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Interview

Umse

"Die wacken Sachen sind genau­so wich­tig wie die guten." – Umse im Inter­view über die Ent­wick­lung der deut­schen HipHop-​Szene, heu­ti­ge Skandal- und Gos­sip­be­rich­te in Medi­en sowie die bes­te Zeit, die Rap in Deutsch­land jemals hatte.

Der Ratin­ger Künst­ler Umse lebt für Rap bezie­hungs­wei­se die HipHop-​Kultur – und das hört man sei­ner Musik auch deut­lich an. In den letz­ten Jah­ren scheint das Jakar­ta Records-​Signing einen Lauf zu haben und releast der­zeit Album um Album. So erschien erst gegen Ende Sep­tem­ber, rund ein Jahr nach "Kunst für sich", schon eine neue LP unter dem Namen "Hawai­ia­ni­scher Schnee". Anläss­lich die­ses recht eng getak­te­ten Release-​Rhythmus' tra­fen wir uns mit Umse zum Inter­view und rede­ten über das, wor­über man sich mit einem wasch­ech­ten MC, der den Beginn der deut­schen Rap­sze­ne noch mit­er­le­ben durf­te, wohl am bes­ten aus­tau­schen kann – über Rap. Dar­über, wie er die HipHop-​Kultur in den 90ern ken­ne­nen­ge­lernt hat, wel­chen Stel­len­wert sie heu­te für ihn besitzt und inwie­fern sich die deut­sche Rap­sze­ne in den letz­ten 20 Jah­ren ver­än­dert hat …

MZEE​.com: Fan­gen wir doch zu Beginn des Inter­views auch bei dei­nen Anfän­gen an. Was ist der ers­te deut­sche Rap­track, den du je gehört bezie­hungs­wei­se gefei­ert hast und wann hast du ihn das letz­te Mal gehört?

Umse: Ich bin ganz ehr­lich: Das waren tat­säch­lich die Fan­tas­ti­schen Vier mit "Die Da!?!". Das kam 1992 raus – da war ich noch recht jung und habe das natür­lich ohne irgend­wel­ches Hin­ter­grund­wis­sen zu Rap gehört. Die Melo­die läuft heu­te noch so oft im Fern­se­hen, dass ich das bestimmt vor ein bis zwei Mona­ten das letz­te Mal auf­ge­grif­fen habe. Aber nicht als gan­zes Lied.

MZEE​.com: Das heißt, du hörst den Song auch nicht in dei­ner Frei­zeit noch ab und zu?

Umse: Nee, ich besit­ze weder die CD, die ich damals hat­te, noch habe ich das bei You­Tube mal angeklickt.

MZEE​.com: Was ist der größ­te Unter­schied zwi­schen der dama­li­gen und der heu­ti­gen Deutschrap­sze­ne? Denkst du, dass sich das Gan­ze posi­tiv ent­wi­ckelt hat?

Umse: Das ist schwer für mich zu beur­tei­len, weil ich natür­lich viel jün­ger war, als ich damals ange­fan­gen habe. Als jun­ger Dude emp­fin­det man die Din­ge immer ganz anders, als sie heu­te sind. Ich habe ange­fan­gen, da war ich 15 oder 16 – jetzt bin ich dop­pelt so alt und dem­entspre­chend hat sich viel bei mir ver­än­dert. Man wächst mit die­sen Sachen auf, wird mit den Jah­ren rei­fer und die Sze­ne ver­än­dert sich. Den Wan­del kriegt man ein­fach mit. In den 15 Jah­ren, in denen ich das jetzt schon beob­ach­te, gab es vie­le Ver­än­de­run­gen. Ich bin posi­tiv gestimmt, des­halb mache ich auch mit vol­lem Elan Musik. Ich fin­de die Ent­wick­lung soweit gut, auch wenn es zwi­schen­drin Pha­sen gab, in denen die Leu­te, die aus mei­ner Gene­ra­ti­on sind, stel­len­wei­se von der Lage und der Situa­ti­on abge­turnt waren. Alles hat sich vom Posi­ti­ven ins Nega­ti­ve ent­wi­ckelt und da muss­te man erst ein­mal mit zurecht­kom­men. Man­che haben das Hand­tuch geschmis­sen, ande­re haben ein bis zwei Jah­re abge­war­tet, bis sie mal wie­der was machen. Und ich selbst war jemand, der noch sehr aktiv war und woll­te, dass man ihm zuhört. Es war schon schwie­rig, sich da durch­zu­set­zen. Gera­de auch, weil ich da von der Her­an­ge­hens­wei­se her eher den alten Weg gehe, selbst wenn vie­le moder­ne Ein­flüs­se mit dabei sind.

