"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." – und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal, ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album –, mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Es gibt nur wenige Crews, die so viele unterschiedliche Künstler zusammenbringen und trotzdem einem so einheitlichen Sound treu bleiben, wie die Funkverteidiger. Als begeisterter Fan freut es mich natürlich umso mehr, wenn mit dem neu gegründeten Label Muther Manufaktur demnächst auch neue Releases in der Pipeline liegen werden. Vor Kurzem erst feierte Mase mit "Spliffmeister" sein Debüt, schon steht Ende des Jahres mit dem zweiten Sendemast-Album das nächste Release an. Und zwischendrin kommen immer mal ein paar kleine musikalische Perlen, um schon mal einen Vorgeschmack zu geben auf das, was ansteht. "CircaZwei", die Ende September erschienene neue Single von Die Kraszesten, ist eine davon – und sie lässt mich seitdem nicht mehr los.
Bereits der Beat von Pierre Sonality catcht mich mit seinem "I know" hauchenden Vocalsample und seinem souligen Klangbild, bevor doz9 mit seinem Part einsteigt. Nachdem dieser im Wechsel zwischen Lässigkeit und Hektik einige – inhaltlich ein wenig zusammenhangslos wirkende – Lines hinflext, geht es direkt mit Featuregast Galv of the 3 Moonz weiter. Dieser bringt dann den einzigen für mich beinah komplett nachvollziehbaren Part auf der Single, da er in einem leicht Morlockk Dilemma-ähnlichen Rapstil über einen Kneipenabend mit den Kraszesten rappt. Den Abschluss macht dann Pierre Sonality selbst, der noch einen ruhigeren Part auf den Beat kickt, bevor selbiger langsam ausklingt. Aber auch hier fehlt mir wieder einiges an Zusammenhang zwischen Lines "für die Gang" und Seitenhieben gegen wacken Rap.
Es bleibt die Frage: Wenn inhaltlich das Meiste nicht viel Sinn ergibt, warum kann ich den Text dann bereits auswendig und verspüre trotzdem beinahe täglich das Bedürfnis, den Track zu hören? Die Antwort ist relativ simpel: Die Kombination aus doz9s dreckigen, aber technisch versiert gespitteten Lines, Galvs markanter Stimme in einem doch ziemlich eigenen Flow und Pierre Sonalitys tief entspanntem Schlusspart klingt in meinen Ohren einfach wie füreinander geschaffen. Zumal die Reimschemata wahnsinnig einprägsam sind. So bin ich am Ende des Videos, wenn die Party auf dem Hochhausdach vorbei ist und der Beat noch sanft zu den abgebildeten Releasedates ausklingt, völlig angefixt. Einerseits von dem Gedanken, mich auch aufs Dach zu setzen und abends noch den Sonnenuntergang mit einem guten Glas Wodka zu beobachten. Andererseits davon, in naher Zukunft das nächste Album aus der Muther Manufaktur in den Händen halten zu können.
(Lukas Päckert)