Die nachfolgende Kolumne stellt einen in unregelmäßigen Abständen erscheinenden Beitrag des Autors "Busy Boy Jay" dar und entspricht nicht zwangsläufig der Meinung der Redaktion.
So, ich äußere mich jetzt zu dieser Glo Up Dinero Gang – turn up – und diesem Boy – sheesh. Eigentlich kann ich mich damit ja nur in die Scheiße setzen … weil die Internet-Glo-Up-Army alles auf Richtigkeit (Lobpreisung) überprüft. Aber nörgeln, dass man irgendwas nicht sagen darf, hat was von Xavier Naidoo oder der AfD. Man darf ja prinzipiell mal alles – in Saudi Arabien kann man für einen Tweet mächtig Steine in die Fresse bekommen. Hier muss man nur damit klarkommen, dass man dafür halt mit faulen Kommentaren beworfen wird.
Die Glo Up Dinero Gang darf auch alles: Witze über Andy Lubitz und seinen Flugsitz machen, E-40s "Choices" klauen und vorher als Video in noch witziger rausbringen, so gut wie jede Frau als "Fiqqhure" betiteln, sich Namen wie Medikamenten Manfred geben … Gut, ab und zu werden sie dann angefeindet von Rap-Schwergewichten wie Kitty Kat oder KC Rebell, die man selbst für ihre mitfühlenden, politisch immer korrekten Sanftmütigkeitsorgien kennt. Aber im Prinzip darf die Gang alles. Gut, ab und zu schauen sich Facebook-User einen dieser beatlosen Im-Liegen-Freestyles von Hustensaft Jüngling an und schreiben dann drunter: "Alter, krass, wie schlecht bist du denn?" Haha, als seien "gut" und "schlecht" Kategorien für den Hustensaft Jüngling. Mois, mach dich doch nicht lächerlich. Gut, ab und zu bekommt Staiger auf der letzten Seite des Saft-Magazins einen Hass auf die WICK MediNait-Überdosis-Bubis, weil sie angeblich den Klassenkampf durch stumpfen Hedonismus und Trash-Feierei ersetzt haben. Aber die Gang darf das halt.
Und da die Gang sich alles erlaubt, ist die fucking Gang mittlerweile zum größten und wichtigsten Internet-(T)Rap-Movement der letzten Jahre aufgestiegen. Und jeder Fucker, der sie kennt, hat eine Meinung zu ihnen oder zumindest Money Boy an sich. Die Jünger – meistens etwas jünger (Oh Shit, sheesh, burr #nextlevelvergleiche) – huldigen der Gang, der Rest ist fassungslos und entwickelt nicht selten einen gewissen Hass auf die GUDG. Hass wahrscheinlich deshalb, weil sie sehr viele Fans haben. Hätten sie keinen "Erfolg", wäre es ein RTL II-Freakshow-Glotzen oder das gute alte Mitleid. Weil die Gang aber Erfolg hat, obwohl sie faktisch einen Fick auf Soundqualität, Urheberrechte, Taktgefühl, Reimstrukturen (ernsthaft?), Songwriting oder Inhalt an sich gibt, ist es halt Hass. Und ganz ehrlich: Ich kann den Hass verstehen. Mir geht tierisch auf den Sack, dass jetzt alle diesen sprachbehinderten Slang benutzen müssen im Netz – der Joke ist langsam alt. Mir geht es hart auf die Eier, dass ihre dummbeutelige Followerschaft meint, sofort mit eben 1 blöden Slang am haben been für die Gang in die Bresche springen zu müssen, sobald ein kritisches Wort über sie fällt. Es stört mich, dass manche Trottel nicht abstrahieren können und ein abgewichstes Frauenbild mitnehmen. Es nervt mich, dass manche Jerks nicht abstrahieren können und ein debiles Drogenbild mitnehmen. Ich hasse es, dass sie viel mehr Aufmerksamkeit bekommen als andere Rapper, die wirklich fantastische Musik machen. Aber Hass entsteht eben auch aus Missverständnissen und natürlich durch die Dark Side of the Force. Denn was haben wir von Meister Yoda gelernt? "Fear leads to anger. Anger leads to hate. Hate leads to suffering." Deshalb beantworte ich mir jetzt selbst ganz nüchtern vier sinnbefreite Fragen zur GUDG. Nüchtern wie ein Jedi, der nichts getrunken hat. (Ohhh Shit, sheesh #nextlevelvergleiche.)
