Früher warst du bei der Schandtat dabei.
Und heute zieht es nur an deiner Timeline vorbei.
Nach fast einem Jahrzehnt meldet sich Sichtbeton aus den abgelegenen Winkeln Berlins zurück. Das dritte Album "Prenzlauer Berg" ist dieses Mal in kompletter Eigenregie von Lunte geschrieben und produziert worden. In dem mit zwölf Tracks bestückten Werk beschäftigt er sich hauptsächlich mit den Ecken und Kanten des florierenden Großstadtdschungels.
Wenn so viel Zeit zwischen den Releases verstreicht, ist es logisch, dass sich sowohl vor als auch hinter dem Mic einiges verändern kann. Unsere Hauptstadt – und speziell Orte wie der Prenzlauer Berg – bieten dafür den besten Nährboden. So erging es auch Lunte, in dessen Leben viel passierte. Zwischen unaufhaltsamer Gentrifizierung und den allgemeinen Problemen eines Mittdreißigers, sich selbst zu verwirklichen, erinnert er sich jedoch vor allem an die schönen Erlebnisse, die er in seinem Heimatviertel sammelte. Angeschnitten werden zudem auch alte Liebesbeziehungen oder angeknackste Freundschaften. Lyrisch ist "Prenzlauer Berg" auf einem wirklich hohen Level und die dazu passenden Beats sind im Ganzen sehr ausbalanciert und melodisch. Auch die Hooks harmonieren mit dem eher ruhigen Konzept der Platte. Stilistisch verkörpert sie primär die frühere Marschrichtung des P-Bergs, ungeliebte Themen, auch ohne Blatt vor den Mund zu nehmen, anzusprechen. Wer jedoch denkt, dass "Prenzlauer Berg" deswegen altmodisch klingt, irrt sich. Vielmehr bietet uns Sichtbeton einen überraschend frischen Sound.
Der Charme liegt vor allem im nostalgischen Teil der LP: Dieser ist reflektiert und überzeugt letztendlich durch seine unheimlich ausgewogene Art, Dinge mit Abstand zu betrachten. Somit liefert Lunte nicht nur gute Unterhaltung, sondern bereichert den Hörer auch mit vielen anschaulichen Anekdoten. Wer also bereits mit Sichtbeton Kontakt hatte, wird von diesem Werk nicht enttäuscht sein.
(Jan Menger)