Liebt oder hasst mich – es bleibt trotzdem eine Obsession.
2016 könnte für Chima Ede wahrlich unter schlechteren Sternen stehen. Während sein Werk "Lebenslust" im vergangenen Jahr noch weitestgehend in der Flut an Veröffentlichungen unterging, mauserte sich der Berliner in letzter Zeit zum absoluten Geheimtipp der Szene. Ein Hang zur Musikalität, das Gespür für soundtechnische Trends und die thematische Offenheit, auch mal gesellschaftliche Probleme ehrlich anzusprechen ("Wir sind das Volk") – all das vereint Chima Ede. Doch was bringt die Zukunft mit sich? Der Blick geht gen "2023".
Versucht man das Release nach möglichst objektiven Kriterien zu bewerten, so fällt das Urteil relativ eindeutig aus: Chima Ede versteht sein Handwerk vermutlich wie nie zuvor. Der Berliner kann rappen und unterstreicht innerhalb diverser Produktionen, welche sowohl Trap- als auch Cloud-Elemente mischen, seine musikalische Ader. Zusätzlich präsentiert er ein thematisches Spektrum auf zunächst tiefgängigen und im späteren Verlauf aggressiveren Songs, was definitiv eine gewisse Hörerschaft anzusprechen weiß. Traurigerweise findet sich allerdings gerade in emotionaleren Passagen phrasenhaftes Füllmaterial mit starken Tendenzen zum Kitsch ("Zerbrochenes Glas"), sodass vorher geschaffene Bilder leider sehr schnell verworfen werden. Dies ist besonders schade, weil Chima Ede auf der EP ebenfalls unter Beweis stellt, dass er inhaltlichen Tiefgang so viel besser vermitteln kann. So spricht er beispielsweise auf dem Song "Wo wart ihr" über all jene, die sich wie eine Fahne im Wind verhalten und gerade in sonnigen Zeiten plötzlich an der eigenen Seite zu finden sind – ganz egal, wie kritisch sie sich im Vorfeld äußerten. Allerdings kommen die wahren Highlights erst in der zweiten Hälfte der EP wirklich zum Vorschein. Auch dieser Teil der Platte ist nicht gänzlich von Phrasen befreit, was jedoch bei aggressiveren Titeln schlicht und ergreifend nicht so sehr ins Gewicht fällt. Ein Highlight dieser Songs stellt "Real" dar. Ein offensiver, arroganter Titel, auf dem man den Hunger aller beteiligten Künstler – unter anderem Mauli, Marvin Game und Holy Modee – förmlich spüren kann. Allein durch die vermittelten Vibes von Chima Ede und seinem musikalischen Umfeld entsteht somit die Spitze der EP.
Und trotzdem tue ich mich schwer mit "2023". Es lässt sich nicht sagen, dass Chima Ede schlechte Produktionen hat oder er nur Blödsinn redet – nein, im Gegenteil. Auf der einen Seite macht er alles richtig, was man sich wünschen könnte; auf der anderen fehlt jedoch einfach das richtige Feeling, um den Hörer mitzureißen. Passagenweise schafft der Künstler dies vielleicht auf einzelnen Songs, aber nicht auf der gesamten EP. Dass der mit "2023" eingeschlagene Weg allerdings nicht die schlechteste Entscheidung war, beweist das Werk allemal. Ob der Rapper damit aber den Lobhuldigungen gerecht wird, ist ein anderes Thema.
(Lukas Maier)
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