Denkt man an "Frieden", dann hat man dabei sicher nicht unbedingt Panzer, Soldatenhelme oder Krisengebiete vor dem inneren Auge. Für Crystal F, Arbok 48 und Crack Claus ist allerdings genau das dieser angebliche "Frieden": ein geheuchelter Zustand, ein anderes Wort für "Krieg". Dementsprechend heiß geht es auch auf der aktuellen, gleichnamigen Ruffiction-Platte her. Kein Wunder also, dass die BPjM seit jeher ein Auge auf die dreiköpfige Crew geworfen und ihnen mitunter bereits die komplette Webseite wegen "jugendgefährdender Inhalte" gesperrt hat. Aber als "die Bösen" lassen sich Ruffiction nicht so einfach – oder zumindest nur ungerne – abstempeln. Wir führten mit Crystal F und Arbok 48 anlässlich des Releases ein ausführliches Interview, in dem wir nicht nur über Indizierungsverfahren, das aktuelle Album und ihr Zugehörigkeitsgefühl zur Deutschrapszene sprachen, sondern auch über das, wofür das Label eigentlich stehen möchte: Zusammenhalt.
MZEE.com: "Frieden ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung und besonders von Krieg" – zumindest laut Wikipedia. Wenn man sich euer aktuelles Album anhört, trifft davon allerdings überhaupt nichts zu … Wie definiert ihr "Frieden"?
Crystal F: Frieden ist für uns, einfach alles plattzuwalzen, bis nichts mehr da ist. Das fanden wir ziemlich treffend. Man kennt das ja: Wenn Friedenstruppen in irgendwelche Krisengebiete geschickt werden, bedeutet das eigentlich nur, dass dort unter vorgehaltenem Frieden Krieg geführt wird. Wir fanden, dass das ganz gut passt, um mit einer gegensätzlichen Sache das Album zu beschreiben. Das Logo des Albums ist ja auch das umgedrehte Friedenszeichen. Auf "Ruffnecks" hatten wir noch das normale auf einem Soldatenhelm und dementsprechend fanden wir einfach die Symbolik geil.
MZEE.com: Das heißt, ihr habt die Symbolik von "Ruffnecks" auch bewusst auf dem Cover weitergeführt?
Crystal F: Genau. Mit dem Logo zu spielen war eine der Grundideen, die ich hatte. Das Peace-Zeichen und eine Gegensätzlichkeit. Bei "Ruffnecks" war das der Helm und dieses Mal ist es eben das umgedrehte Friedenszeichen, der Name und das Kriegsgebiet in Kombination. Das war das Konzept.
MZEE.com: Wann stand dieses Konzept denn und wann habt ihr mit der Produktion begonnen?
Crystal F: Die Idee zu Albumtitel und Artwork hatte ich schon recht früh. Nikolaus hatten wir den ersten Studiotermin. Vorher hatten wir uns auf vier Beats geeinigt und mit den ersten Songs angefangen. Bei "Ruffnecks" stand, als das Album fertig war, noch nichts. Der Name ist damals aus einem YouTube-Kommentar unter dem ersten Video entstanden. (lacht) Wir haben die ganze Zeit überlegt, wie wir's nennen können und ich hatte 40 Vorschläge, die die anderen nicht so cool fanden. Dann hab' ich mir bei dem "RUFF"-Video mal die Kommentare durchgelesen und da hatten einige geschrieben: "Das sind ja richtige Ruffnecks." Und ich dachte: "Boah, warum sind wir da nicht vorher drauf gekommen?!" Das hab' ich den anderen dann vorgeschlagen und die meinten: "Ich weiß nicht …" Und dann hab' ich gesagt, wenn sie bis morgen keine bessere Idee haben, nehmen wir das. (lacht) Danke an diesen Kommentar auf jeden Fall!
MZEE.com: Verfolgt ihr generell, was bei YouTube, Facebook und Co. über euch geschrieben wird?
Arbok 48: Bei YouTube lese ich mir schon viel durch. Aber immer nur in der ersten Woche, in der ein neues Video gekommen ist. Bei Facebook natürlich auch – da beantworte ich jede Nachricht, die ankommt … Es sei denn, die Leute schreiben nur "Hi" oder "Yo". Aber sonst bekommt bei mir jeder eine Antwort.