Erste Frage: Dürfen die das? Äh? Ja. Das ist der Ur-Gedanke von Kunstfreiheit. Auch wenn Sido ja beispielsweise Satire verbieten möchte, die Gefühle verletzt (da bietet sich eine Zusammenarbeit mit dem IS an). Die GUDG sind keine Politiker, sondern, ob man will oder nicht, Musiker beziehungsweise Künstler. Also schieb ab, Kitty Kat.
Zweite Frage: Meinen die das ernst? Das ist in meinen Augen die dümmste Frage, die man über einen Künstler stellen kann. Ein Künstler erschafft ja wohl erst mal ein Kunstwerk. Wie er das meint, ist entgegen der durchschnittlichen Deppenmeinung scheißegal. Und jetzt noch mal zum Mitschreiben für jeden Klugscheißer aus dem Deutsch-LK: Was ein Künstler mit einem Kunstwerk sagen will, ist ein Fick im Gegensatz zu dem, was das Kunstwerk einem sagt und warum es, im Gegensatz zu anderen Kunstwerken, funktioniert. Eine Frage, die sich auch alle Versager-Wannabe-Realkeeper mal stellen könnten, wenn sie langweilige Scheiße wiederkauen und sich über den Kulturverfall aufregen.
Dritte Frage: Ist es nicht total fake, dass Money Boy den Ami-Lifestyle nachahmt, obwohl er aus Wien kommt? Eine solche Frage stellen auch nur Eisenköppe, die ihren Lebtag die Vereinigten Staaten von Amerika noch nicht von innen gesehen haben. Money Boy raucht Heroin, hat eine große Fresse und sabbelt und sabbert Kodein-berauschten Unfug in jedes Mikrofon. Das ist mal total geil, mal wirkt es einfach nur minderbegabt. Gucci Mane lässt sich eine Eistüte ins Gesicht hacken, Chief Keef macht ganze Songs aus einem genuschelten Wort und fuchtelt mit vollautomatischen Waffen herum, Young Thug telefoniert am liebsten mit Geldbündeln. Mal ist das total geil, mal wirkt es einfach nur debil. Offensichtlich können sich alle auf Ice, Kodein und Marken-Love einigen. Brüder im Geiste also. Nur ist es aus so mancher deutscher Sicht ziemlich kool, so etwas in den USA zu tun, während es unglaublich unkool ist, so etwas in Austria zu tun. Denn in den USA sind ja die Umstände so, dass … Ja, ja, ve ve. Ja, es gibt unterschiedliche Umstände. Aber die USA sind nicht Somalia. Man kann dort tatsächlich auch ohne M16 oder Eistüte im Gesicht rumlaufen. Am Ende ist ein Telefonat mit Geldbündeln eben auch einfach ein Telefonat mit Geldbündeln und eine Kodein-Abhängigkeit eben eine Kodein-Abhängigkeit, ungeachtet der Hautfarbe und der Postleitzahl. Und all jene, die in den USA so mystische Orte wähnen, in denen das alles unglaublich viel Sinn macht, sollen es doch bitte Prinz Pi gleichtun und mal ein Video in Detroit schießen. Es mag der deutschen Weltordnung nicht entsprechen, aber auch in Wien gibt es strange Gründe dafür, mit merkwürdigen Substanzen anzufangen und sich schlecht tätowieren zu lassen. Am Ende des Tages ist Money Boy vielleicht der einzige deutsche Rapper, der den von ihm propagierten Lifestyle auch wirklich lebt – was nicht heißt, dass er nachahmenswert ist.
