Ich werd' immer größer, ihr kläffenden Köter!
Und fresse und fresse, weil Papa muss wachsen.
Oktober 2015. Deutscher Rap ist schnelllebig wie nie. Eine Release-Flut jagt die nächste und der ein oder andere wartet nur darauf, dass der Hype endlich abebbt. Zu oft gilt es, sich etwas anzuhören und zu selten findet sich die Zeit, Werke wirklich noch wertzuschätzen. So bleiben nur die Ausnahmen der Ausnahmen im Kopf – Klassiker der Neuzeit eben. Während Straßenrap 2015 bisher vom Mantel, von "Bonchance" wünschenden Frankfurtern oder aber dem fruchtigen Obstgeruch aus dem Norden geprägt ist, spüren mittlerweile nicht nur Hamburger im Oktober einen Sturm aufziehen. In ganz Deutschland macht sich die salzige Hafenluft breit, die deutschen Rap wissen lässt: 187 ist zurück, denn Gzuz ist da und mit ihm die Flut. "Erst kommt die Ebbe, dann kommt die Flut" ("Ebbe & Flut").
Ob es bei der bereits dritten 187er-Veröffentlichung in diesem Jahr zu Müdigkeitserscheinungen kommt? Keineswegs. Gzuz und die Bande klingen auch auf "Ebbe & Flut" hungrig wie nie. Sie wirken authentisch und auf dem Boden geblieben wie zu ihren Anfangszeiten und dabei doch weiterentwickelt, gereift und in ihrem Metier stellenweise einfach makellos. Gerade das zeigen auch "Hinterher", "Prollz" und "Papa muss wachsen", welche auf ihre Art und Weise sinnbildlich für das Album stehen. "Hinterher" ist ein Song für Gzuz' Mutter, der untypischer nicht aufgezogen sein könnte. Ein bretternder, nach vorne gehender Kopfnicker-Beat untermalt die aggressive und hasserfüllte Stimme des Rappers, während er zeitgleich Emotionen in den Worten zeigt. Dabei wirkt das Ganze für keinen Moment abgedroschen, sondern greifbar für das Publikum. Zeilen wie "Die Liebe in der Bolognese kannst du nicht mit Cash bezahlen" sorgen durch die Art und Weise der Präsentation für Gänsehautmomente – simpel, aber effektiv. Im Gegensatz dazu steht "Prollz", eine Kollaboration von Gzuz und Maxwell. Nicht nur, dass dieser Song wieder einmal sehr stimmig das Gemeinschaftsgefühl und die Verbundenheit der Strassenbande-Rapper zeigt, nein, auch Hausproduzent jambeatz läuft hier zu Höchstleistungen auf. Auf einer stilistisch sehr modernen Soundkulisse mit genügend Trap-Einflüssen zelebrieren die Hamburger ihren Lifestyle und beweisen, dass nicht nur Bonez MC ein Talent für Ohrwürmer hat. Den Abschluss bildet "Papa muss wachsen" – für mich der stärkste Song von Gzuz und vielleicht sogar der 187 Strassenbande generell bisher. Die Instrumentierung ist, ähnlich wie bei "Prollz", sehr modern und Trap-lastig gehalten und grenzt sich somit zu älteren Produktionen etwas ab, ohne dabei allerdings die raue Härte einzubüßen. Auf diesem Song zeigt Gzuz in besonderem Maße sein Talent und beweist, dass er auch wunderbar solo überzeugen kann, wenn er mit der Zeit geht. Mitreißend und packend wirkt jede einzelne Zeile. Hinzukommen Addlips wie "Bargeld, Baby!", die so herrlich arrogant vermittelt werden, dass man nicht um ein breites Grinsen herumkommt.
Und irgendwie fassen diese drei Songs "Ebbe & Flut" perfekt zusammen. Die emotionsgeladene, kredibile Authentizität eines "Hinterher", das Gemeinschaftsgefühl und der Lifestyle des "Prollz" sowie der Blick für die Zeit und die vermittelte Selbsterhaltung auf "Papa muss wachsen". All diese Eigenarten bilden "Ebbe & Flut". All diese Eigenarten bilden 187 und somit Gzuz. All diese Eigenarten machen das Album zu dem Höhepunkt einer Flut, die sich durch ganz Deutschland zieht – und das vollkommen verdient.
(Lukas Maier)
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