MZEE.com: Seit "Ruffnecks" im letzten Jahr erschienen ist, konntet ihr einige größere Erfolge verbuchen, was Aufmerksamkeit und Verkaufszahlen angeht. Gab es den einen Moment, an dem klar wurde, dass Ruffiction mittlerweile mehr als ein Hobby ist?
Crystal F: Es hat sich während der Promophase zu "Ruffnecks" abgezeichnet, dass es diesmal plötzlich funktioniert. Das konnten wir uns alle nicht wirklich erklären. Wahnsinnig, wie wir sind, haben wir aber auch viel zu viel Geld in das Projekt investiert. So nach dem Motto: Wir setzen alles auf eine Karte und gucken, ob's klappt oder nicht. Und irgendwie hat es geklappt. Als wir dann die ersten Infos hatten, was die Verkäufe bedeuten könnten, waren wir alle eher überfordert damit. Einen bestimmten Moment gab's da aber nicht. Nach "Ruffnecks" war klar, dass es noch mehr Arbeit beziehungsweise der Druck größer wird, wenn wir das nächste Album angehen, weil man an diesen Erfolg anknüpfen möchte. Man will die Fans auch nicht enttäuschen – weder die alten noch die neu dazugekommenen. Aber es ist immer noch ein sehr zeitaufwändiges Hobby, das noch zeitaufwändiger geworden ist … aber schon immer noch ein Hobby.
MZEE.com: Du machst ja nach wie vor viel selbst und packst beispielsweise hunderte Fan-Pakete im Alleingang in deiner Wohnung – will man das nicht irgendwann mal abgeben?
Crystal F: (lacht) Das ist schwierig. Ich geb' immer ungerne Dinge ab, weil ich immer Angst habe, dass was falsch gemacht wird … ne, Mario?
Arbok 48: Ja. (grinst) Nicht, dass dann Autogrammkarten an wen anders geschickt werden, das wollen wir ja alle nicht.
Crystal F: Ich bin beim aktuellen Album schon an meine Grenzen gestoßen – mehrfach. Aber das hat auch mehrere Gründe. Wenn man ein paar Leute da hat, geht das schon. Und mir wurden diesmal auch Sachen abgenommen, die vorher komplett von mir alleine gemacht wurden. Aber ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wem ich das anvertrauen würde – außer Arbok und Claus.
MZEE.com: Was ist denn eure generelle Rollenverteilung? Wer übernimmt welche Funktion innerhalb des Labels – abseits von der Musik?
Arbok 48: Es ist eigentlich ganz einfach: Ich mach' die Grafik und alles andere macht Crystal F. Und Claus macht nichts.
Crystal F: Genau. Claus ist dafür zuständig, zu spät zu kommen, sich zu betrinken, Drogen zu nehmen und nicht ans Telefon zu gehen.
Arbok 48: Darum ist er jetzt auch wieder nicht da.
Crystal F: Am Wochenende hat er auf die Frage hin, was ihn ausmacht, auch noch mal ganz bezeichnend gesagt: Drogen nehmen, jedes Wochenende Party machen und saufen. (alle lachen)
MZEE.com: Seid ihr mit der Rollenverteilung zufrieden und fühlt ihr euch als Ruffiction momentan komplett?
Crystal F: Musikalisch steht das außer Frage – da sind wir auf jeden Fall komplett. Innerhalb dieser zehn Jahre Bandgeschichte, die wir bald haben, ging es nie passender in eine Richtung als jetzt, weder live noch auf CD. Davor war's so, dass wir teilweise zu sechst auf einem Song waren und jeder halt ein bisschen abgewichen ist. Die Marschrichtung war zwar oft dieselbe, aber jetzt ist es auch musikalisch so stimmig wie noch nie. Organisatorisch würd' ich mir natürlich wünschen, dass ich nicht mehr ganz so eingespannt bin und dass die anderen manchmal etwas mehr kreativen Input mitbringen. (lacht) Ansonsten ist alles gut.
MZEE.com: Im Vergleich zum Vorgänger-Release "Ruffnecks" finden wir auf jeden Fall, dass ihr auf "Frieden" noch ein gutes Stück mehr miteinander harmoniert – musstet ihr euch vielleicht erst ein wenig als "Crew" einspielen, um jetzt so nachlegen zu können? Könnte man "Ruffnecks" noch als Experiment ansehen?
