Es ist schon komisch, wie die Zeit an den Knochen nagt.
Doch wir sind dicht und füttern weiter das Groschengrab.
Je ruhiger es um ihn wurde, desto unruhiger schien sein Publikum zu werden. Und auch wenn die Leute in der Zwischenzeit unter anderem mit Kapitalismus und Kannibalismus beschwichtigt wurden, geht ein Raunen durch die Menge, als Hiob nun endlich wieder die Bühne betritt. Ohne die Anwesenden auch nur eines Blickes zu würdigen, stimmt er sie an: die "Abgesänge".
Dabei kündigt Hiob keineswegs seinen eigenen Abschied an – höchstens von manch früherem Ich. Denn neben Nikotinablagerungen und Rückständen von billigem Schnaps trägt er hier vor allem sein hochgewürgtes Herz auf der Zunge. Er erzählt von gescheiterten Existenzen, die sich die Gosse mit ein paar Tauben teilen, im Sommer die letzten Reste Schnee auf dem Spiegel zusammenkratzen und deren Zusammensein am Alleinsein scheitert. Trotz poetischer Worte sind diese Darstellungen stets unbeschönigt. Obgleich es dem Publikum selbst überlassen bleibt, wo sie nun Parallelen zum Leben des Protagonisten ziehen, ist die Vortragsweise entgegen technischer Eigenheiten doch persönlich und nachvollziehbar. So bietet der Künstler sowohl mitreißende Geschichten von Melancholie und bittersüßem Schmerz als auch gewohnt versierte Raptechnik samt dem altbekannten Stakkato-Flow. Dabei scheint jede einzelne Strophe den Hörer in helle Vorfreude ob der Reime zu versetzen, mit welchen der "König der Bankroteure" seine Zeilen beschließt. Und all das in fast ungewohnt frischen Klängen. Das altbekannte Boom bap-Gewand ist dabei keineswegs abgelegt, aber in jedem Fall abgeklopft worden und nun frei von angestaubten Oldschool-Klischees. Ein beeindruckender Beweis dafür, wie einfach es ist, durch kleine Veränderungen dem altbekannten Stil neue Facetten zu verleihen.
Nach seinem Vortrag verlässt der Künstler wieder schnellen Schrittes die Bühne, ohne ein Wort des Abschieds zu hinterlassen. Denn "Abgesänge" erzählt zwar vom Ende, aber keinesfalls vom Ende Hiobs. Stattdessen steht das Album für ein frisches Soundbild gepaart mit altbekanntem Rap, für den es sich seitens des Publikums immer wieder zu warten lohnt.
(Daniel Fersch)