Zwölf Jahre nach dem Release seines Debütalbums "Chef-Ket" feierte der (fast) gleichnamige Berliner Rapper mit Langspieler Nummer Drei in diesem Jahr seinen ersten Charterfolg als Solokünstler. Und was für einen: "Nachtmensch" preschte direkt in die Top 10 der LP-Charts vor und positionierte sich auf einem guten neunten Platz. Während Chefket in den vergangenen Jahren vornehmlich als Supportact von unter anderem Marteria auf deutschen Bühnen präsent war, dürfte er sich spätestens mit der aktuellen Platte als eigenständiger Künstler etabliert haben. Doch wieso hat das so lange gedauert? Nun, gut Ding will Weile haben. Ein Gespräch war uns diese sowie ein paar weitere Fragen auf jeden Fall wert und so trafen wir uns mit dem "Nachtmenschen" zum Interview. Zwar bei Tag, aber das soll der Realness ausnahmsweise mal keinen Abbruch tun.
MZEE.com: Du rappst seit einer gefühlten Ewigkeit, bist aber dennoch nicht für jeden Deutschrap-Fan heutzutage präsent. Kannst du deshalb zu Beginn des Interviews die vier wichtigsten Stationen deiner Rapkarriere bis hierhin aufzählen?
Chefket: Mein Umzug nach Berlin. Die End Of The Weak-Battles, bei denen ich Deutschlandmeister und dann Vize-Weltmeister in London geworden bin. Und dann hab' ich die FritzNacht der Talente gewonnen und Marteria-Shows begleitet …
MZEE.com: Wie lange liegt der letzte Punkt zurück?
Chefket: Die Marteria-Shows waren noch bis vor Kurzem. Und ich werd' jetzt auch bei den großen Shows in Dresden und Berlin dabei sein. Letztens in Rostock kamen 20.000 Leute, das war auf jeden Fall ein Erlebnis. Alle waren ja für Marten da – er hatte davor noch seinen Fußballverein gerettet, kam zurück als Held und ich durfte für ihn eröffnen. Das war eine riesige Ehre. Als ich 2009 meine Releaseparty im Festsaal Kreuzberg hatte, war Marten auch da. Wir saßen besoffen in der Ecke und er hat mich gefragt, ob ich auf seine Tour mitkommen will. Damals waren 100 Leute da. Und jetzt … Das sind einfach alles krasse Erlebnisse. Ich hab' auch eben zu eurem Fotografen gesagt, wie krass das ist. Er meinte, er hat mich vor acht Jahren als Vorgruppe von Dead Prez gesehen und jetzt sieht er mich hier … Ich will nicht falsch bescheiden klingen, aber es ist schon ein bisschen absurd.
MZEE.com: Hatte denn dein Auftritt auf dem diesjährigen Splash!-Festival einen Meilenstein-Charakter für dich?
Chefket: Ich weiß noch, dass ich 2005 zum ersten Mal auf dem Splash! als Gast war und irgendwann meinte: "Ich komm' erst wieder, wenn ich 'nen Auftritt hab'." Dann hatte ich 2010 meinen ersten Auftritt, danach 2011 mit Marten und 2013 dann zum ersten Mal allein auf der Hauptbühne mit der "Identitäter"-EP, wo ich die Releaseparty gefeiert hab'. Und jetzt noch mal … Ich hab' gemerkt, wie viele Leute da waren. Das war ein richtig cooler Moment. Teilweise ist das auch wie ein Blackout – meine komplette Familie war dieses Jahr da, deswegen war ich auch noch aufgeregter als sonst.
MZEE.com: Hast du momentan noch ein Ziel, von dem du gerade sagst: "Das in drei Jahren erreicht zu haben, wäre der Hit"?
