Immer noch kein Knast, immer noch mit RAF.
Haben alles abrasiert, aber nichts dabei gedacht.
Spätsommer 2016: Bonez MC & RAF Camora holen die Sonne mit ihrem Album "Palmen aus Plastik" noch einmal hinter den Wolken hervor und erschaffen damit einen Klassiker, der in der Szene hohe Wellen schlägt und mit Afro Trap ein neues Subgenre in Deutschland etabliert. Das Aufregende dabei ist, dass die Platte eher spontan und als eine Art Spaßprojekt entstanden sein soll. Zwei Jahre später begeben sich die beiden nun erneut in das Fahrwasser ihres Meilensteins – diesmal mit Absicht.
Das Album wirkt bereits dadurch kalkulierter als sein Vorgänger, da man sich scheinbar an ebenjenem orientiert hat. So unterscheidet sich der Song "Kompanie" mit Hanybal inhaltlich kaum von "Attackieren" auf dem ersten Teil, wird jedoch mit einem frischen Sound aufgewertet, der sich vom Grundgerüst des Albums abzuheben weiß. Im Gegensatz dazu klingt das Trettmann-Feature gefühlt wie die beiden Songs auf "Palmen aus Plastik". Der Track "Kokain" mit Gzuz wiederum wird aufgebaut wie "Mörder", fährt vom Inhalt her jedoch so stark die 187-Schiene, dass RAF Camora fast obsolet wirkt. Insbesondere den Humor, der beim Vorgänger-Song noch klar zu spüren war, lässt der besagte Titel vermissen. Auch andere Anspielstationen des Albums werden vor allem bei den Hooks zu stark von Bonez geprägt. Der Ansatz würde eher zu einem "High & Hungrig"-Album passen, was keineswegs abwertend zu verstehen ist, sich hier aber unpassend anfühlt. Dass auch das Gegenteil möglich ist, zeigen zum Beispiel "500 PS" und "Risiko", weshalb hier alles andere als ein schlechtes Album vorliegt, dem es dennoch kaum gelingt, aus dem Schatten des ersten Teils hervorzutreten.
"Palmen aus Plastik 2" überzeugt gegenüber seinem Vorgänger lediglich durch Stilsicherheit. Das Rad wird nicht noch einmal neu erfunden. Verkaufstechnisch wird man vermutlich neue Rekorde aufstellen können, jedoch wird der zweite Teil durch die fehlende Frische wohl kaum auf ähnliche Weise wie der erste als Meilenstein in Erinnerung bleiben.
(Michael Collins)