MZEE​.com: Die Grund­stim­mung inner­halb der Sze­ne hat sich verändert …

Umse: Als sich die Leu­te mit der momen­ta­nen Lage ange­freun­det oder enga­giert hat­ten, wur­den sie auch wie­der akti­ver und die Sze­ne selbst viel­fäl­ti­ger. Nach die­sem eben erwähn­ten Posi­ti­ven kam das Nega­ti­ve, dann wur­de das auch lang­wei­lig und es muss­te sich etwas Neu­es ent­wi­ckeln. Man ist genervt von dem Inhalts­lee­ren und geht wie­der zu Inhalts­vol­le­rem, dazwi­schen gibt es wei­te­re Nischen. Des­we­gen hat momen­tan auch alles sei­ne Berech­ti­gung, aber auch sei­ne Aufmerksamkeit.

MZEE​.com: Fin­dest du, dass es ein Glücks­fall ist, dass du so vie­le ver­schie­de­ne Pha­sen der Sze­ne mit­er­le­ben konntest?

Umse: Ich bin auf jeden Fall froh, Hip­Hop in den 90ern erlebt zu haben. Da sind wir wie­der an dem Punkt, dass ich das mit mei­nem damals noch jugend­li­chen Kopf beur­tei­le. Aber ich den­ke, das geht auch vie­len ande­ren so, die damals schon älter waren. Es war ein ande­res Gefühl, ein ande­rer Zusam­men­halt. Mit Sicher­heit will das heu­te auch kei­ner mehr – es war zu der Zeit ein­fach ein gei­ler Spi­rit, weil sich die­se Ein­stel­lung auf alle über­tra­gen ließ. Wenn du dich so und so ver­hältst, dann bist du fake – und wenn du das und das machst, dann bist du straight. Das war gut, weil da ein­fach viel Pro­duk­ti­ves bei rum­ge­kom­men ist. Es gab vie­le Leu­te, die sich von dem schwa­chen Kram, den es da auch schon gab, abset­zen woll­ten. Das hat sich natür­lich bis heu­te durch­ge­zo­gen. Aber weil das damals so krass aus­ge­prägt war, gibt es das heu­te auch noch.

MZEE​.com: Kannst du nach­voll­zie­hen, dass die Leu­te, die in den 90ern älter waren, heu­te sagen, dass sie mit dem und dem Künst­ler von heu­te gar nichts anfan­gen können?

Umse: Das sind dann wirk­lich Scheu­klap­pen und das kann ich nicht nach­voll­zie­hen. Es gibt auch in den Berei­chen, die nicht unbe­dingt das sind, was man mal moch­te, saustar­ke Sachen! Damit muss man sich halt anfreun­den und aus­ein­an­der­set­zen. Etwas, das nicht funk­tio­niert, wenn man sich ein­mal rein­klickt und direkt beur­teilt, ob es einem gefällt oder nicht. Man muss alles auf sich wir­ken las­sen und wenn man dann nicht zu abge­schot­tet ist von sich selbst, dann fin­det man auch Positives.

MZEE​.com: Was hältst du davon, dass es heu­te nicht mehr nur um die vier Ele­men­te geht, son­dern viel Ober­fläch­li­ches in die Sze­ne Ein­zug gehal­ten hat? Kannst du ver­ste­hen, wenn jemand bei­spiels­wei­se Imager­ap fei­ert bezie­hungs­wei­se gibt dir das selbst viel­leicht sogar was?

