Wer glaubt schon, dass wir gleich sind …
Oder eines Tages alle eins sind?
Camufingo wird den meisten Rapfans in Deutschland noch kein Begriff sein. Nun schickt er sich mit seiner EP "Diaspora 0.5" jedoch an, dies zu ändern. Bekanntheit will der Potsdamer offenbar hauptsächlich durch seine Inhalte erlangen, da diese bei der Veröffentlichung mit Abstand am meisten herausstechen. Dabei dreht sich alles um kulturelle Identität, Rassismus und das Selbstbild, das in permanenter Konkurrenz zum öffentlichen Bild steht.
Camufingo ist aufgrund seines Erscheinungsbilds in Deutschland Alltagsrassismus ausgesetzt, der verschiedenste Ausprägungen haben kann. Neben weitverbreiteten Vorurteilen und offenen Anfeindungen zählt dazu auch Positivrassismus. Um zu untermauern, dass Fremdenfeindlichkeit ein großes Problem der Gesellschaft ist, werden im Intro Vocalsamples von sogenannten "besorgten Bürgern" eingespielt, in denen diese unverblümt ihre rassistische Weltsicht offenbaren. Auf dem ersten Track von "Diaspora 0.5" spielt Camufingo mit allerlei Klischees, mit denen Menschen dunkler Hautfarbe häufig konfrontiert werden. Klischees entstehen aus Verallgemeinerungen und Übergeneralisierungen, somit wird eine heterogene Masse für das Auge des voreingenommenen Betrachters "eins". Dass es Unterschiede zwischen allen Menschen gibt – egal, wie ähnlich sich diese auf den ersten Blick auch sind –, stellt Camufingo trotz des Wunsches nach Gemeinsamkeit auf "Braun" fest. Der Kampf mit der und um die eigene Identität kulminiert schließlich auf "Wir und die andern" und "Verlass mich jetzt". Die Vortragsweise des Rappers ist durchgehend druckvoll und emotional. Man merkt, dass er für seine Überzeugungen einsteht.
Auf "Diaspora 0.5" präsentiert Camufingo sich als reflektierte Persönlichkeit mit politischem Bewusstsein. Die interessanten und ewig aktuellen Inhalte werden auf soliden Beats präsentiert, die weder besonders positiv noch negativ auffallen. Gleiches gilt für Raptechnik und -style. Doch wenn Camufingo es schafft, den Horizont des ein oder anderen Hörers zu erweitern, hat diese EP ihren Sinn und Zweck erfüllt.
(Steffen Bauer)