Chefket: Ich weiß noch nicht genau, wo es hingeht. Ich mache einfach und schaue, was passiert. Aber ich weiß: Wenn ich nichts mache, bleibt alles so wie es ist. Grundsätzlich hatte jedes Release bisher im Nachhinein eine positive Auswirkung, deshalb bin ich gerade gespannt. Der Lebensweg, den ich ausgewählt habe, war zwar teilweise so "Spaghetti mit Soße essen"-mäßig und ich hatte immer Zweifel, ob das jetzt das Richtige war, aber es blieb immer spannend. Und das ist es auch jetzt noch.
MZEE.com: Und hast du auch Angst vor dem, was als Nächstes passieren könnte?
Chefket: Nee, Angst hab' ich keine. Das Wichtigste war für mich, dass ich die Musik mache, die ich auch selber hören würde. Ich habe versucht, etwas Zeitloses zu schaffen. Und das ist mit Farhot endlich gelungen. Und ich bezweifle, dass ich das jetzt noch toppen kann.
MZEE.com: Woran liegt es deiner Meinung nach, dass dich bisher nicht jeder auf dem Schirm hat und wie empfindest du das? Nervt es dich ein wenig oder war es eh nie dein Ziel, der "bekannteste Rapper des Landes" zu werden?
Chefket: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich glaube, die Leute, die sich für ein neues Album interessiert haben, haben auch davon gewusst. Es ist so ähnlich wie bei Independent-Filmen: Es gibt so viele geile, von denen man nur mitkriegt, wenn man sich ein bisschen mit der Szene befasst. Die Blockbuster werden einem um die Ohren geworfen – dafür sieht man überall Werbung. Da geht man dann ins Kino, isst sein Popcorn und vorne fliegen Autos rum. Das ist geiles Entertainment. Danach gehst du raus und hast 'nen coolen Abend gehabt. Aber manche Filme, die man entdeckt, bewirken eher, dass die Leute danach still sind und über das nachdenken, was sie gerade gesehen haben. Vielleicht kann man das so beschreiben, parallel zu diesen Independent-Filmen. Wenn jemand von morgens bis abends arbeitet, nach Hause kommt und dann noch seine Sachen zu erledigen hat, kann er sich vielleicht nicht so mit der Szene auseinandersetzen und kriegt nicht unbedingt mit, was alles im Underground passiert. Das seh' ich auch ein. Ich hab' einfach gedacht, ich mache so viel Mucke, bis man nicht mehr an mir vorbeikommt. (lacht) Das Geile war, dass ich das live immer so rüberbringen konnte und sich auch Leute, die mich noch nicht kannten, danach dachten: "Wow, warum kenn' ich den noch nicht?" Ich bin so oft aufgetreten, wie ich konnte, damit die Leute das für sich mitnehmen. So eine Platte ist auch noch mal was anderes, als wenn ein Künstler auf der Bühne steht und seine Persönlichkeit im Raum verbreiten kann.
MZEE.com: Ich fand diesen Filmvergleich gerade sehr passend. Es gibt ja auch Künstler, die wachsen und vielleicht etwas mainstreamiger werden, am Anfang aber auch nur eine Nische besetzen. Ich glaube, man muss mit seiner Kunst auch nicht immer für jeden greifbar sein. Vermutlich ist das auch gar nicht möglich, es sei denn, du machst etwas sehr Plattes, Radio-mäßiges, das für jeden verständlich ist.