Umse: War­um Jugend­li­che das heu­te fei­ern, ist klar. Die sind nicht damals auf­ge­wach­sen und haben die­se Denk­wei­se nicht so ein­ge­trich­tert bekom­men. Die wach­sen mit der Denk­wei­se auf, die gera­de herrscht – und da wer­den sol­che Sachen tole­riert. Da erwar­tet man nicht von allen, dass sie das infra­ge stel­len. Das kann man natür­lich tun und die, die sich ein biss­chen mehr 'nen Kopf machen, wer­den das auch. Aber es kommt immer dar­auf an, mit wem man rum­hängt, was in dem Kreis für ein Sta­te of Mind ist oder wie alt die Leu­te sind. Die Älte­ren wir­ken ja auch oft auf die Jün­ge­ren ein und geben denen natür­lich ihre Mes­sa­ge mit. Ich kann nach­voll­zie­hen, dass die Leu­te heu­te auf ober­fläch­li­che Din­ge ansprin­gen, weil sie teil­wei­se auch sehr Entertainment-​lastig dar­ge­stellt wer­den, dem­entspre­chend wit­zig sind und Gesprächs­the­men lie­fern. Ich sel­ber weiß nicht, wie ich heu­te wäre, wenn ich 15 Jah­re alt wär'. Ich wüss­te nicht, wie ich auf das Gan­ze ansprin­gen wür­de. Ich kann sagen, dass ich von Grund auf ein kri­ti­scher Typ bin, der alles durch­leuch­ten wür­de – aber es hängt ein­fach ganz krass von den oben auf­ge­zähl­ten Din­gen ab … und was man für einen Cha­rak­ter hat.

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MZEE​.com: Fin­dest du, dass sich die Sze­ne zu viel mit The­men abseits der Musik – zum Bei­spiel Äußer­lich­kei­ten, Skan­da­le oder öffent­li­che Strei­tig­kei­ten – beschäf­tigt und die Musik an sich dadurch zu sehr in den Hin­ter­grund rückt?

Umse: Die Musik rückt nie kom­plett in den Hin­ter­grund, weil es das ist, was die Leu­te bekannt macht. Aller­dings kommt die Fra­ge auf, was in den Pha­sen pas­siert, in denen kei­ne neue Musik da ist. Dar­auf bau­en Medi­en auf, weil das halt Klicks gene­riert. Die einen machen es mehr, die ande­ren weni­ger und die einen müs­sen es mehr, die ande­ren müs­sen es weni­ger. Es ist immer eine Fra­ge, wie man bei­spiels­wei­se als Por­tal oder was auch immer gepusht wird und inwie­fern man es nötig hat, sich dem Gos­sip zu wid­men. In einer gewis­sen Form rückt die Musik in den Hin­ter­grund. Da wer­den Vide­os geteilt und auch Sachen, die gar kei­nen zu jucken haben oder was eigent­lich egal sein soll­te, aber nicht egal ist, weil Action immer etwas gene­riert. Der Punkt ist nur, inwie­fern man das ein­fach infra­ge stellt oder pusht, indem man regel­mä­ßig auf die­se Sei­ten geht oder eben nicht. Mir fällt auf, dass auf sol­chen Sei­ten viel Gos­sip sei­nen Platz fin­det. Ich gehe trotz­dem drauf, weil ich aus jeder Sei­te etwas zie­he. Sei­en es neue Inter­views oder Musik, die vor­ge­stellt wird – ich kli­cke da über­all rein, pick' mir das raus, was mich inter­es­siert, und über­le­se die Sachen, bei denen ich weiß, dass es eine Schlag­zei­le ist, um Klicks zu generieren.

MZEE​.com: Fin­dest du es absurd, dass es in einer Sze­ne, in der es ganz ursprüng­lich um Zusam­men­halt ging, an vie­len Stel­len nor­mal gewor­den ist, gegen ande­re zu schie­ßen und eher gegen- als für­ein­an­der zu sein?

