Der Ratinger Künstler Umse lebt für Rap beziehungsweise die HipHop-Kultur – und das hört man seiner Musik auch deutlich an. In den letzten Jahren scheint das Jakarta Records-Signing einen Lauf zu haben und releast derzeit Album um Album. So erschien erst gegen Ende September, rund ein Jahr nach "Kunst für sich", schon eine neue LP unter dem Namen "Hawaiianischer Schnee". Anlässlich dieses recht eng getakteten Release-Rhythmus' trafen wir uns mit Umse zum Interview und redeten über das, worüber man sich mit einem waschechten MC, der den Beginn der deutschen Rapszene noch miterleben durfte, wohl am besten austauschen kann – über Rap. Darüber, wie er die HipHop-Kultur in den 90ern kennenengelernt hat, welchen Stellenwert sie heute für ihn besitzt und inwiefern sich die deutsche Rapszene in den letzten 20 Jahren verändert hat …
MZEE.com: Fangen wir doch zu Beginn des Interviews auch bei deinen Anfängen an. Was ist der erste deutsche Raptrack, den du je gehört beziehungsweise gefeiert hast und wann hast du ihn das letzte Mal gehört?
Umse: Ich bin ganz ehrlich: Das waren tatsächlich die Fantastischen Vier mit "Die Da!?!". Das kam 1992 raus – da war ich noch recht jung und habe das natürlich ohne irgendwelches Hintergrundwissen zu Rap gehört. Die Melodie läuft heute noch so oft im Fernsehen, dass ich das bestimmt vor ein bis zwei Monaten das letzte Mal aufgegriffen habe. Aber nicht als ganzes Lied.
MZEE.com: Das heißt, du hörst den Song auch nicht in deiner Freizeit noch ab und zu?
Umse: Nee, ich besitze weder die CD, die ich damals hatte, noch habe ich das bei YouTube mal angeklickt.
MZEE.com: Was ist der größte Unterschied zwischen der damaligen und der heutigen Deutschrapszene? Denkst du, dass sich das Ganze positiv entwickelt hat?
Umse: Das ist schwer für mich zu beurteilen, weil ich natürlich viel jünger war, als ich damals angefangen habe. Als junger Dude empfindet man die Dinge immer ganz anders, als sie heute sind. Ich habe angefangen, da war ich 15 oder 16 – jetzt bin ich doppelt so alt und dementsprechend hat sich viel bei mir verändert. Man wächst mit diesen Sachen auf, wird mit den Jahren reifer und die Szene verändert sich. Den Wandel kriegt man einfach mit. In den 15 Jahren, in denen ich das jetzt schon beobachte, gab es viele Veränderungen. Ich bin positiv gestimmt, deshalb mache ich auch mit vollem Elan Musik. Ich finde die Entwicklung soweit gut, auch wenn es zwischendrin Phasen gab, in denen die Leute, die aus meiner Generation sind, stellenweise von der Lage und der Situation abgeturnt waren. Alles hat sich vom Positiven ins Negative entwickelt und da musste man erst einmal mit zurechtkommen. Manche haben das Handtuch geschmissen, andere haben ein bis zwei Jahre abgewartet, bis sie mal wieder was machen. Und ich selbst war jemand, der noch sehr aktiv war und wollte, dass man ihm zuhört. Es war schon schwierig, sich da durchzusetzen. Gerade auch, weil ich da von der Herangehensweise her eher den alten Weg gehe, selbst wenn viele moderne Einflüsse mit dabei sind.
MZEE.com: Die Grundstimmung innerhalb der Szene hat sich verändert …
Umse: Als sich die Leute mit der momentanen Lage angefreundet oder engagiert hatten, wurden sie auch wieder aktiver und die Szene selbst vielfältiger. Nach diesem eben erwähnten Positiven kam das Negative, dann wurde das auch langweilig und es musste sich etwas Neues entwickeln. Man ist genervt von dem Inhaltsleeren und geht wieder zu Inhaltsvollerem, dazwischen gibt es weitere Nischen. Deswegen hat momentan auch alles seine Berechtigung, aber auch seine Aufmerksamkeit.