Chefket: Ich denke auch, dass sich das Zuhörverhalten geändert hat. Nicht nur bei den HipHop-Heads, sondern auch beim jüngeren Publikum, das vielleicht denkt: "Ich suche jetzt mal etwas, das mehr Inhalt hat und mir etwas gibt." Dadurch, dass ich damit schon auf meiner ersten Platte angefangen habe, musste ich mich jetzt auch nicht unbedingt verändern. Ich hab' einfach weitergemacht und mich ein bisschen gesteigert. Wenn Leute jetzt meine alte Platte entdecken, denken sie oft, dass sie vom letzten Jahr ist, gerade weil da zum Beispiel auch Gesang dabei ist. In der Zeit, in der ich das releast habe, wollte aber keiner einen Rapper, der singt. Das war für alle irgendwie schwul. (lacht) Diese Bezeichnung kam dann immer, genauso wie "Der ist harmlos" – ich hab' nie verstanden, was die wollen. Ich wollte einfach nur gute Mucke machen, die ich zum Beispiel auch meinen Eltern vorspielen kann. Wenn wir früher mit 'ner Autobatterie und Turntables Straßenmusik gemacht haben und Familien drumherum standen und zugehört haben, war ich auch immer froh, dass ich keinen Scheiß erzähle. Und wenn das auf kleinen Bühnen und der Straße klappt, dann auch auf der großen Bühne. Die Leute denken immer, dass die Musik besser wäre, wenn man sie auf großen Bühnen spielt – aber es ist eigentlich dasselbe.
MZEE.com: Manchmal ist aber auch das Gegenteil der Fall. Ich glaube, dass oberflächlichere Themen für viele leichter zugänglich, aber für Leute, die sich mehr damit beschäftigen, auch extrem uninteressant sind …
Chefket: Natürlich ist ein Cro da beispielsweise ein Phänomen. Er hat halt dafür gesorgt, dass HipHop in den Radios gespielt wird. Vorher war das nicht der Fall – ich weiß zum Beispiel, dass "Verstrahlt" von Marteria damals nicht im Radio lief, weil's deutscher Rap war. Das war früher schon anders. Inzwischen hat sich vieles geändert und das ist auch gut für die ganze Szene. Das kann man hassen oder nicht, aber wir sind alles Leute, die sich Instrumentals anhören, hinsetzen, Reime schreiben und einen guten Song machen wollen. Ist doch okay.
MZEE.com: Was hat Rap in diesem Moment denn für eine Bedeutung für dich? Ist das Ganze eher ein Job, eine Leidenschaft oder sogar dein kompletter Lebensinhalt?
Chefket: Ich muss nichts nebenbei machen, versuche aber, meinen Tag so produktiv wie möglich zu gestalten. Ich bin ja wegen der Musik nach Berlin gezogen und konzentrier' mich eigentlich nur darauf. Ich hab' ein cooles Umfeld, mit dem ich viel unternehme. Ab und an bin ich dann aber auch mal im Nachtleben vertreten, um mir eine Belohnung zu geben, weil ich die ganze Zeit im Studio sitze. Ich versuche, eine coole Balance zu halten, weil viele Leute auch irgendwie "lost" in Berlin sind. Du kannst da jeden Tag Party machen und man merkt, dass sich viele Leute, die früher die Ambition hatten, Musik zu machen, darin verlieren. Das kann mir wahrscheinlich zum Glück nicht passieren, weil ich mit meinem Ziel zu gesetzt bin. Da bin ich ziemlich spießig, glaube ich.
MZEE.com: Aber gerade, wenn du als freiberuflicher Künstler arbeitest, muss ja auch sehr viel von dir kommen. Gab es da schon Wochen, in denen du gesagt hast: "Ich will nicht mehr"?