Umse: Dass Leu­te gegen ande­re schie­ßen, resul­tiert dar­aus, dass sie wis­sen, dass es ihnen etwas bringt – und es macht ihnen teil­wei­se auch Spaß. Ich kann das nach­voll­zie­hen, aber ich bin ein­fach nicht so ein Typ … Mir wäre es unan­ge­nehm, wenn ich so drauf wäre und des­halb ver­hal­te ich mich nicht so. Das ist das Glei­che wie mit dem Gos­sip. Einer schießt gegen den ande­ren und fünf ver­schie­de­ne Sei­ten tei­len das. Da weißt du schon, dass das nicht auf­hö­ren wird und dass das für die auch einen Effekt hat. War das zu Aggro Berlin-​Zeiten nicht noch kran­ker mit dem Schie­ßen gegen ande­re? Ich glau­be, im Stra­ßen­rap ist das ein­fach unab­ding­bar, weil da noch ein viel grö­ße­rer Schwanz­ver­gleich auf der ver­ba­len und kör­per­li­chen Ebe­ne herrscht als in Berei­chen, wo ich mich auf­hal­te. Wo es ein­fach nur um die Mucke geht. Ich bie­te auch sonst kei­ne ande­re Angriffs­flä­che, des­halb kann es auch nur um die Mucke gehen. Leu­te, die Stra­ßen­rap fei­ern, die wol­len so etwas und es gehört dazu. Der gan­ze Hin­ter­grund und die Span­nung, was jetzt wohl auf dem nächs­ten Album kom­men wird. Das alles ist span­nend für Kid­dies. Des­we­gen geht dadurch nichts kaputt. Die­se RTL 2-​Nummer wird ein­fach grö­ßer an die Glo­cke gehan­gen, als dass du das mit einem guten For­mat machen kannst. Das ist logisch, aber der Kampf ist, sich trotz­dem treu zu blei­ben und sich nicht über­schat­ten zu las­sen von die­sem gan­zen Quatsch. Es soll­te viel­leicht auch eher der Ansporn sein für die ande­re Ecke, die über­schat­tet wird. Zu sagen, dass man so dope Musik macht, dass man an einem trotz­dem nicht vor­bei­kom­men kann und man über die­sem Gos­sip steht. Es soll­te ein Antrieb sein, qua­li­ta­tiv Gutes zu machen, sodass einen die­ser gan­ze Beef­scheiß gar nicht juckt. Hat mich auch noch nie gejuckt, ich bin dann auch wie jeder Besu­cher: Ich klick' das kurz an, gucke das durch, lache dar­über, aber habe damit gar nichts zu tun. Nur weil man mal ein paar Leu­te ken­nen­lernt, ver­än­dert sich das nicht. Es ist ein ganz ande­rer Schuh, der gelau­fen wird.

MZEE​.com: Juse Ju hat mal fol­gen­de The­se auf­ge­stellt: "Es gibt kei­ne Sze­ne mehr, das ist nur noch die Musik." Stimmt die­se Aus­sa­ge in dei­nen Augen oder gibt es noch eine wirk­li­che Deutschrap­sze­ne? Oder ent­ge­gen dem HipHop-​Grundgedanken viel­leicht sogar meh­re­re Sze­nen, die unab­hän­gig von­ein­an­der funktionieren?

Umse: Das wür­de ich schon sagen. Ich treff' auf den Kon­zer­ten, auf denen ich unter­wegs bin, oft die­sel­ben Leu­te, des­we­gen kann man da auch von einer Sze­ne spre­chen. Aber die Sze­ne ver­än­dert sich ja auch immer ruck­zuck. Wenn jetzt jemand auf den­sel­ben Kon­zer­ten auf­tritt wie man selbst, weil bei­de immer gebucht wer­den, dann heißt das nicht, dass es im nächs­ten Jahr noch genau­so sein wird. Es liegt auch immer ganz krass dar­an, was gera­de in eine Ecke sor­tiert wird und die Leu­te trifft man dem­entspre­chend. Das ist kei­ne Sze­ne, weil man sich eine Sze­ne schon grö­ßer vor­stellt als fünf Künst­ler, die du immer wie­der triffst. Ich wür­de schon sagen, dass es vie­le klei­ne Sze­n­e­be­rei­che gibt, aber das Sze­ne zu nen­nen, wäre viel­leicht schon zu groß. Es gibt halt eine rie­si­ge HipHop-​Szene, die ist nur in diver­se Berei­che gesplittet.

MZEE​.com: Glaubst du denn, dass es die­se Sze­ne noch gibt, die es ganz frü­her mal gab?

