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Adventskalender

History-​Adventskalender: Türchen #07 – Torch (2000)

24 Tür­chen, 24 Jah­re deut­sche Rap-​Geschichte – in unse­rem Advents­ka­len­der las­sen wir die letz­ten Jah­re anhand aus­ge­wähl­ter Wer­ke Revue pas­sie­ren. Heu­te: "Blau­er Samt" von Torch aus dem Jahr 2000.

Wenn es drau­ßen lang­sam wie­der käl­ter wird und sich das Jahr dem Ende neigt, blickt man selbst ja ger­ne mal zurück und lässt die ver­gan­ge­nen Tage Revue pas­sie­ren. Wir möch­ten mit unse­rem dies­jäh­ri­gen Advents­ka­len­der einen Blick zurück­wer­fen – von heu­te bis hin zu den Anfän­gen von Hip­Hop in Deutsch­land. Sprich: knapp ein Vier­tel­jahr­hun­dert deut­scher Rap. Eine Sze­ne, die Mit­te der 90er unter ande­rem "direkt aus Rödel­heim" kam, aus dem "Fens­ter zum Hof" klet­ter­te, sich "vom Bord­stein zur Sky­line" auf­schwang und "zum Glück in die Zukunft" reis­te, um sich letzt­lich zwi­schen ein paar "Pal­men aus Plas­tik" nie­der­zu­las­sen. Kein Ele­ment der hie­si­gen HipHop-​Kultur dürf­te in all den Jah­ren einen so gewal­ti­gen Wan­del, so vie­le Höhen und Tie­fen, so vie­le Erfol­ge und Miss­erfol­ge durch­lebt haben wie Rap. Genau die­se Ent­wick­lung inner­halb der letz­ten 24 Jah­re möch­ten wir nun für Euch skiz­zie­ren, indem wir jedes Jahr anhand eines Albums dar­stel­len, wel­ches – unse­rer Mei­nung nach – nicht nur das ent­spre­chen­de Ver­öf­fent­li­chungs­jahr, son­dern auch die Sze­ne all­ge­mein nach­hal­tig prägte.

 

2000: Torch – Blau­er Samt

Haben dar­auf geach­tet, dass der Text 'nen Sinn hat.
Ich ver­lang' nicht viel – nur, dass ihr euch dar­an erinnert.

So ziem­lich jedem Raphö­rer dürf­te der Hei­del­ber­ger Torch ein Begriff sein – und zwar nicht nur der Rap­per selbst, son­dern auch sein Werk "Blau­er Samt". Nach­dem er bereits lan­ge zusam­men mit sei­ner Crew Advan­ced Che­mis­try unter­wegs gewe­sen war, ver­öf­fent­lich­te er zur Jahr­tau­send­wen­de sein ers­tes und ein­zi­ges Solo­re­lease und ging damit in die Deutschrap­ge­schich­te ein.

Es gibt wohl kaum jeman­den, der der Plat­te ihre Daseins­be­rech­ti­gung in der Sze­ne abspre­chen wür­de.  Denn die Rele­vanz von "Blau­er Samt" ist bis heu­te noch spür­bar. So wähl­ten etwa eini­ge Artists in jün­ge­rer Ver­gan­gen­heit Namen für ihre Releases, die eine Anspie­lung – mal als Hom­mage, mal als Kon­trast­pro­gramm – auf den Titel des Torch-Albums beinhal­ten. Mar­si­mo­tos "Grü­ner Samt" oder "Nor­ma­ler Samt" von Audio88 & Yas­sin sind die bekann­tes­ten Bei­spie­le. Doch vie­les von dem, was auf dem ein­fluss­rei­chen, "ori­gi­na­len" Samt in Tex­te gepackt wur­de, ist auch gan­ze 18 Jah­re spä­ter immer noch aktu­ell. Dass die viel­fäl­ti­gen Inhal­te – vom Lie­bes­lied bis hin zur Gesell­schafts­kri­tik – zudem nach wie vor berüh­ren, liegt sicher­lich auch an der kunst­vol­len Auf­ma­chung. Zwi­schen den Tracks fin­den sich neben Inter­lu­des teil­wei­se Gedich­te wie­der, was einen äußerst gelun­ge­nen Kon­trast zu den Songs bil­det, die durch die Beats, Scrat­ches und den straigh­ten Rap qua­si zum Inbe­griff von deut­schem Hip­Hop der dama­li­gen Zeit gewor­den sind. Den­noch ist nichts an der Plat­te typisch. Alles wirkt durch­dacht und so fin­det sich inhalt­lich nichts, was man als stumpf oder platt bezeich­nen könnte.

"Blau­er Samt" hat in all den Jah­ren nichts von sei­nem Zau­ber ver­lo­ren. Durch die ver­schie­de­nen Erzähl­per­spek­ti­ven und den Wech­sel zwi­schen rebel­li­scher Gesell­schafts­kri­tik und auf­rich­ti­gen Emo­tio­nen wur­de etwas Beson­de­res geschaf­fen. Man spürt als Hörer auch heu­te noch die Zeit und die Lie­be, die hier inves­tiert wur­de. Somit hat sich Torchs Album sei­nen Sta­tus als ech­ter Mei­len­stein der Deutschrap-​Geschichte red­lich verdient.

(Dzer­ma­na Schönhaber)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)