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Kritik

Disarstar – Kontraste

Ich bin vie­le und bin ger­ne so.
Ich hab' Iden­ti­tät und 'n Feu­er, das im Her­zen tobt.

Wer ist die­ser Dis­ar­star? Dass die­se Fra­ge nicht so leicht zu beant­wor­ten ist, soll­te spä­tes­tens nach der "Tau­send in Einem"-EP aus dem Vor­jahr bekannt sein. Auf "Kon­tras­te" ver­sucht er, mit "Wer ich bin" nun selbst eine Ant­wort zu lie­fern. Erschre­ckend ehr­lich spricht er über sei­ne Facet­ten. Zwi­schen "Ich bin Freund, Onkel, Bru­der und Sohn, bin Jun­ge aus 'ner Groß­stadt und Tru­bel gewohnt" und "Ich bin 'n intel­lek­tu­el­ler Hin­ter­wäld­ler, indis­kre­ter Links­extre­mer – und Ex-​Kindergärtner" wird einem schnell bewusst, dass die Phra­se "Tau­send in Einem" wohl nicht über­trie­ben war. War­um der Titel des Vor­gän­ger­werks auch heu­te noch rele­vant ist? Nun ja, weil eben genau die­ser Gedan­ken­gang "Kon­tras­te" wie den Nagel auf den Kopf trifft.

"Kon­tras­te" ist äußerst viel­schich­tig und abwechs­lungs­reich – mit nur einer Kon­stan­ten: Dis­ar­stars unver­blüm­ter Frei-​Schnauze-​Mentalität. Genau­so wer­den auch unan­ge­neh­me The­men ange­spro­chen, die ansons­ten oft­mals in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Spe­zi­ell, wenn es in poli­ti­sche Gefil­de aus­ufert, beweist der Ham­bur­ger erstaun­lich viel Herz­blut. Dis­ar­star ist fast schon uner­hört pole­misch, eckt mit sei­nen Mei­nun­gen nur all­zu ger­ne an und ist am Ende des Tages vor allem ein "Streit­süch­ti­ger mit 'ner Rhe­to­rik wie 'ne Pan­zer­faust" ("Wer ich bin"). Und das macht ihn aus. Die­se Eigen­art bil­det das Fun­da­ment für Dis­ar­stars Schaf­fen und dem­entspre­chend auch für "Kon­tras­te". Genau die­se Pas­sa­gen sind es, in denen er es schafft, Emo­tio­nen zu erzeu­gen und den Hörer für eine gewis­se Zeit mit­zu­rei­ßen. Doch wie so oft ist lei­der nicht alles Gold, was glänzt – und die­ses ver­meint­li­che Erfolgs­re­zept wird nicht kon­se­quent fort­ge­führt. Ein "100 Jah­re" zum Bei­spiel – Melan­cho­lie in allen Ehren – ist ein­fach zu schnul­zig und zeit­gleich doch zu herz­los umge­setzt. Ech­te Emo­tio­nen kön­nen viel­leicht der Aus­lö­ser dafür gewe­sen sein, die­sen Song zu schrei­ben. Aller­dings kom­men die­se bei dem Hörer schlicht und ergrei­fend nicht an.

"Kon­tras­te" kommt zum Still­stand und ich füh­le mich unwei­ger­lich an den Moment zurück­er­in­nert, als ich das ers­te Mal "Lie­ber bleib ich bro­ke" des Frank­fur­ter Rap­pers Vega gehört habe. Man spürt Hass in der Stim­me sowie größ­ten­teils ech­te und glaub­haf­te Gefüh­le in den Wor­ten auf einem stets nach vor­ne trei­ben­den Klang­tep­pich. Ein­zig gerin­ge Faux­pas wie "100 Jah­re" oder ab und an frag­wür­di­ge Zei­len und Pun­ch­li­nes trü­ben den Gesamt­ein­druck eines mehr als gelun­ge­nen Debüt­al­bums. Denn ja, Dis­ar­star ist unheim­lich talen­tiert und facet­ten­reich – aber das kann man durch­aus schö­ner unter Beweis stel­len als durch Aus­sa­gen wie:  "Ich bin mehr­schich­tig – Blät­ter­teig" ("Wer ich bin").

(Lukas Mai­er)

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