auf der ersten Tour mit eben genanntem Rapper fertig hatte und probeweise live gespielt habe. Der lag dann lange rum und war mir zu schade, um den einfach so lieblos hochzuladen, weil der Part halt einfach zugegeben viel zu gut war. (lacht) Ja, so hab' ich halt gedacht. Aber trotzdem habe ich mich nicht weiter drum gekümmert. Dann ging es langsam weiter mit Beats von John. Mir haben einfach immer mehr gefallen und ich hab' gemerkt, dass es viel leichter ist, wenn man es selbst in der Hand hat, die Beats zu beeinflussen, bevor sie wirklich fertig sind. Sonst gab es ja so gut wie nichts auf eigenen Beats von mir. Das hat mich dann dazu gebracht zu sagen: "Ich mach' jetzt ein Album". Tja, und das hat dann gedauert.
MZEE.com: Wir haben schon mal in die "Fuck it LP" reingehört und das Gefühl, dass dein Style auf dem neuen Album noch verhasster und genervter wirkt, als man es bisher von dir gewohnt ist. Siehst du das genauso?
Chris Miles: Echt? Sehr gut! Ist das komisch, wenn ich das als Kompliment sehe?! (überlegt) Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken gemacht. Wurde mir auf jeden Fall bisher noch nicht bestätigt von den wenigen, die es gehört haben.
MZEE.com: Gibt es denn viele Menschen, von denen du dir das Feedback zu deiner Musik so richtig zu Herzen nimmst?
Chris Miles: Nicht wirklich. Mir ist schon irgendwie wichtig, was man darüber sagt, aber die Meinung insgesamt interessiert mich nicht. Das klingt zwar widersprüchlich, macht aber total Sinn, wenn man drüber nachdenkt. Also, ich will damit sagen, dass es mir egal ist, wenn es jemandem nicht gefällt, weil das ja normal ist. Nicht jeder muss das mögen oder dem etwas abgewinnen können. Aber für das, was es ist, sollte man es anerkennen. So mache ich das auch bei anderen. Bei den Menschen, bei denen es mir wichtig ist, ist das Gefühl natürlich ein anderes. Unabhängig von dem Album kam auch vor circa 'nem halben Jahr ein Track von Tyler (The Creator, Anm. d. Red.), der "Fuck It" heißt, aus dem ich gerne zitiere. Auch wenn ich noch kein Album draußen habe, das alle hassen, obwohl ich es selber klasse finde, verstehe ich das Zitat total und es beschreibt das Gefühl, ein Album gemacht zu haben, am besten: "My child is product of me, very honest/ Left of center, very different, they didn't want us/ They didn't get us, didn't fit enough for their standards/ Diverse and loud, so they ignore us/ You put your life in a child that everybody hates/ Now everybody hates Papa despite that Papa's great/ But that's your favorite child boy. That's your favorite one/ You got kids? Nope, I'm talking 'bout that Cherry Bomb".
MZEE.com: Wo wir schon bei anderen Rappern sind … Hört man sich deine Tracks an, wirkt es so, als fändest du 99 Prozent aller deutschen Rapper richtig beschissen. Stimmt das? Woran genau liegt das?
Chris Miles: Ich höre mir keinen deutschen Rap an. Es gibt nichts, wo ich sagen würde: "Unglaublich, das muss ich unbedingt haben, ich will mehr von dem hören". Es gibt natürlich deutsche Rapper, die ich auch wirklich feier', aber die stehen auch nicht gerade für "deutschen Rap". Ich kann euch nicht sagen, wer aktuell der Shit ist oder wer am besten verkauft. Ich hab' meine Infos hauptsächlich aus Fler-Interviews und deren Antworten. Und aus hasserfüllten Telefongesprächen über dies und jenes. Sonst beschäftige ich mich auch einfach zu wenig mit Rap an sich. Ich geh' in keine Clubs, auf keine Partys, chatte nicht mit tausend Freunden über den neuesten Trend und mich interessiert halt auch sonst nicht viel. Deswegen hat das Thema "Deutschrap" da auch keinen großen Platz. Es hat einen, aber keinen großen. (überlegt) Ich finde aber auch viele Ami-Rapper richtig beschissen, um das fairerweise hinzuzufügen. Ich finde generell viel beschissen …
MZEE.com: Ist dir die Szene eher egal oder regt sie dich auf? Und welches Thema der deutschen Rapszene hat dich denn zuletzt so richtig abgefuckt?
