Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Soundcheck eine Hilfestellung bieten. Producern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Während das hochgelobte "Walk of Life" deiner Crew Square One inzwischen fast volljährig ist, hast du erst vor Kurzem dein allererstes Solo-Album veröffentlicht. Bist du der Meinung, dass ein Producer-Album den selben Stellenwert haben sollte wie das eines Rappers?
Iman Magnetic: Realistisch betrachtet wird ein Producer-Album, – vor allem, wenn es sich um ein Instrumental-Album handelt – wahrscheinlich nie den Stellenwert eines Rap-Albums erreichen. Außer du bist ein Produzent, der rappt oder singt – à la Dr. Dre, Timbaland oder Pharrell zum Beispiel. Auch allgemein denke ich, dass Instrumental-Musik, egal, welches Genre, niemals die Aufmerksamkeit erzeugen wird, die ein Vocal-Album schaffen kann. Ich bin jetzt kein Musikhistoriker, aber wenn ich mir die Musikgeschichte der letzten 50 Jahre anschaue, dann sind die erfolgreichsten Songs wahrscheinlich zu 90 Prozent mit Gesang oder Rap. Allerdings hat sich auch sehr viel in den letzten zehn bis 20 Jahren verändert. Genres wie Techno oder House oder allgemein elektronische Musikrichtungen haben da eine Vorreiterrolle. DJs spielen ihre Sets vor zigtausenden Fans und die Playlists bestehen zum größten Teil aus Instrumentals. Im HipHop hat sich aber auch einiges getan. Wenn ich an die ersten Instrumentalplatten denke, die Anfang der 2000er Jahre über das Label BBE erschienen und das mit dem aktuellen Zustand vergleiche, dann stelle ich doch fest, dass Instrumental HipHop mittlerweile zunehmend populärer geworden ist. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass die Qualität der Raps abgenommen hat und der Musikliebhaber nur noch wenig Lust auf das Geheule hat. Vor allem die etwas älteren, die nach einem stressigen Arbeitstag nach Hause kommen, hören sich doch lieber irgendeine chillige Spotify-Playlist an statt Trapmusik. Geht mir zumindest so. Letztendlich wird wahrscheinlich Instrumental-Musik auf kommerzieller Ebene nie ganz so erfolgreich wie Popmusik sein – und wenn ich Popmusik sage, dann meine ich auch HipHop damit. Dafür sind aber Instrumentals zeitloser. Und ich hoffe, dass ich eines Tages doch eines Besseren belehrt werde und Producer-Alben den gleichen Stellenwert erreicht haben wie die Alben der Rapper.
MZEE.com: Ganz generell sagt die Gesamtheit eines Albums ja mehr aus als einzelne Tracks oder Beats. Gibt es denn einen bestimmten Inhalt oder eine Botschaft, die du mit deiner Musik vermitteln willst?
Iman Magnetic: Eine direkte Botschaft eher weniger. Letztlich spiegeln meine Alben eine Gefühlswelt zu einer bestimmten Zeitperiode wider. Wenn man genauer zuhört, dann ist da etwas Autobiografisches zu erkennen. Wie bei vielen Artists aber auch. Ich vergleiche ein Album mit einem Gemälde. Es besteht aus verschiedenen Farben. Jede Farbe hat eine bestimmte Stimmung, gleichzeitig aber harmonieren sie miteinander und ergänzen sich im Idealfall. In ihrer Gesamtheit ergibt es ein fertiges Bild, das Jahrzehnte oder bestenfalls Jahrhunderte überdauern kann. Ich nenne es mal "Soul's Infinite".
MZEE.com: Als Produzent hast du schon mit nationalen und internationalen Namen wie Curse, Nico Suave, Masta Ace oder der D.I.T.C. Crew zusammengearbeitet. Gibt es überhaupt noch einen Künstler, von dem du sagst, dass du ihn unbedingt einmal auf einem deiner Beats hören wollen würdest?
Iman Magnetic: Da fallen mir einige Namen ein. Ich könnte jetzt die üblichen Verdächtigen aufzählen wie Nas, Jay-Z, J. Cole, Kendrick oder Talib Kweli. Aber meine Devise ist, realistisch zu bleiben und nicht abzuheben. Natürlich träume ich auch davon, einen Anderson .Paak, Sampha oder José James auf einem meiner Beats zu hören. Träumen ist gut und auch wichtig, aber den Sinn für die Realität sollte man doch nicht verlieren. Ich würde zum Beispiel sehr gerne wieder mit Curse zusammenarbeiten. Ich hatte ja schon einige Male die Ehre, für ihn zu produzieren – und mit "Wahre Liebe" haben wir ja auch ein Masterpiece geschaffen. Aber vielleicht mal so eine komplette EP mit ihm machen? Ich sollte ihn vielleicht mal anrufen. (lacht) Zunächst möchte ich mich aber doch auf meine eigenen Sachen konzentrieren und dann schauen wir weiter.
MZEE.com: Als Teenager hast du in einer Dance-Crew begonnen, dann sogar gerappt und bist erst daraufhin beim Produzieren gelandet. Könntest du dir bei einer so vielfältigen Karriere überhaupt vorstellen, eines Tages zu alt fürs Producing zu sein?
Iman Magnetic: Ich glaube, für das Producing bist du nie zu alt. Als Produzent stehst du ja auch weniger im Rampenlicht, was manchmal doch etwas vorteilhaft sein kann. Somit kann dich das Alter weniger ein- beziehungsweise beschränken. Sollte ich mit 60 oder 70 noch gesund sein, dann glaube und hoffe ich auch, dass ich immer noch Musik machen werde. Wahrscheinlich weniger in Form von Veröffentlichungen, sondern eher als Hobby.
MZEE.com: Lass uns das Interview aber gar nicht mit dem Gedanken an ein Ende abschließen, sondern lieber mit der Frage, was in nächster Zeit deine Ziele in Sachen Musik sind.
Iman Magnetic: Wie schon erwähnt, ich möchte mich in nächster Zeit auf meine eigenen Sachen konzentrieren. Das werden hauptsächlich Instrumental-Alben sein. Als ich "Back to Square One" plante, kam mir die Idee einer Trilogie. Teil eins ist somit "out now" und momentan arbeite ich am zweiten. Mehr möchte ich erst einmal nicht verraten, vor allem weil "Back to Square One" ja frisch draußen ist. Auch wenn die Beats davon teilweise 20 Jahre alt sind. Aber gute Musik ist wie Wein. Je älter, desto mehr weiß man sie zu schätzen.
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(Daniel Fersch & Lukas Päckert)
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