Umse: Nee, ich glau­be nicht, dass es die­se Sze­ne noch gibt. Die Jungs gibt es auf jeden Fall! Die ein­fach immer noch Bock haben, sich den Ruck­sack über­zu­zie­hen und los­zu­fah­ren. Das hängt ganz vom Alter ab – ich den­ke nicht, dass das die Älte­ren noch tun. Dafür kriegst du ein­fach zu viel durch das Inter­net mit. Wenn du ein­mal den Rech­ner anmachst, erfährst du direkt alles, was neu ist. Zu den Zei­ten, in denen es üblich war, sich den Ruck­sack zu neh­men und mit dem Bahn­ti­cket rum­zu­ei­ern – das ist lan­ge vor­bei. Das war halt, um am Ball zu blei­ben, infor­miert zu sein und Kon­tak­te zu knüp­fen. Heu­te kannst du ja auch Kon­tak­te über das Inter­net knüp­fen, heu­te rücken die Leu­te vir­tu­ell zusam­men. Und damals muss­test du die, mit denen du Kon­takt haben woll­test, ein­fach per­sön­lich tref­fen, es sei denn, es stand auf der 12-​inch noch die Haus­te­le­fon­num­mer – so wie das damals war. (grinst) Dann hast du da ange­ru­fen, die Mut­ter ging ran und sag­te: "Tobi­as, komm mal run­ter!" Die Leu­te machen das aber dann auch eher aus dem Fak­tor, dass es mal gang und gäbe war und die wol­len das Gefühl, was damals geherrscht hat, tei­len kön­nen. Ich war auch nicht so einer, der von A nach B geei­ert ist. Da war ich auch zu jung und als ich dann soweit war, hat sich das schon lang­sam abge­schwächt. Ich war sehr viel regio­nal im Ruhr­pott sowie in Düs­sel­dorf und Köln unter­wegs. Da habe ich halt gewohnt, aber ich bin nie außer­halb von NRW gefah­ren, um mir irgend­wo eine Jam anzu­gu­cken. Zumin­dest nicht wegen die­sem Jam-​Charakter – natür­lich wegen Fes­ti­vals, aber ich war jetzt kein Wochenendreiser.

MZEE​.com: Bist du heu­te noch in der Gegend unter­wegs und guckst dir das an?

Umse: Wenn ich gera­de im Ruhr­pott bin und was geht.

MZEE​.com: Du bist also nicht nur da, wo du selbst auf­tre­ten kannst?

Umse: Nee, ich befind’ mich auch die Hälf­te der Woche in Köln und in Köln geht super viel. Da guckt man sich dann auto­ma­tisch gewis­se Sachen an. Aber das ist auch das, wor­auf man gera­de Bock und wofür man Zeit hat, weil ich dann doch rela­tiv viel unter­wegs bin.

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MZEE​.com: Kom­men wir mal auf dei­ne Musik zu spre­chen. Nach­dem dei­ne ers­ten Alben in einem Abstand von zwei bis drei Jah­ren erschie­nen sind, lag zwi­schen "Wachs­tum", "Kunst für sich" und "Hawai­ia­ni­scher Schnee" jeweils nur ein Jahr. Woher kommt plötz­lich die­ses Tem­po, was Releases angeht?

Umse: Das liegt an zwei Grund­fak­to­ren. Ein­mal habe ich den Kopf im Moment total frei, weil ich mich von der Uni getrennt und einen Haken dahin­ter gesetzt habe. Es ist gera­de sau­gut, denn ich mer­ke, dass ich das brau­che und das ande­re gar nichts bringt. Ich bin kein Typ, der nach Sicher­heit sucht und das nur macht, um etwas in der Tasche zu haben. Ich wäre eh nicht arbei­ten gegan­gen, von daher bringt mir der Abschluss hin­ter­her sowie­so nicht mehr viel. Außer­dem bin ich mit Deck­ah ein­fach musi­ka­lisch noch wei­ter zusam­men gewach­sen. Wir sind bei­de viel pro­duk­ti­ver. Das liegt dar­an, dass wir nie auf­ge­hört haben und seit Jah­ren dar­an arbei­ten und das garan­tiert dazu führt, das wir in kür­ze­rer Zeit mehr von dem raus­brin­gen kön­nen, was uns gefällt. Ich glau­be, die Moti­va­ti­on ist durch die letz­ten zwei Releases ange­kur­belt, sodass wir mer­ken, dass es zu viel mehr Auf­trit­ten führt, wenn wir kon­stan­ter releasen. Wir haben gemerkt, dass es gar nicht bes­ser sein muss, wenn man sich zwei Jah­re Zeit lässt. Das ist viel­leicht in Major-​Bereichen so, wenn da ganz vie­le ande­re Men­schen mit­spie­len, die musi­ka­lisch mit­ar­bei­ten. Aber wir sind zwei Mann. Unser Sound wird sich da nicht grund­le­gend ver­än­dern kön­nen oder wol­len. Es soll schon immer mal wie­der eine Schip­pe drauf, aber wir wol­len die­se Linie genau fah­ren und sie immer wie­der bes­ser machen. Des­we­gen ist die Moti­va­ti­on so groß und es läuft seit zwei Jah­ren rich­tig gut.