Chris Miles: Ich würde gerne "egal" sagen, aber dazu rege ich mich dann oft doch zu doll drüber auf. Ich habe aber auch das Glück, kein großer Teil dieser Szene zu sein, von daher passt das schon … Puh, welches Thema. Ich finde ja die Realness-Debatte ganz schlimm. Aber so, dass es mich abfuckt? Dafür habe ich eine zu schwache emotionale Bindung dazu.
MZEE.com: Da du ja eben meintest, es gäbe auch deutsche Rapper, die du feierst … Welche drei deutschen Rapper findest du denn ziemlich gut? Oder zumindest ganz okay?
Chris Miles: Na ja, das ist dann auch wieder einfach, weil die alle im Dunstkreis sind … Lance, Ahzumjot, ich hör' gerne meine eigenen Tracks als Privatperson. Ist leider wirklich so, sorry. Also zählt das auch. (lacht) Und dann noch so Leute wie Harry (Prinz Harry aka Harry Quintana, Anm. d. Red.) natürlich. Dissy ist auch cool, sowas halt. Gibt sicher noch mehr, die "erträglich" sind, aber da fällt mir direkt nichts ein. Mir gefallen auch hier und da mal wieder Tracks von anderen Rappern, aber oft halt nur kurz. Oder man lacht mal drüber. Aber so richtig gut finden, das ist schon schwierig. Die machen es einem halt auch nicht leicht.
MZEE.com: Savas sagte letztens, es sollte eine Art Jury geben, die entscheidet, ob jemand in Deutschland rappen darf oder nicht. Siehst du das genauso?
Chris Miles: Gutes Beispiel. Genau das hab' ich auch gesehen. Nein, auf keinen Fall. Wär doch halb so lustig.
MZEE.com: Vor allem bei Äußerungen auf deiner LP wie "Dieses Rapding ist an sich nur Scheiße. 'Ne Reise durch Deutschland für ein bisschen Beifall" stellt sich die Frage, was deine Motivation dafür ist, das Rappen nicht einfach an den Nagel zu hängen. Eine tiefe Verbundenheit zur Szene ist es offensichtlich nicht. Liegt es daran, dass dir das Ganze doch etwas gibt, das du nicht missen willst?
Chris Miles: Ich wollte immer ein Album machen. Das war mir wichtig. Vielleicht mach' ich hiernach nie wieder was. Könnte passieren. Die erste EP war was Neues, mehr Leute hörten meine Musik, das war einfach interessant. Die zweite EP war dann schon etwas durchdachter. Die Tracks hatten mehr Struktur und Feeling, welches sich nie so wirklich geändert hat. Deswegen wollte ich immer ein richtiges Album daraus machen. Daher auch derselbe Titel: "Fuck it". Das habe ich meiner Meinung nach geschafft und nun ist nichts mehr zu dem Thema zu sagen, also zu mir. Wer mich kennt, weiß sicher, was ich damit meine.
MZEE.com: Kommen wir auf dein aktuelles Umfeld zu sprechen. Vor ein paar Jahren konnte man dich einerseits zu Lance Butters zählen, andererseits zu Hamburger VBTlern wie den Jungs der Reimebude, Mio Mao und James Cook. Dass du immer noch eng mit Lance zusammenarbeitest, ist durch eure Tour und sein Feature auf deinem Album offensichtlich. Bei DollarJohn durch seine Album-Beteiligung ebenfalls. Wie steht es um den Kontakt zu den anderen Jungs – wer ist heute hauptsächlich als dein Umfeld zu bezeichnen?
Chris Miles: Mein Umfeld ist noch kleiner geworden. Über die Jahre schrumpft so etwas automatisch. Aber im Grunde genommen sind es immer die gleichen Leute, seit vielen Jahren. "No new friends", Drake-Voice.
MZEE.com: Zum Abschluss haben wir noch ein Zitat aus dem Track "Fuck it" deines Albums mitgebracht: "Ich kenn' mich aus mit so Leuten wie dir, die wissen nicht, ich weiß: Ihr wisst gar nichts von mir". Erzähl uns doch zum Ende noch drei Dinge von dir, die wir garantiert noch nicht wussten.
Chris Miles: Yeah, Gossip. Ich habe keine Laktoseintoleranz, aber trinke nur laktosefreie Milch. Ich steh' gern in der Küche und koche – ja, wie eine richtige Frau. Und ich hab's nur bis zum braunen Gurt in Judo geschafft, als ich noch etwas kleiner war … Das gefällt euch doch sicher. (grinst)
(Florence Bader & Moritz Gräfrath)