Arbok 48: "Ruffnecks" war das erste Projekt, das wir komplett zu dritt gemacht haben. Man könnte schon sagen, dass es ein Experiment war – aber ein Experiment ist für mich eher ein Projekt, bei dem man nicht weiß, ob's was wird oder nicht. Eigentlich war uns aber schon klar, dass das was wird, weil wir dieselbe Art von Musik machen. Experiment ist darum vielleicht ein unpassender Begriff.
Crystal F: Auf jeden Fall war der Anfang von "Ruffnecks" eine Findungsphase. Wir mussten zu dritt gucken, was wir jetzt machen – und vorher waren wir zu sechst. 2013 waren wir fast nur live unterwegs, haben da aber schon unsere Rollen gefunden. Da hat man gemerkt, was man zu dritt für eine Dynamik hat, die man vorher vielleicht nicht hatte. Das hat uns viel gebracht. Wir wollten eigentlich schon Anfang 2013 mit "Ruffnecks" anfangen, haben dann aber erst im Herbst damit begonnen und gemerkt, dass wir wieder einen Schritt zu früheren Sachen zurückgehen. Zum Beispiel, dass wir uns treffen, um Sachen aufzunehmen, und nicht mehr alles hin- und herschicken. Da fand ich schon, dass wir uns gefunden haben. Und bei "Frieden" waren wir dann eingespielt. Das ist ja direkt im Anschluss an "Ruffnecks" entstanden – Album-Release, Tour, Albumarbeiten, ohne Unterbrechung. Selbst auf Tour sind wir zwischen den Dates noch ins Studio gegangen, um zu arbeiten. Ich würd's nicht Experiment nennen, aber als ersten Schritt in die neue Richtung sehen.
MZEE.com: Habt ihr zurzeit auch noch andere Soloprojekte in der Mache oder fokussiert ihr euch komplett auf Bandprojekte?
Arbok 48: Soloalben soll's auf jeden Fall geben und Crystal F ist da auch schon wieder am Machen …
Crystal F: Ich persönlich würde nervlich jetzt kein Crewalbum mehr aushalten, glaube ich. Natürlich weiß man, dass man jetzt eine Marke als Crew gesetzt hat, aber wir waren vorher auch schon immer solo unterwegs – bis auf Claus, auf sein Album wartet man seit 2006. (lacht) Aber ich bin ein eigenständiger Solokünstler und Arbok hat auch ein gutes Soloalbum gemacht … Es macht auch extrem viel Spaß, solo zu arbeiten. Ich hab' sehr viel Lust drauf und werd' demnächst wieder damit anfangen.
MZEE.com: Wo seht ihr darin die Vor- und Nachteile? Musstet ihr bei "Frieden" untereinander viele Kompromisse eingehen?
Arbok 48: Natürlich hat jeder seinen eigenen Geschmack, was die Beats betrifft – und vor allem Claus hat da einen sehr speziellen. Der muss sich öfter auch mal an Hauke (Crystal F, Anm. d. Red.) anpassen. Wir harmonieren als Gruppe gut, aber wenn man ein Soloalbum macht, hat man die volle Freiheit – du kannst machen, was du willst und musst nicht zu dritt abstimmen, ob man den Beat jetzt feiert oder nicht.
Crystal F: Was mir an einem Soloalbum extrem gefällt, ist, dass man anderen nicht hinterherlaufen muss. Man arbeitet für sich, hat seine Idee und kann die komplett ausarbeiten. Es ist einfach wahnsinnig schwierig, wenn drei Leute involviert sind. Weil das heißt, dass einer auch immer ein bisschen weniger von etwas überzeugt ist als ein anderer. Solo ist ein komplett anderer Film. Natürlich kann man sich dann auch nicht auf anderen ausruhen – wenn's scheiße wird, ist man selbst schuld. Für die iTunes-Edition von "Frieden" hat jeder einen Solo-Track gemacht und da haben wir erst wieder festgestellt, wie unterschiedlich jeder von uns solo ist. 2012 kam mein letztes Soloalbum, seitdem hab' ich nichts mehr allein gemacht. Arbok und Claus genauso. Da hat man gemerkt, dass jeder sein Ding macht und das extrem cool ist, aber ich hätte niemals auf Claus' Beat gerappt. Er hat meinen aber total gefeiert und sich, glaube ich, gewünscht, dass wir den auf "Frieden" gehabt hätten, weil er total in diese alte Richtung geht. (lacht)
MZEE.com: Ihr seid vermutlich eine der Gruppen, die hierzulande am meisten mit der BPjM zu kämpfen haben. Jetzt, wo eure Reichweite immer mehr steigt: Achtet ihr – bewusst oder unbewusst – vielleicht doch ein wenig mehr darauf, wie ihr welchen Inhalt formuliert, sodass man eine Indizierung leichter umgehen könnte?
