Hörst du die Bagger, die den Kiez erschüttern?
Sie bauen ein neues Paradies für Biomütter.
Den Künstler Lemur kennen viele noch als Teil von Herr von Grau. Seitdem sich das Duo getrennt hat, ist der Berliner nun alleine unterwegs und bringt sein drittes Release als Solo-Artist heraus. Nach dem Album "Die Rache der Tiere" dreht es sich wieder um Animalisches – dieses Mal jedoch um kleinere Tierchen, denn mit der EP bricht "die Herrschaft der Kakerlaken" an.
Schon früher ist der bärtige Benny durch besonders innovative Reime aufgefallen und auch die ausgefallenen Themen haben sich stets von den sonst in der Szene vorhandenen abgehoben. Dieses Konzept verfolgt Lemur auch weiterhin; so thematisiert er zum Beispiel im Song "Späne" die in Berlin immer weiter voranschreitende Gentrifizierung mit einem Wortwitz und einer Ironie, die ihresgleichen suchen. Das Ganze bringt er flowtechnisch lässig rüber und nutzt dafür einen positiv klingenden Beat, der inhaltlich eher etwas Fröhliches erwarten lässt. Dadurch erscheint das Endprodukt fast schon paradox, wenn man den Text als eigenständiges Element betrachtet. Dass ihm das derart gut gelingt, liegt wohl auch daran, dass Lemur alles in Eigenregie produziert hat und somit immer seinen Ideen perfekt gerecht werden kann, was er voll und ganz ausnutzt. Denn wenn man es so sehen will, ist aufbauend auf den ersten Song jeder weitere eine Steigerung zum Vorgänger, was sich in etlichen Flowvariationen und dem fortschreitend spezieller werdenden Soundbild abzeichnet. "Die Herrschaft der Kakerlaken" beginnt sehr gelassen und noch recht massentauglich, bis sie immer eigener wird und dann auf "Chemtrails" in einem experimentellen Höhepunkt mit äußerst energischem Rap gipfelt.
Lemurs EP ist definitiv nicht das, was man als Maßstab für deutschen Rap heranziehen könnte. Vielmehr lebt er seine Ideen einfach aus, ohne zu versuchen, damit ein breiteres Publikum zu erreichen. Er macht straight, wonach ihm ist – und das merkt man diesem Release auch an. Mit Sicherheit nichts für die breite Masse, doch so ist das mit Kunst: Nicht jedem gefällt sie.
(Dzermana Schönhaber)