MZEE.com: Findest du, dass es ein Glücksfall ist, dass du so viele verschiedene Phasen der Szene miterleben konntest?
Umse: Ich bin auf jeden Fall froh, HipHop in den 90ern erlebt zu haben. Da sind wir wieder an dem Punkt, dass ich das mit meinem damals noch jugendlichen Kopf beurteile. Aber ich denke, das geht auch vielen anderen so, die damals schon älter waren. Es war ein anderes Gefühl, ein anderer Zusammenhalt. Mit Sicherheit will das heute auch keiner mehr – es war zu der Zeit einfach ein geiler Spirit, weil sich diese Einstellung auf alle übertragen ließ. Wenn du dich so und so verhältst, dann bist du fake – und wenn du das und das machst, dann bist du straight. Das war gut, weil da einfach viel Produktives bei rumgekommen ist. Es gab viele Leute, die sich von dem schwachen Kram, den es da auch schon gab, absetzen wollten. Das hat sich natürlich bis heute durchgezogen. Aber weil das damals so krass ausgeprägt war, gibt es das heute auch noch.
MZEE.com: Kannst du nachvollziehen, dass die Leute, die in den 90ern älter waren, heute sagen, dass sie mit dem und dem Künstler von heute gar nichts anfangen können?
Umse: Das sind dann wirklich Scheuklappen und das kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt auch in den Bereichen, die nicht unbedingt das sind, was man mal mochte, saustarke Sachen! Damit muss man sich halt anfreunden und auseinandersetzen. Etwas, das nicht funktioniert, wenn man sich einmal reinklickt und direkt beurteilt, ob es einem gefällt oder nicht. Man muss alles auf sich wirken lassen und wenn man dann nicht zu abgeschottet ist von sich selbst, dann findet man auch Positives.
MZEE.com: Was hältst du davon, dass es heute nicht mehr nur um die vier Elemente geht, sondern viel Oberflächliches in die Szene Einzug gehalten hat? Kannst du verstehen, wenn jemand beispielsweise Imagerap feiert beziehungsweise gibt dir das selbst vielleicht sogar was?
Umse: Warum Jugendliche das heute feiern, ist klar. Die sind nicht damals aufgewachsen und haben diese Denkweise nicht so eingetrichtert bekommen. Die wachsen mit der Denkweise auf, die gerade herrscht – und da werden solche Sachen toleriert. Da erwartet man nicht von allen, dass sie das infrage stellen. Das kann man natürlich tun und die, die sich ein bisschen mehr 'nen Kopf machen, werden das auch. Aber es kommt immer darauf an, mit wem man rumhängt, was in dem Kreis für ein State of Mind ist oder wie alt die Leute sind. Die Älteren wirken ja auch oft auf die Jüngeren ein und geben denen natürlich ihre Message mit. Ich kann nachvollziehen, dass die Leute heute auf oberflächliche Dinge anspringen, weil sie teilweise auch sehr Entertainment-lastig dargestellt werden, dementsprechend witzig sind und Gesprächsthemen liefern. Ich selber weiß nicht, wie ich heute wäre, wenn ich 15 Jahre alt wär'. Ich wüsste nicht, wie ich auf das Ganze anspringen würde. Ich kann sagen, dass ich von Grund auf ein kritischer Typ bin, der alles durchleuchten würde – aber es hängt einfach ganz krass von den oben aufgezählten Dingen ab … und was man für einen Charakter hat.
MZEE.com: Findest du, dass sich die Szene zu viel mit Themen abseits der Musik – zum Beispiel Äußerlichkeiten, Skandale oder öffentliche Streitigkeiten – beschäftigt und die Musik an sich dadurch zu sehr in den Hintergrund rückt?