Crystal F: Nein. Wir denken da gar nicht drüber nach und jeder, der "Frieden" gehört hat, hat mir auch gesagt, dass wir im Vergleich zu "Ruffnecks" viel härter geworden sind. Ist mir auch so vorgekommen, weil ich mir bei dem, was ich geschrieben hab', von Anfang an dachte: Okay, da könnte der Vertrieb jetzt nicht so glücklich mit sein. (lacht) Aber nein, wir machen uns da gar keine Gedanken drüber, ob die BPjM jetzt deswegen kommt. Wenn sie will, schreitet sie halt ein. Wir hatten schon ein paar Ärgereien mit denen und letztens erst eine Gerichtsverhandlung, die aus so einer BPjM-Geschichte entstanden ist. Da lief eine Anzeige gegen uns, aber wir wurden freigesprochen, was ganz … angenehm war. (grinst)
MZEE.com: Ihr seid eine der ersten Crews, von der tatsächlich Free-Releases indiziert wurden …
Crystal F: Ich kenn' keine andere, bei der so war …
Arbok 48: Ich auch nicht. Sogar die Internetseite …
Crystal F: Genau. Die Internetseite, Free-Releases und Videos – alle Online-Inhalte.
MZEE.com: Auch wenn ihr das bestimmt nicht gutheißt – könnt ihr zumindest nachvollziehen, dass die BPjM so eingreift?
Arbok 48: Ich kann's teilweise nachvollziehen, weil bei der BPjM wahrscheinlich Leute sitzen, die sich nicht wirklich damit befassen. Die hören die Lieder, lesen die Texte und stempeln das ab. Aber sie befassen sich nicht mit den Fans oder Leuten, die das hören. Das sind keine Gefährdeten, die die Texte so ernst nehmen, dass sie deswegen Amok laufen würden. Und das ist für mich das Problem. Die sind da nicht so richtig drin und haben 'ne andere Sicht drauf, deshalb kann ich verstehen, warum sie das so machen, wie sie's machen. Aber ich kann's im Endeffekt für mich nicht verstehen. Ich hab' noch keinen Fan erlebt, der gesagt hat: Geil, eure Musik hat mich dazu gebracht, dass ich jetzt auf die Straße gehe und jemandem auf die Schnauze haue. Eher im Gegenteil. Wir kriegen immer Feedback von wegen: "Die Musik hat mir geholfen". Ich hab' schon Nachrichten von Leuten bekommen, die meinten, dass sie nur noch wegen unserer Musik am Leben sind. Das ist also eher das komplette Gegenteil meiner Meinung nach …
Crystal F: Ich kann verstehen, dass man Musik, die Gewalt thematisiert, Kindern nicht zugänglich machen möchte. Das kann ich vollkommen nachvollziehen. Wir machen ja wirklich Erwachsenen-Unterhaltung, wie Filme halt auch. Was ich aber absolut gar nicht verstehen kann, ist, wenn dann strafrechtlich gegen jemanden vorgegangen wird, weil er Musik macht und darin vielleicht Sachen sagt, die andere in Büchern oder Filmen darstellen. Da muss ich sagen: Das ist ein riesengroßes Problem für mich. Ich hatte auch mal eine Phase, in der ich gedacht habe, ich kann gar kein Soloalbum mehr machen, weil ich, wenn ich Pech hab', eine Anzeige und Vorstrafe bekomme. Dafür, dass man thriller- oder horrormäßige Musik macht. Man müsste eigentlich wissen, dass Musik nur Musik ist. Und die macht man nicht, um alles so realistisch wie möglich darzustellen – man möchte sich auch ausleben können.
MZEE.com: Gibt es nicht die Regelung, die besagt, dass man gewalttätige Handlungen in einem Track selbst vollziehen, aber nicht dazu aufrufen darf?
Crystal F: Jein. Ich kenn' mich nicht komplett mit den Richtlinien der BPjM aus, aber weiß, dass Songs, auf denen ich in der Ich-Perspektive erzählt habe, ausschlaggebend für Indizierungsverfahren waren.