Vierte Frage: Warum wird LGoony sogar von Musikzeitschriften so gehypt? Ich hole etwas aus. In meinen Augen lässt sich die GUDG in drei Kategorien der Mitglieder unterteilen: An erster Stelle Money Boy, als Zweites komplette Nichtskönner und dann die echten Talente. Der Boy hat sich selbst in eine merkwürdige Reality Show verwandelt, die das Ziel zu haben scheint, die surreale Welt des Trap in die Realität zu hieven. Hat was von "Die Chroniken von Narnia", also fair enough. Zweitens: Eierköppe wie MC Smook, Unsäglichkeiten wie Spinning 9, Flötstimmen wie Medikamenten Manfred oder Totalausfälle wie The Ji verbuche ich als komplette Nichtskönner, die nur irgendwelche menschlichen Lücken füllen. Lediglich LGoony, Juicy Gay und Hustensaft Jüngling kann ich etwas abgewinnen. Der Jüngling scheint zwar musikalisch und vor allem im Taktgefühl eher unbegabt, hat aber einen Spaß an der Provokation und Zerstörung der Normen kultiviert, der ihn fast schon zu einem Entertainer macht. Alles was Recht und Ordnung zu sein scheint, setzt er außer Kraft. Rappende Männer sind nicht schwul? Juciy Gay schon – und Hustensaft Jüngling buttert selbst dem Boy ab und zu mal einen Kolben rein, während im Hintergrund ein Schwulenporno läuft. Gute Freestyles zeichnen sich durch gute Reimtechnik und schnelles Denken aus? Der Jüngling macht es in Zeitlupe, mit schlechten Reimen und Vergleichen der Marke "Du bist gay wie jemand, der schwul ist". Ein Rapper muss real sein? Der Jüngling stellt sich einfach vor irgendeinen geparkten Ferrari und tut so, als sei es seiner (na ja, das Ferrari-Parfüm aus dem "Rarri"-Video hat er wahrscheinlich wirklich gekauft). Und das Erstaunliche ist: Es gibt immer noch Menschen, die sich sein Schaffen im Netz geben, sich aufregen und mit dieser Erregung auch noch Kommentarspalten füllen. Das sind wahrscheinlich die dümmsten Menschen der Welt … nicht mal Rentner, die sich früher von Stefan Raab auf der Straße haben verarschen lassen, würden heute noch darauf reinfallen. Aber genug vom Jüngling, hin zu LGoony. Ähnlich wie der Jüngling erteilt der Goon der Realität eine Abfuhr. Er stacked das Paper into Space, die Schwerkraft ist offensichtlich eine Lüge, weil er ja so fly ist, dass er fliegen kann – und wenn in seiner Hood mal nachts nur ein bis zwei Shots fallen, ist das eher weniger Krach. Er sieht aus wie eine 17-jährige deutsche Kartoffel vom Gymi, die noch ein Zimmer bei ihren Eltern bewohnt, aber in seinen Songs besitzt er ein eigenes Zimmer für Ketten, Fünfeuroscheine entsorgt er in der blauen Tonne und seinen neuen Lamborghini parkt er in deinem Vorgarten. Dass er dann Schrott ist, ist egal. Er wollte sich eh gerade einen aus Gold kaufen. Und warum? Er hat das Geld … und … er hat das Geld. In dieser Form der Räuberpistole steckt Selbstermächtigung. Die Gesellschaft und der Markt propagieren Geld und Macht als höchste Ziele. LGoony nimmt sie sich einfach ohne zu fragen. Seine Peergroup fasziniert Abgründigkeiten, die Gangster aus Amerika, Waffen und Gewalt. LGoony hat alles davon in seinem Leben … zumindest in seinen Songs. Entspricht das der Realität? Entspricht das der Regel? Nein. LGoony nimmt es sich einfach. Er ermächtigt sich für alle yung looking Lauchs in Germany. Und sie danken es ihm durch Fantum. Aber das alleine erklärt nicht seinen Erfolg. Goony ist tatsächlich der eine singuläre gute Rapper und Musiker in der ganzen Gang. Seine Songs sind Ohrwürmer, er switcht mühelos zwischen seinen eingängigen Auto-Tune-Abfahrten in einen atmenlosen, dynamischen Trapflow. Er ist nie um ein schräges Bild und eine geile Übertreibung verlegen. Erzeugt lean Stimmungen ebenso kinderleicht wie Ego boostende Selbstbeweihräucherungen. Und dass er die überhaupt besten Birdcalls und Ad-Libs Deutschlands drauf hat, steht außer Frage.
Aber um es zum Schluss hier noch mal auf den Punkt zu bringen: Was Jungs wie Hustensaft Jüngling, Juicy Gay oder LGoony tun, hat ein Bekannter von mir mal als „Dekonstruktion statt Klassenkampf“ beschrieben. Nichts ist sicher, nichts ist per se richtig oder falsch. Ordnungsliebende Deutsche, die gerne den handwerklich besten und nach anderen messbaren Maßstäben talentiertesten Künstler an der Spitze sähen, sind in Unruhe. Wenn Hustensafts und MBeezys on Top kommen können, was ist dann überhaupt noch sicher – außer vielleicht der Untergang des Abendlands. Wissen die Jungs der GUDG, was sie da tun? Keine Ahnung. Hoffentlich nicht, denn darüber sollte man wahrscheinlich nicht nachdenken. Aber es ist auch egal. Die Gang darf alles.
Euer Busy Boy Jay
(Titelbild von Daily Puffy Punchlines)