MZEE​.com: Machst du das eigent­lich beruflich?

Umse: Ja, seit den zwei Jah­ren schon. Bevor ich mich von der Uni getrennt habe, eigent­lich auch schon, aber da war es mehr schlecht als recht. Da war die Auf­merk­sam­keit nicht so hoch wie jetzt und die Auf­trit­te haben dem­entspre­chend weni­ger abge­wor­fen, das ist ja klar. So hat sich das ein­fach ent­wi­ckelt und wir ver­su­chen, das, was wir kön­nen und wozu wir in der Lage sind, abzu­ru­fen und in Tracks dar­zu­stel­len. Solan­ge das so ist und man vor allem Bock an der Sache hat, wird das auch so wei­ter­ge­hen. Ich sehe mei­ne Lust dar­an nicht in drei oder vier Jah­ren flö­ten gehen. Ich füh­le mich damit gut und sicher und es geht so weiter.

MZEE​.com: Was ist, wenn du in vier Jah­ren merkst, dass du kei­ne Lust mehr auf Rap hast?

Umse: Dann öff­nen sich ande­re Türen – wenn man nicht ganz blöd ist, gut mit Leu­ten kann und weiß, an wen man sich zu wen­den hat, wenn es kri­tisch wird. Man merkt es früh genug. Bei mir wird es nicht die Auf­merk­sam­keit sein, die irgend­wann flö­ten geht, son­dern eher die Lust. Ich weiß es nicht, ich kann das nicht ein­schät­zen … Aber solan­ge man sich immer wie­der zufrie­den­stellt, geht die Lust auch nicht ver­lo­ren, Din­ge neu zu pro­bie­ren und immer wie­der einen drauf zu set­zen. Ich bin auch kein Typ, der sagt, dass er mit 50 Jah­ren auf kei­nen Fall mehr rappt. War­um nicht? Kann doch dann rich­tig dope sein und noch viel bes­ser als es heu­te ist, wer weiß? Das will ich halt herausfinden.

MZEE​.com: Viel­leicht gehst du ja auch irgend­wann mal in eine ande­re musi­ka­li­sche Richtung …

Umse: Genau! Es ist halt nicht geplant, aber mög­lich ist alles.

MZEE​.com: Letz­tes Jahr gab es öfter mal die Ver­mu­tung, Cro hät­te stel­len­wei­se Song­ideen von dir über­nom­men – hat­test du schon mal Kon­takt mit ihm und konn­test klä­ren, ob er viel­leicht tat­säch­lich Fan dei­ner Musik ist? Oder fan­dest du das Gan­ze an den Haa­ren herbeigezogen?

Umse: Dar­über gespro­chen nicht, es ist halt nicht ganz ein­deu­tig. Man kann da A und B sagen. A ist, dass es offen­sicht­lich die glei­che Her­an­ge­hens­wei­se ist, nur wo ich über Hip­Hop und Rap rede, redet er über ein Mädel. Aber B ist, dass die­ses "Was wäre, wenn"-Ding ein grund­le­gen­der rhe­to­ri­scher Aspekt ist, der irgend­wann mal so kommt, wenn du dich mit Tex­ten aus­ein­an­der­setzt. Dass es dann wirk­lich zu einem Song kommt, der so nah mit einem ande­ren anein­an­der liegt, ist schon komisch, aber ich unter­stel­le da jetzt nichts Böses, weil er das mit Sicher­heit nicht braucht und nicht nötig hat. Ich weiß aber, dass er mal auf mei­nem Kon­zert in Schwä­bisch Gmünd war und er auch weiß, dass es den Song von mir gibt. Kei­ne Ahnung, das ist jetzt auch nicht wei­ter wich­tig. Ich weiß auch, dass er da war und ob das jetzt in irgend­ei­ner Form inspi­riert ist oder abge­guckt, das sei ein­fach dahin­ge­stellt. Er hat einen eige­nen Track dar­aus gemacht, auch wenn ein bis zwei Lines schon sehr par­al­lel sind – aber juckt mich nicht weiter.