Chefket: Klar gibt es die, aber das kann ich mir dann auch erlauben. Das ist diese Freiheit, die man sich erkämpft hat. Ich mach' jetzt gerade Action – führe Interviews, hab' meine Proben, spiele Shows, plane Videos … Aber dann kommt mal wieder 'ne Zeit, in der es ein wenig ruhiger wird und man sich eine Auszeit gönnen kann. Man muss halt gucken, dass man nicht krank wird – das ist ja alles nicht so gesund. Aber wenn ich sehe, wie die Leute aus meinem Umfeld arbeiten, kann ich auf jeden Fall noch viel lernen. Im Gegensatz zu denen mache ich immer noch sehr wenig. Daran sieht man auch, was Erfolg bedeutet: viel harte Arbeit. Nicht nur Rumhängen und sich auf Lorbeeren ausruhen. Das ist leidenschaftliches Arbeiten an Sachen. Manchmal bin ich im Studio und weiß zuerst gar nicht genau, was ich eigentlich mache, aber irgendwann kommt dann dieser Moment, den du erwischen musst. Darum geht’s: um Disziplin. Aber das macht auch so krass Spaß und fühlt sich am Ende gar nicht mehr nach Arbeit an. Dann bist du halt zwei, drei Tage im Studio und hast nur beim Späti irgendwelche Fertiggerichte gegessen, nicht geduscht und hoffst, dass keiner kommt, weil du dich gerade so eklig fühlst. (lacht) Und dann denkst du dir: Egal, ich mach' das jetzt noch fertig. Und danach stehst du auf der Bühne und teilst das mit den Leuten. Das ist der Flash. Nach so einer Zeit bist du vielleicht auch ein bisschen antisozial. Wenn dann Leute ins Studio kommen, bist du voll aufgeregt und willst denen alles zeigen. Du plapperst die ganze Zeit und alle sagen nur: "Ist okay, komm runter." Aber das macht richtig Spaß.
MZEE.com: Setzt du dich da manchmal auch selbst ein wenig unter Druck? Wenn du siehst, dass du mal zwei Wochen lang nichts gemacht hast, und dir dann vielleicht sagst, dass du jetzt mal wieder ins Studio musst?
Chefket: Das ist jetzt sehr ehrlich: Ich bin unglücklich, wenn ich keine Mucke mache. Ich merke, irgendwas stimmt nicht, und dann denk' ich: "Ja klar, Alter – ich hab' nichts gemacht." Dann geht man ins Studio, setzt sich hin und merkt, wie alles aus einem rauskommt. Nimmt auf, läuft damit in den Kopfhörern über die Frankfurter Allee und ist einfach nur happy, das jetzt zu hören. Klar ist man immer glücklich mit dem letzten Song, den man gemacht hat, und denkt, das wäre jetzt der beste der Welt – das verändert sich im Nachhinein natürlich ein bisschen. Aber das sind auch immer die Aufnahmen, die man behält und die auf der Platte landen. Und dann ist dieser ganze Vibe der Nacht noch darin. Man macht das also auch ein bisschen für sich. Man ist praktisch sein eigener Freund und schenkt sich was. Es geht um die Möglichkeit, aus dem Nichts etwas zu schaffen. Man setzt sich hin, macht 'nen Beat oder schreibt was und dann hast du 'nen Song, den du mit Leuten teilst … Das ist schon was Besonderes. Und solange ich noch Inspiration habe, will ich das auf jeden Fall machen. Deswegen umgebe ich mich auch mit Leuten, die mich inspirieren.
MZEE.com: Mit wem zum Beispiel?
Chefket: Das sind meine besten Freunde. Das ist die Marsimoto- und Marteria-Crew, wo dann Marten auch einfach mal vorbeikommt, eine Pizza mitbringt und sagt: "Spiel mal vor." Da weiß man auch einfach, dass man nicht alleine ist, sondern mit einer Family – alle machen Mucke und haben 'nen ähnlichen Spirit. Das ist auf jeden Fall gut. Alleine kann man keine Schlacht gewinnen, das geht nicht.
MZEE.com: Lass uns mal ein bisschen über dein Album "Nachtmensch" sprechen. Inwiefern unterscheidet sich der neue Sound von deiner letzten EP "Guter Tag"?