Umse: Die Musik rückt nie komplett in den Hintergrund, weil es das ist, was die Leute bekannt macht. Allerdings kommt die Frage auf, was in den Phasen passiert, in denen keine neue Musik da ist. Darauf bauen Medien auf, weil das halt Klicks generiert. Die einen machen es mehr, die anderen weniger und die einen müssen es mehr, die anderen müssen es weniger. Es ist immer eine Frage, wie man beispielsweise als Portal oder was auch immer gepusht wird und inwiefern man es nötig hat, sich dem Gossip zu widmen. In einer gewissen Form rückt die Musik in den Hintergrund. Da werden Videos geteilt und auch Sachen, die gar keinen zu jucken haben oder was eigentlich egal sein sollte, aber nicht egal ist, weil Action immer etwas generiert. Der Punkt ist nur, inwiefern man das einfach infrage stellt oder pusht, indem man regelmäßig auf diese Seiten geht oder eben nicht. Mir fällt auf, dass auf solchen Seiten viel Gossip seinen Platz findet. Ich gehe trotzdem drauf, weil ich aus jeder Seite etwas ziehe. Seien es neue Interviews oder Musik, die vorgestellt wird – ich klicke da überall rein, pick' mir das raus, was mich interessiert, und überlese die Sachen, bei denen ich weiß, dass es eine Schlagzeile ist, um Klicks zu generieren.
MZEE.com: Findest du es absurd, dass es in einer Szene, in der es ganz ursprünglich um Zusammenhalt ging, an vielen Stellen normal geworden ist, gegen andere zu schießen und eher gegen- als füreinander zu sein?
Umse: Dass Leute gegen andere schießen, resultiert daraus, dass sie wissen, dass es ihnen etwas bringt – und es macht ihnen teilweise auch Spaß. Ich kann das nachvollziehen, aber ich bin einfach nicht so ein Typ … Mir wäre es unangenehm, wenn ich so drauf wäre und deshalb verhalte ich mich nicht so. Das ist das Gleiche wie mit dem Gossip. Einer schießt gegen den anderen und fünf verschiedene Seiten teilen das. Da weißt du schon, dass das nicht aufhören wird und dass das für die auch einen Effekt hat. War das zu Aggro Berlin-Zeiten nicht noch kranker mit dem Schießen gegen andere? Ich glaube, im Straßenrap ist das einfach unabdingbar, weil da noch ein viel größerer Schwanzvergleich auf der verbalen und körperlichen Ebene herrscht als in Bereichen, wo ich mich aufhalte. Wo es einfach nur um die Mucke geht. Ich biete auch sonst keine andere Angriffsfläche, deshalb kann es auch nur um die Mucke gehen. Leute, die Straßenrap feiern, die wollen so etwas und es gehört dazu. Der ganze Hintergrund und die Spannung, was jetzt wohl auf dem nächsten Album kommen wird. Das alles ist spannend für Kiddies. Deswegen geht dadurch nichts kaputt. Diese RTL 2-Nummer wird einfach größer an die Glocke gehangen, als dass du das mit einem guten Format machen kannst. Das ist logisch, aber der Kampf ist, sich trotzdem treu zu bleiben und sich nicht überschatten zu lassen von diesem ganzen Quatsch. Es sollte vielleicht auch eher der Ansporn sein für die andere Ecke, die überschattet wird. Zu sagen, dass man so dope Musik macht, dass man an einem trotzdem nicht vorbeikommen kann und man über diesem Gossip steht. Es sollte ein Antrieb sein, qualitativ Gutes zu machen, sodass einen dieser ganze Beefscheiß gar nicht juckt. Hat mich auch noch nie gejuckt, ich bin dann auch wie jeder Besucher: Ich klick' das kurz an, gucke das durch, lache darüber, aber habe damit gar nichts zu tun. Nur weil man mal ein paar Leute kennenlernt, verändert sich das nicht. Es ist ein ganz anderer Schuh, der gelaufen wird.
MZEE.com: Juse Ju hat mal folgende These aufgestellt: "Es gibt keine Szene mehr, das ist nur noch die Musik." Stimmt diese Aussage in deinen Augen oder gibt es noch eine wirkliche Deutschrapszene? Oder entgegen dem HipHop-Grundgedanken vielleicht sogar mehrere Szenen, die unabhängig voneinander funktionieren?