MZEE​.com: Was war dei­ner Mei­nung nach die "bes­te Zeit" für deut­schen Rap – abseits von Ver­kaufs­zah­len und Charts. In wel­cher Zeit sind die bes­ten Plat­ten entstanden?

Umse: Mein Plat­ten­re­gal wird auf jeden Fall noch von den 90er Jah­ren domi­niert. Ich glau­be, als Jugend­li­cher holt man sich eher sei­ne prä­gen­den Alben als heu­te. Es gibt heut­zu­ta­ge unglaub­lich star­ke Alben, aber ich habe da nicht so einen Bezug zu, wie ich das mit 15 oder 16 Jah­ren hat­te. Des­we­gen wie­gen die alten Alben, die ich von damals habe, ein­fach viel schwe­rer, weil die mich geprägt haben. Heu­ti­ge Sachen kom­men da noch oben drauf. Ich fei­er' da auch eini­ges von, aber den wich­ti­gen Klas­si­ker­ruf haben für mich dann die Sachen, die ich als jun­ger Spund gefei­ert habe. Die mich dazu gebracht haben, das zu machen, was ich heu­te mache. Ich bin nicht der Typ, der nur Ami­rap gehört hat und irgend­wann kamen dann auch deut­sche Sachen, son­dern die deut­schen Sachen haben bei mir gezün­det. Ich habe Diver­ses mit­be­kom­men, was sich über der Ober­flä­che befun­den hat. Und dann auch so Sachen wie Ruhr­pott AGs "Unter Tage", was damals krass unbe­kannt war, bis es in einer gewis­sen Art und Wei­se durch die Decke gegan­gen ist. Das war regio­nal das, was ich sehr oft sehen konn­te und was mich ein­fach geprägt hat. Noch nicht ein­mal dadurch, dass sie aus mei­ner Ecke kamen, son­dern durch den Klang des Namens, der Titel, die Rap­per an sich. Damals war es noch so, dass man es ver­glei­chen konn­te: Ich hat­te eine CD von den Abso­lu­ten Beg­in­nern und eine Ruhr­pott AG-​Platte – da haben sich schon kras­se Kon­tras­te erge­ben. Das ist eine ganz ande­re Welt und in der habe ich mich dann auch ent­fal­tet. Es ist zu der Zeit eine gro­ße Inspi­ra­ti­on gewe­sen, um über­haupt einen eige­nen Sta­te of Mind und Kri­tik zu ent­wi­ckeln. Das habe ich auch ganz krass dar­aus gelernt, nicht nur aus der Mucke. Wenn man Mucke fei­ert, dann will man sich auch Inter­views angu­cken und dann lernt man auch viel neben­bei, was gar nichts mit der Musik zu tun hat. Das war für mich prä­gend und ich sage auch, dass ich heu­te nur so bin, weil das so gewe­sen ist.

MZEE​.com: Weißt du zufäl­lig, was die Plat­te ist, die du am meis­ten in dei­nem Leben gehört hast?

Umse: Mit Sicher­heit "Unter Tage" von der Ruhr­pott AG. "Gefähr­li­ches Halb­wis­sen" von Eins Zwo habe ich auch sehr ger­ne gehört, zwi­schen den bei­den Alben hat sich das die Waa­ge gehal­ten. Die­se waren defi­ni­tiv viel öfter in mei­nem Play­er als ande­re Alben, die trotz­dem auch geil sind und die ich auch als kras­sen Ein­fluss nen­nen wür­de. Ich bin, wie jeder, auch ein Resul­tat aus dem, was man gefei­ert hat. Eine Mischung aus die­sen Alben erge­ben heu­te mich mit mei­nem eige­nen Kopf. Auch all das, was ich wack fand. Das ist ganz wich­tig, denn nur so kannst du sehen, was du möch­test und was du nicht möch­test. Die wacken Sachen sind genau­so wich­tig wie die guten.

(Flo­rence Bader & Lai­la Drewes)
(Fotos von Kai Bern­stein)

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