Chefket: Bei der letzten EP waren es noch mehrere Produzenten, die Beats beigesteuert haben. Farhot war damals auch schon dabei und Nobodys Face. Nobodys Face hatte dann aber nicht mehr so viel Zeit – er ist ja auch in der Marsimoto-Crew und mit den Live-Gigs beschäftigt. Farhot kenn' ich schon sehr lange, aber auch da dachte ich, dass er eigentlich keine Zeit für mich hat, weil der ja richtig krasse Produktionen macht. Das war dann aber gar nicht der Fall. Wir waren viel zusammen unterwegs und sind ein bisschen in Marokko, Dänemark und Istanbul abgehangen, haben Mucke gehört, gemacht, Skizzen aufgenommen … Und dann kam immer mehr dazu. Er hat auch immer Musiker eingeladen, die Sachen dazu eingespielt haben. Ich war dabei und hab' ein bisschen vorgesummt, wie ich's gerne hätte. Nach und nach hat er dann den Film verstanden und ich musste gar nichts mehr sagen. Das kam irgendwann alles nur noch von seiner Seite und ich hätte die ganze Zeit nur noch klatschen können, weil es für mich so vollkommen war. Das Ganze ist musikalisch richtig gut festgehalten und organisch. Frischer Sound, den ich in Deutschland leider nicht kenne, weil sich niemand so detailliert mit Kleinigkeiten auseinandersetzt, die man vielleicht eher als Nerd wahrnimmt.
MZEE.com: Du hast vorhin gesagt, dass du den Vibe einer Nacht oft in deine Songs mitnimmst. Hast du das Gefühl, dass auch von den Städten, in denen ihr wart, etwas mit in die Musik eingeflossen ist?
Chefket: Ich glaube, dafür waren wir zu kurz da. Bestimmt waren Gedanken und irgendwelche Vibes dabei, aber das kann ich gar nicht beantworten. Das war wohl eher unterbewusst.
MZEE.com: Auf dem Album ist die Single "Rap & Soul" vorzufinden, auf welcher beide Stilrichtungen miteinander kombiniert werden. Gibt es denn eine von beiden, zu der du dich persönlich – vielleicht auch beim privaten Konsumieren – mehr hingezogen fühlst?
Chefket: Soulmusik spricht, wie der Name schon sagt, eher die Seele an. Auch wenn man die Sprache vielleicht nicht versteht. Aber wenn ich singe, kann jeder wahrnehmen, ob das jetzt ein guter Gesangspart ist oder nicht, unabhängig davon, was ich sage. Das Rapding ist dann eher ein bisschen verkopfter – man hört mehr auf die Technik der Reime, die Punchlines und so weiter. Deswegen ist Soul eher das, was mir gefällt. Ich hab' auch immer versucht, rapmäßig zu schreiben, aber soulmäßig zu singen, sodass es irgendwie beides anspricht. Damit alle diesen Vibe fühlen, auch, wenn ein Ami oder jemand von den Philippinen das hört. Da hab' ich gemerkt: Es geht um die Stimmung. Im Endeffekt kann man sagen, dass Soulmusik eher das ist, wo ich hin will. Aber durch Rap ist alles entstanden. Einerseits Schreiben zu können und zu lernen. Andererseits Dinge richtig zu benennen, wahrzunehmen und auszudrücken … Und beides zu verbinden, das ist das Ziel. Früher wusste ich nicht, ob ich rappen oder singen soll. Und inzwischen denke ich: Warum muss ich mich denn entscheiden?!
MZEE.com: Du zählst auf "Rap & Soul" einige große Künstler auf, die sich musikalisch zwischen Rap und Soul bewegen – hast du eine besondere Bindung zu diesen Künstlern oder diente einer von ihnen als Vorbild, was deine aktuelle Musik angeht?