Umse: Das würde ich schon sagen. Ich treff' auf den Konzerten, auf denen ich unterwegs bin, oft dieselben Leute, deswegen kann man da auch von einer Szene sprechen. Aber die Szene verändert sich ja auch immer ruckzuck. Wenn jetzt jemand auf denselben Konzerten auftritt wie man selbst, weil beide immer gebucht werden, dann heißt das nicht, dass es im nächsten Jahr noch genauso sein wird. Es liegt auch immer ganz krass daran, was gerade in eine Ecke sortiert wird und die Leute trifft man dementsprechend. Das ist keine Szene, weil man sich eine Szene schon größer vorstellt als fünf Künstler, die du immer wieder triffst. Ich würde schon sagen, dass es viele kleine Szenebereiche gibt, aber das Szene zu nennen, wäre vielleicht schon zu groß. Es gibt halt eine riesige HipHop-Szene, die ist nur in diverse Bereiche gesplittet.
MZEE.com: Glaubst du denn, dass es diese Szene noch gibt, die es ganz früher mal gab?
Umse: Nee, ich glaube nicht, dass es diese Szene noch gibt. Die Jungs gibt es auf jeden Fall! Die einfach immer noch Bock haben, sich den Rucksack überzuziehen und loszufahren. Das hängt ganz vom Alter ab – ich denke nicht, dass das die Älteren noch tun. Dafür kriegst du einfach zu viel durch das Internet mit. Wenn du einmal den Rechner anmachst, erfährst du direkt alles, was neu ist. Zu den Zeiten, in denen es üblich war, sich den Rucksack zu nehmen und mit dem Bahnticket rumzueiern – das ist lange vorbei. Das war halt, um am Ball zu bleiben, informiert zu sein und Kontakte zu knüpfen. Heute kannst du ja auch Kontakte über das Internet knüpfen, heute rücken die Leute virtuell zusammen. Und damals musstest du die, mit denen du Kontakt haben wolltest, einfach persönlich treffen, es sei denn, es stand auf der 12-inch noch die Haustelefonnummer – so wie das damals war. (grinst) Dann hast du da angerufen, die Mutter ging ran und sagte: "Tobias, komm mal runter!" Die Leute machen das aber dann auch eher aus dem Faktor, dass es mal gang und gäbe war und die wollen das Gefühl, was damals geherrscht hat, teilen können. Ich war auch nicht so einer, der von A nach B geeiert ist. Da war ich auch zu jung und als ich dann soweit war, hat sich das schon langsam abgeschwächt. Ich war sehr viel regional im Ruhrpott sowie in Düsseldorf und Köln unterwegs. Da habe ich halt gewohnt, aber ich bin nie außerhalb von NRW gefahren, um mir irgendwo eine Jam anzugucken. Zumindest nicht wegen diesem Jam-Charakter – natürlich wegen Festivals, aber ich war jetzt kein Wochenendreiser.
MZEE.com: Bist du heute noch in der Gegend unterwegs und guckst dir das an?
Umse: Wenn ich gerade im Ruhrpott bin und was geht.
MZEE.com: Du bist also nicht nur da, wo du selbst auftreten kannst?
Umse: Nee, ich befind’ mich auch die Hälfte der Woche in Köln und in Köln geht super viel. Da guckt man sich dann automatisch gewisse Sachen an. Aber das ist auch das, worauf man gerade Bock und wofür man Zeit hat, weil ich dann doch relativ viel unterwegs bin.
MZEE.com: Kommen wir mal auf deine Musik zu sprechen. Nachdem deine ersten Alben in einem Abstand von zwei bis drei Jahren erschienen sind, lag zwischen "Wachstum", "Kunst für sich" und "Hawaiianischer Schnee" jeweils nur ein Jahr. Woher kommt plötzlich dieses Tempo, was Releases angeht?