MZEE.com: Wir haben eben schon über eure Fans gesprochen – die sind mitunter für ihren krassen Rückhalt euch gegenüber bekannt. Was war das krasseste, das ein Fan je gemacht hat, um seine Zugehörigkeit zur "Ruffamilia" zu demonstieren?
Crystal F: Es gibt zwei Sachen. Einer der krassesten Momente für mich war der, als sich jemand "Ruffiction" übers Schlüsselbein tättowiert hat. Das war 2009 oder so. Den haben wir eine Zeit lang auf allen Konzerten gesehen und er hat uns seine Geschichte erzählt, war im Knast und so weiter. Für uns war das einfach … ja, eine Art Mindblow. Den haben wir in Jena letztens endlich auch mal wieder gesehen, nach längerer Zeit. Ich hab' ihn auch auf mehreren Songs erwähnt, zum Beispiel auf "Stress": "Echte Panzerfans haben den Namen auf dem Schlüsselbein". Oder auf "Kopfschmerzen": "Echte Panzerfans kümmern sich um ihre Tochter". Das war in Bezug auf ihn und ein prägender Moment. Immer, wenn man sich sieht, freut man sich extrem darüber. Und eine andere Sache war einfach, dass ein Fanpärchen seinen Sohn nach mir benannt hat und nach einem Konzert zu mir gekommen ist. Die beiden haben sich meinen Vornamen in meiner Handschrift aufschreiben und tättowieren lassen. Das war auch ein wahnsinniger Moment – wer macht sowas?!
MZEE.com: Fällt es euch schwer, zu realisieren, dass Leute wegen eurer Musik so etwas machen?
Arbok 48: Bei mir manchmal schon, ja.
Crystal F: Ich bin ehrlich gesagt immer noch nicht angekommen, weil ich nach wie vor in dem Glauben bin, dass unsere Musik doch eigentlich gar keiner hört. Früher hab' ich immer gedacht: Gibt es wirklich Menschen auf der Welt, die sich morgens wie ich unsere Musik anhören? Das wirkt sehr unrealistisch, weil man durch das Internet eine Hürde zwischen den Fans und sich selbst hat. Durch das Live-Spielen kriegt man das besser mit. Aber es ist teilweise schon sehr krass, was man für Emotionen in Menschen auslöst mit dem, was man macht. Und auch, was Texte, die man geschrieben hat, für andere bedeuten. Das ist manchmal schon schwer zu verstehen.
MZEE.com: Ihr geht mit dem Album wieder auf Tour, oder?
Arbok 48: Ja, allerdings auf eine kleinere Tour. Wir haben gerade unsere Bookingagentur gewechselt und Claus hat wegen seiner Prüfungen nur zu bestimmten Terminen Zeit. Aber nächstes Jahr wird das wahrscheinlich ein bisschen größer.
MZEE.com: Habt ihr irgendwelche irren Vorstellungen in Bezug auf eure Bühnenshows?
Arbok 48: Mein größter Wunsch ist eigentlich, dass Claus bei jedem Konzert dabei ist. (lacht)
Crystal F: Wir brauchen gar keine Bühnenshow. Wir sind zu dritt schon Entertainment genug, würde ich sagen. Unsere Konzerte sind jetzt auch nicht die klassischen HipHop-Konzerte, sondern eher ein Erlebnis. Weil wir aus so vielen Szenen Einflüsse mitgenommen und einen Mischmasch daraus gemacht haben. Wir haben jahrelang nur mit Hardcore- und Metalbands gespielt und da muss man einfach eine ganz andere Energie mit einbringen. Die meisten HipHop-Konzerte sind stinklangweilig. Und ich find' uns ehrlich gesagt sehr entertainend – auch ohne großes Bühnenbild, das haben wir eigentlich gar nicht nötig.
Arbok 48: Aber wir haben jetzt Tamas als DJ, der wird sich auf der Tour wahrscheinlich auch die ein oder andere Sache ausdenken und uns damit überraschen. (lacht)
MZEE.com: Ihr habt gerade erwähnt, dass ihr auch aus anderen Szenen viele Einflüsse und Fans mitbringt – fühlt ihr euch trotzdem der Deutschrapszene verbunden? Würdet ihr sagen, dass das eure Szene ist?