Chefket: Eric Burdon war das Erste, was ich auf Kassette gehört habe. Ich hab' das irgendwann mal bekommen und dachte zuerst, dass er schwarz wäre, weil man ihn auch "Blackman Burdon" genannt hat. Der hatte krasse Songs. Zum Beispiel einen, auf dem er zuerst beschreibt, wie beschissen alles ist, dann blind wird, später aber wieder sehen kann und danach sagt, wie schön alles ist. Der ging 15 Minuten lang – das war vor der Zeit, als Radios dann irgendwann bestimmt haben, dass alles nur noch drei Minuten gespielt wird. Das hab' ich schon sehr früh gehört. Und Aaron Neville. Da gab es einen Song, der hieß "Hercules". Den hab' ich damals mit meiner allerersten Band gecovert. Auf dem Track "Optimist" sing' ich sogar einen Part von ihm, in dem er beschreibt, wie stark er sein muss. Und Bill Withers war auch so eine Entdeckung. Als ich den gehört habe, dachte ich: "Der hat so 'ne Stimme wie ich." Das war der Song "Who is he?" vom "Jackie Brown"-Soundtrack. Das hat mich immer begleitet. Und natürlich Nas. Meine Schwester hatte eine Nas-Platte … Diese ganzen Leute haben auf jeden Fall einen großen Einfluss auf mich gehabt, aber ich sag' auch, dass alles, was mich beeinflusst hat, gar nicht auf ein Blatt passt. Aber es ist auf jeden Fall ein Teil davon. Es gibt noch ganz viele andere Musiker, die mich dazu inspiriert haben, Musik zu machen.
MZEE.com: Kommen wir noch mal darauf zurück, dass du schon eine ganze Weile Musik machst. Wie beurteilst du den aktuellen Status der deutschen Rapszene?
Chefket: Ich bin ja eigentlich erst seit 2009 dabei, also seit sechs Jahren. Da ist meine erste Platte rausgekommen. Das andere, was ich davor in meiner Kleinstadt gemacht habe, kann ich gar nicht dazuzählen. Das war halt, was man am Anfang so macht … So richtig hat's schon mit meinem Debütalbum 2009 angefangen, wo man mich auf dem Schirm hätte haben können. Ich finde, in der deutschen Rapszene gibt es zwei Lager: Beim einen geht’s um Geld, beim anderen um Musik. Und mit denen, bei denen es um Musik geht, hab' ich schon gearbeitet.
MZEE.com: Hast du das Gefühl, dass die Leute dieser Teilszene zusammenhalten? Gibt es da noch den grundlegenden Community-Gedanken?
Chefket: Ich seh' das eher bei den Tänzern, Produzenten und DJs. Bei den Rappern scheint allen das Ego im Weg zu stehen. Bestimmt gehe ich davon aus, weil ich selbst so bin.
MZEE.com: Findest Du, dass man von Glück reden kann, wenn man die Rapszene noch vor dem großen Cro-Boom miterleben durfte?
Chefket: Ich glaube, den Teil davor haben halt vor allem die Jüngeren nicht gekannt. Und die kommen da jetzt mit rein. Es ist aber auch keine Schande, nicht alles zu kennen. Wenn man nicht alle Rapper aus den 90ern kennt: What the fuck, scheiß drauf. Wir waren alle mal jung und haben mit irgendwas angefangen und Dr. Alban gehört. Wenn das für viele der Zugang ist und die auch dabei bleiben, wenn der Hype vorbei ist, ist das doch okay. Musik soll ja inspirieren. Und Cro macht ja nichts Negatives. Perfekt für die jüngeren Hörer.
MZEE.com: Und wie siehst du die Zukunft von deutschem Rap? Kannst du dir vorstellen, dass sich die Szene so entwickelt, dass du irgendwann gar keinen Bock mehr hast, ein Teil von ihr zu sein?
Chefket: Ich sehe in meiner Kristallkugel, wie die Kinder von heute später ihren Kindern HipHop früher nahebringen und dass irgendwann alle Nachrichtensprecher mit "Peace, ich bin raus" die Tagesschau beenden. Und, dass Politiker ihre Ansprachen mit einem Freestyle beginnen. Dann hätte ich keinen Bock mehr.
MZEE.com: Zu guter Letzt würden wir gerne noch eines wissen: Macht Rap glücklich?
Chefket: Meiner schon. (lacht)
(Florence Bader & Laila Drewes)
(Fotos von Kai Bernstein)
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