Umse: Das liegt an zwei Grundfaktoren. Einmal habe ich den Kopf im Moment total frei, weil ich mich von der Uni getrennt und einen Haken dahinter gesetzt habe. Es ist gerade saugut, denn ich merke, dass ich das brauche und das andere gar nichts bringt. Ich bin kein Typ, der nach Sicherheit sucht und das nur macht, um etwas in der Tasche zu haben. Ich wäre eh nicht arbeiten gegangen, von daher bringt mir der Abschluss hinterher sowieso nicht mehr viel. Außerdem bin ich mit Deckah einfach musikalisch noch weiter zusammen gewachsen. Wir sind beide viel produktiver. Das liegt daran, dass wir nie aufgehört haben und seit Jahren daran arbeiten und das garantiert dazu führt, das wir in kürzerer Zeit mehr von dem rausbringen können, was uns gefällt. Ich glaube, die Motivation ist durch die letzten zwei Releases angekurbelt, sodass wir merken, dass es zu viel mehr Auftritten führt, wenn wir konstanter releasen. Wir haben gemerkt, dass es gar nicht besser sein muss, wenn man sich zwei Jahre Zeit lässt. Das ist vielleicht in Major-Bereichen so, wenn da ganz viele andere Menschen mitspielen, die musikalisch mitarbeiten. Aber wir sind zwei Mann. Unser Sound wird sich da nicht grundlegend verändern können oder wollen. Es soll schon immer mal wieder eine Schippe drauf, aber wir wollen diese Linie genau fahren und sie immer wieder besser machen. Deswegen ist die Motivation so groß und es läuft seit zwei Jahren richtig gut.
MZEE.com: Machst du das eigentlich beruflich?
Umse: Ja, seit den zwei Jahren schon. Bevor ich mich von der Uni getrennt habe, eigentlich auch schon, aber da war es mehr schlecht als recht. Da war die Aufmerksamkeit nicht so hoch wie jetzt und die Auftritte haben dementsprechend weniger abgeworfen, das ist ja klar. So hat sich das einfach entwickelt und wir versuchen, das, was wir können und wozu wir in der Lage sind, abzurufen und in Tracks darzustellen. Solange das so ist und man vor allem Bock an der Sache hat, wird das auch so weitergehen. Ich sehe meine Lust daran nicht in drei oder vier Jahren flöten gehen. Ich fühle mich damit gut und sicher und es geht so weiter.
MZEE.com: Was ist, wenn du in vier Jahren merkst, dass du keine Lust mehr auf Rap hast?
Umse: Dann öffnen sich andere Türen – wenn man nicht ganz blöd ist, gut mit Leuten kann und weiß, an wen man sich zu wenden hat, wenn es kritisch wird. Man merkt es früh genug. Bei mir wird es nicht die Aufmerksamkeit sein, die irgendwann flöten geht, sondern eher die Lust. Ich weiß es nicht, ich kann das nicht einschätzen … Aber solange man sich immer wieder zufriedenstellt, geht die Lust auch nicht verloren, Dinge neu zu probieren und immer wieder einen drauf zu setzen. Ich bin auch kein Typ, der sagt, dass er mit 50 Jahren auf keinen Fall mehr rappt. Warum nicht? Kann doch dann richtig dope sein und noch viel besser als es heute ist, wer weiß? Das will ich halt herausfinden.
MZEE.com: Vielleicht gehst du ja auch irgendwann mal in eine andere musikalische Richtung …
Umse: Genau! Es ist halt nicht geplant, aber möglich ist alles.
MZEE.com: Letztes Jahr gab es öfter mal die Vermutung, Cro hätte stellenweise Songideen von dir übernommen – hattest du schon mal Kontakt mit ihm und konntest klären, ob er vielleicht tatsächlich Fan deiner Musik ist? Oder fandest du das Ganze an den Haaren herbeigezogen?