Crystal F: Nein.
Arbok 48: Ich würd' auch eher nein sagen. Es kommt mir immer noch so vor, als würden wir mit der Szene nichts am Hut haben. Das ist irgendwie mein Empfinden – wir sind unsere eigene Sparte und da ist kein anderer.
Crystal F: Vollkommen. Es ist wirklich so, dass wir von der HipHop-Szene früher nie akzeptiert wurden. Wir haben uns nicht ausgedacht, dass wir nur auf Hardcore-Shows spielen, sondern wurden halt nirgendwo anders gebucht. Wir sind aber auch nicht hardcore. Wir stehen da zwischen den Stühlen – wir sind Rapper, die in der Hardcore-Szene groß geworden sind. Aber nicht mit Hardcore-Musik, sondern mit Rap. Und das ist einer unserer größten Vor-, aber vielleicht auch größten Nachteile. Dass wir unsere eigene Sparte geschaffen haben – und zwar "Ruffiction". Es gibt keinen, der uns da ähnlich ist. Du kannst über uns nicht sagen: "Die sind wie der und der" … wir sind wie wir. So eine Mischung der Musik, Szenen und Stilrichtungen gab es vorher einfach nicht. Und die Medien wollten uns auch nicht. Guck mal: Jetzt ist 2015, wir machen seit zehn, elf Jahren Musik und dieses Jahr ist das erste, in dem wir Interviews mit der JUICE oder Backspin haben. Oder 16bars. Man wird überall als Newcomer gehandelt, obwohl wir absolut keine Newcomer sind, sondern schon 25, 26 Releases rausgebracht haben. Darüber wurde nie geredet. Und das ist auch ein Indiz für uns, dass uns die HipHop-Szene nie wirklich wahrgenommen hat. Das ändert sich gerade ein bisschen und seit "Ruffnecks" ist es schon so, dass man wieder mehr in der Szene unterwegs ist, aber so richtig angekommen sind wir nicht. Wenn jemand von "Ruffiction" redet, heißt es entweder "Kenn' ich nicht" oder "Das sind die Krassen, die Index-Leute".
MZEE.com: Was müsste denn passieren, dass ihr euch in der Deutschrap-Szene angekommen fühlt?
Arbok 48: Aufm Splash! auftreten. Die simpelsten Dinge vielleicht. Dieses Jahr spielen wir noch auf ein, zwei Hardcore-Festivals, aber dass ein HipHop-Festival uns bucht, ist irgendwie sehr unrealistisch … Anerkennung von der Szene.
MZEE.com: Ihr hört privat auch überwiegend Deutschrap?
Crystal F: Ja. Nicht nur, aber das ist auf jeden Fall unsere Musikrichtung. Ich hab' in den letzten zwei, drei Jahren aber ein bisschen weniger gehört, weil mich Deutschrap zurzeit etwas langweilt. Da fallen zu viele Phrasen, es ist alles so berechnend, Leute werden verarscht, Rapper sagen Dinge, die sie gar nicht so meinen … Aber es ist trotzdem unsere Musik. Wir sind damit groß geworden und es ist die Musik, die uns am meisten geprägt hat.
MZEE.com: Hat sich das Ansehen von Deutschrap in der Gesellschaft eurer Meinung nach in der letzten Zeit geändert, wenn man mal einen Vergleich zu der Situation von vor fünf Jahren zieht?
Arbok 48: Auf jeden Fall. Früher lief im Radio außer Fanta4 oder Fettes Brot nichts, aber wenn ich jetzt 1LIVE einschalte, kommt da von Genetikk über Kollegah bis zu weiß-ich-nicht alles. Die Leute wissen mittlerweile auch mehr damit anzufangen. Früher hieß es halt zum Thema HipHop: Okay, das sind irgendwelche Leute mit schräger Cappy und die kiffen. Das Klischee geht meiner Meinung nach langsam weg. Ich finde schon, dass sich da was krass verändert hat.
MZEE.com: Die letzten Worte gehören euch – wenn ihr euren Fans mal etwas mitteilen wollt, dürft ihr das gerne an dieser Stelle machen.
Crystal F: Danke für eure Unterstützung und danke für das Begleiten des Albums und von uns. Wir freuen uns auf die Tour und auf euch!
Arbok 48: Prost!
(Florence Bader & Pascal Ambros)
(Fotos von Bastian Harting)
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