Umse: Darüber gesprochen nicht, es ist halt nicht ganz eindeutig. Man kann da A und B sagen. A ist, dass es offensichtlich die gleiche Herangehensweise ist, nur wo ich über HipHop und Rap rede, redet er über ein Mädel. Aber B ist, dass dieses "Was wäre, wenn"-Ding ein grundlegender rhetorischer Aspekt ist, der irgendwann mal so kommt, wenn du dich mit Texten auseinandersetzt. Dass es dann wirklich zu einem Song kommt, der so nah mit einem anderen aneinander liegt, ist schon komisch, aber ich unterstelle da jetzt nichts Böses, weil er das mit Sicherheit nicht braucht und nicht nötig hat. Ich weiß aber, dass er mal auf meinem Konzert in Schwäbisch Gmünd war und er auch weiß, dass es den Song von mir gibt. Keine Ahnung, das ist jetzt auch nicht weiter wichtig. Ich weiß auch, dass er da war und ob das jetzt in irgendeiner Form inspiriert ist oder abgeguckt, das sei einfach dahingestellt. Er hat einen eigenen Track daraus gemacht, auch wenn ein bis zwei Lines schon sehr parallel sind – aber juckt mich nicht weiter.
MZEE.com: Was war deiner Meinung nach die "beste Zeit" für deutschen Rap – abseits von Verkaufszahlen und Charts. In welcher Zeit sind die besten Platten entstanden?
Umse: Mein Plattenregal wird auf jeden Fall noch von den 90er Jahren dominiert. Ich glaube, als Jugendlicher holt man sich eher seine prägenden Alben als heute. Es gibt heutzutage unglaublich starke Alben, aber ich habe da nicht so einen Bezug zu, wie ich das mit 15 oder 16 Jahren hatte. Deswegen wiegen die alten Alben, die ich von damals habe, einfach viel schwerer, weil die mich geprägt haben. Heutige Sachen kommen da noch oben drauf. Ich feier' da auch einiges von, aber den wichtigen Klassikerruf haben für mich dann die Sachen, die ich als junger Spund gefeiert habe. Die mich dazu gebracht haben, das zu machen, was ich heute mache. Ich bin nicht der Typ, der nur Amirap gehört hat und irgendwann kamen dann auch deutsche Sachen, sondern die deutschen Sachen haben bei mir gezündet. Ich habe Diverses mitbekommen, was sich über der Oberfläche befunden hat. Und dann auch so Sachen wie Ruhrpott AGs "Unter Tage", was damals krass unbekannt war, bis es in einer gewissen Art und Weise durch die Decke gegangen ist. Das war regional das, was ich sehr oft sehen konnte und was mich einfach geprägt hat. Noch nicht einmal dadurch, dass sie aus meiner Ecke kamen, sondern durch den Klang des Namens, der Titel, die Rapper an sich. Damals war es noch so, dass man es vergleichen konnte: Ich hatte eine CD von den Absoluten Beginnern und eine Ruhrpott AG-Platte – da haben sich schon krasse Kontraste ergeben. Das ist eine ganz andere Welt und in der habe ich mich dann auch entfaltet. Es ist zu der Zeit eine große Inspiration gewesen, um überhaupt einen eigenen State of Mind und Kritik zu entwickeln. Das habe ich auch ganz krass daraus gelernt, nicht nur aus der Mucke. Wenn man Mucke feiert, dann will man sich auch Interviews angucken und dann lernt man auch viel nebenbei, was gar nichts mit der Musik zu tun hat. Das war für mich prägend und ich sage auch, dass ich heute nur so bin, weil das so gewesen ist.
MZEE.com: Weißt du zufällig, was die Platte ist, die du am meisten in deinem Leben gehört hast?
Umse: Mit Sicherheit "Unter Tage" von der Ruhrpott AG. "Gefährliches Halbwissen" von Eins Zwo habe ich auch sehr gerne gehört, zwischen den beiden Alben hat sich das die Waage gehalten. Diese waren definitiv viel öfter in meinem Player als andere Alben, die trotzdem auch geil sind und die ich auch als krassen Einfluss nennen würde. Ich bin, wie jeder, auch ein Resultat aus dem, was man gefeiert hat. Eine Mischung aus diesen Alben ergeben heute mich mit meinem eigenen Kopf. Auch all das, was ich wack fand. Das ist ganz wichtig, denn nur so kannst du sehen, was du möchtest und was du nicht möchtest. Die wacken Sachen sind genauso wichtig wie die guten.
(Florence Bader & Laila Drewes)
(Fotos von Kai Bernstein)
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